An der Harburger Wetternstraße sollen 20 neue Plätze für Flüchtlinge und Obdachlose entstehen. CDU ist dagegen, SPD und GAL sehen Mehrbedarf.

Harburg. Große Bäume säumen die Sackgasse, ein Tempo-30-Schild weist auf das Wohngebiet hin. Ein roter Mülleimer ist vor dem Gebäudekomplex angebracht, in dem etwa 170 der 260 Anwohner der Wetternstraße leben. Hier sollen weitere Plätze für Flüchtlinge, Obdachlose und Spätaussiedler entstehen. Vier der von der Sozialbehörde vorgeschlagenen 20 Standorte für Notunterkünfte liegen im Bezirk Harburg. Neben der Unterkunft an der Wetternstraße, werden die ehemalige Polizeiwache an der Nöldeketraße (Wilstorf), ein Gebäude an der Bremer Straße (Eißendorf) und leer stehende Häuser an der Hasselwerder Straße (Neuenfelde) genannt.

Doch Harburger Politiker sind irritiert. Ihnen hat die Fachbehörde vergangene Woche andere Pläne vorgestellt. "Für Harburg sind die Pläne überholt", sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung. "Nach meinem derzeitigen Sachstand beabsichtigt die Behörde, lediglich in der Wetternstraße 20 weitere Plätze einzurichten." Dies bestätigt Holger Stuhlmann, Leiter des Sozialdezernats. Am 27. September entscheide die Bezirksversammlung darüber. Laut Heimath sind "noch einige Fragen" zu klären. So müsse über die Struktur der derzeitigen Belegung in der Unterkunft an der Wetternstraße nachgedacht werden. Dort wohnten zum Großteil alleinstehende Männer - aus Heimaths Sicht keine optimale Lösung. Zudem ist laut Heimath im Gespräch, die Neuenfelder Häuser an Familien zu vermieten. "Die Häuser gehören der Stadt und sollten sinnvoll genutzt werden."

Grundsätzlich ist der SPD-Fraktionschef der Meinung, dass Bedarf an weiteren Unterkünften besteht. "Wir haben großen Zuzug und müssen uns - wie alle europäischen Staaten - dem Problem stellen. Es sollten jedoch keine Ängste geschürt werden. Jeder Mensch hat das Recht, dass man ihn menschenwürdig behandelt. Die Unterbringung sollte so gestaltet sein, dass eine Integration möglich ist. Wir sind deshalb für kleinere Unterkünfte, die sich in das Wohnumfeld einfügen."

Harburg sei - vor allem im Kerngebiet - aus sozialpolitischer Sicht bereits überdurchschnittlich belastet, sagt dagegen Ralf-Dieter Fischer (CDU). "Harburg verträgt keine zusätzlichen Belastungen. Wir sind deshalb gegen neue Einrichtungen." Sei die Sozialbehörde anfangs noch von 2000 erforderlichen neuen Plätzen für Hamburg ausgegangen, sei dies zunächst auf 500 korrigiert worden. Vergangene Woche habe ein Behördenvertreter im Harburger Sozialausschuss schließlich von 100 Plätzen gesprochen, davon 20 in Harburg. Diese könnten in der Einrichtung an der Wetternstraße, die seit Jahren nicht voll ausgelastet sei, geschaffen werden.

Das Vorgehen der Behörde bezeichnet Fischer als "dreist". "Diese Liste mit möglichen Standorten ist ohne Beteiligung der Politik entstanden. Wie kann man Vorschläge machen, die überhaupt nicht geprüft sind?" Dass die drei anderen Standorte in Harburg, die ursprünglich auf der Liste standen, nicht in Frage kämen, sei schon im Sommer klar gewesen. Fischer: "Wir sehen auch überhaupt nicht den Bedarf." Bis heute sei nicht klar, ob es bei den zusätzlichen Bedürftigen um Aussiedler, Flüchtlinge oder Menschen, die ihre Wohnung räumen mussten, handele, ob es um Familien oder Alleinstehende gehe.

Die unzureichende Information der Politiker kritisiert auch Kay Wolkau, sozialpolitischer Sprecher der GAL-Fraktion und deren stellvertretender Vorsitzender. "Zunächst" sollten zwar nur 20 neue Plätze geschaffen werden. "Aber wir brauchen ein Gesamtkonzept, um uns auf das vorzubereiten, was noch kommen wird." Es gelte, sowohl eine menschenwürdige Unterbringung sicherzustellen als auch die Sozialverträglichkeit in den Stadtteilen.

Besonders Letzteres sei bei der Erweiterung der Unterkunft an der Wetternstraße schwierig. "Dort gibt es ein erhebliches Konfliktpotenzial im Miteinander von Anwohnern und Untergebrachten", so Wolkau. Anwohner beschwerten sich zu Recht über Drogenhandel, Kriminalität und mangelnde Kontrolle. Die GAL bestreite nicht, dass es einen "gewissen Mehrbedarf" gebe. "Wir können uns zwar vorstellen, an der Wetternstraße weitere Plätze zu schaffen. Es ist aber dringend geboten, dort vorrangig Familien unterzubringen."

Früher hätten in der Einrichtung mehr Familien mit Kindern gewohnt, sagt Anwohner Michael Grindemann. "Es ist schade, dass jetzt vor allem Männer dort untergebracht sind. An der Straßenecke stehen jetzt oft Betrunkene." Auch die heruntergekommenen Gebäude stören ihn. Einige Fenster sind zerbrochen, an den Wänden wurden Graffiti aufgesprüht. Grindemann versteht nicht, warum die Plätze aufgestockt werden sollen. "Harburg hat doch soviel Fläche." Seine Mutter lebt seit 35 Jahren hier. Sie hat mit Nachbarn bereits eine Bürgerinitiative gegen eine Aufstockung gegründet. "170 Flüchtlinge sind in Ordnung, aber mehr können wir in unserer Wohnstraße nicht aufnehmen. Die Politiker müssen wach werden, es dürfen keine Ghettos entstehen." Ein anderer Nachbar sagt zwar: "Man schläft schon unruhiger hier, wenn die Männer hier nachts herumschleichen." Man könne das Problem aber nicht immer auf den nächsten abschieben.