Chefarzt Hans-Peter Unger sieht Perfektionisten und Idealisten als besonders gefährdet

Harburg. Für Hans-Peter Unger, Chefarzt der Abteilung für Psychotherapie und Psychiatrie der Asklepios Klinik Harburg - eine spezialisierte Tagesklinik für Stressmedizin - am Eißendorfer Pferdeweg und Vorstandsmitglied im Deutschen Bündnis gegen Depression, ist die Burnout-Krankheit kein neues Phänomen. Bereits 2004, zum Auftakt der Gründung des Harburger Bündnis gegen Depressionen, referierten Betriebsärzte über die Zunahme von psychischen Belastungen in der Arbeitswelt. Sein Buch "Bevor der Job krank macht", dass er mit Carola Kleinschmidt verfasste, gilt als der Anti-Stress-Ratgeber schlechthin. "Von Stressbelastungen mit Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Müdigkeit über Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, sozialem Rückzug bis hin zur Erschöpfungsdepression, also schwerem Burnout, dauert es drei bis zehn Jahre", sagt Unger. Betroffene, die im ersten Stadium der Erschöpfungsspirale nicht auf sich achten, geraten schnell in einen verhängnisvollen Abwärtstrend. "Das liegt vor allen Dingen daran, dass viele Arbeitnehmer Dienstleister sind, also Kommunikation im Berufsleben eine große Rolle spielt. Hier kann viel schiefgehen", so der Chefarzt. Betriebliche Risikofaktoren sind vor allem fehlende Anerkennung, schlechte Entlohnung, Arbeitsplatzunsicherheit und fehlende Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Verhältnis zur eingebrachten und geforderten Arbeitsleistung. Ebenso fatal sei die fehlende Unterstützung am Arbeitsplatz durch Kollegen und Vorgesetzte.

Allerdings können auch Hausfrauen und Arbeitslose erkranken - "eben alle Menschen, die über ihre Grenzen gehen, Perfektionisten und Idealisten, die nicht nein sagen können", sagt Unger. Während Frauen sich eher zurückziehen, reagieren Männer meist aggressiv, greifen zum Alkohol, "weil sie sich in ihrem Status angegriffen fühlen.

Den Weg aus der Erschöpfungsspirale kann man nur selbst finden. "Im ersten Stadium helfen Pausen und Urlaub", so Unger. Ertappt man sich bei aggressiven Ausbrüchen und Panikattacken sollten sich Betroffene professionelle Hilfe suchen. An schwerem Burnout Erkrankte, die ständig vor sich hin grübeln, oft niedergeschlagen und unmotiviert sind oder sich gar mit Selbstmordgedanken quälen könnte eine Therapie hilfreich sein. Drei Monate, so Unger, dauert der Weg aus der Erschöpfung. Dazu sind unter anderem Gespräche in Gruppen mit Gleichgesinnten hilfreich und sinnvoll.

Auch Unternehmen können im Rahmen eines Präventionsprogramms einiges dafür tun, dass ihre Angestellten gesund bleiben. "Es gilt, in den Betrieben eine Kultur zu schaffen, in der offen über Anforderungen und Grenzen der Leistungsfähigkeit gesprochen wird. Life-Work-Balance für die Arbeitnehmer muss möglich sein." Sein Tipp für Berufstätige zur Stress-Prophylaxe: Rituale wie der Tanzkursus am Freitagabend und die Joggingrunde mit Nachbarn und Freunden pflegen. Und öfter mal auf den Partner hören, wenn der zum Kürzertreten rät.