Zwei kleine Unternehmen sehen auf dem hart umkämpften Windkraftmarkt beim Faktor Mensch jeweils eine Nische für sich.

Winsen/Sprötze. Sie müssen hoch hinaus, auch wenn die Welt um sie herum schwankt und vibriert: Wartungstechniker von Windkraftanlagen arbeiten bei unwirtlichen Bedingungen. Zwei kleine Unternehmen aus dem Landkreis Harburg sehen auf dem hart umkämpften Windkraftmarkt bei dem menschlichen Faktor jeweils eine Nische für sich: Sie haben Erfindungen gemacht, die Servicetechnikern die Arbeit erleichtern.

Besonders die Arbeit an den bis zu 160 Meter hohen Windkraftanlagen auf hoher See bringt Risiken mit sich. Der Physiker Heinrich Duden aus Winsen hat einen "intelligenten Kran" entwickelt, der Techniker von dem bei Wellen schwankenden Schiff zur Eingangsplattform der Meereswindanlage befördert. Bisher haben die Anlagenbauer den 44-Jährigen und sein Personal Transfer System, kurz: PTS, nur belächelt - zu unwichtig erschien ihnen das Zugangsproblem. Heute, bei 160 Meter hohen Türmen inmitten der rauen See, hat sich der Wind gedreht. Duden ist zuversichtlich, sein PTS im nächsten Jahr auf einer Umspannstation in der Ostsee testen zu können. Dieser Praxistest auf dem Meer, offshore wie es im Branchenjargon heißt, fehlt dem Winsener Unternehmen noch - dann könnte es auf den Markt gehen.

Zwei Wege gibt es zurzeit, auf denen Techniker eine Meereswindanlage erreichen: Ein Schiff hakt sich sozusagen an dem Turm fest und die Serviceleute klettern eine 20 Meter lange Leiter hinauf und später wieder herab. Zur Sicherheit ruft ein Crewmitglied dem Techniker zu, wie viel Stufen er noch zu steigen habe. Ein anderer Zugang ist der aus der Luft: Ein Helikopter fliegt den Techniker zu dem Turm im Meer und seilt ihn an einer Winde ab. Den Hubschraubereinsatz mögen Anlagenbauer und Windparkbetreiber nicht - er ist sehr teuer.

Das PTS, erklärt Heinrich Duden, bietet mehrere Vorteile gegenüber den bisherigen Wegen. Der Techniker könne den Kran allein steuern. Sensoren ermöglichen selbst bei starkem Wellengang einen sanften Transfer, sie gleichen die Schwankungen auf hoher See aus. "Im schlimmsten Fall ist der Aufprall so, als wenn man von einem Stuhl springt", sagt der Erfinder.

Das Hauptargument des Winseners dürfte ein ökonomisches sein: Das PTS ermögliche es den Wartungstechnikern, bei bis zu drei Meter hohen Wellen überzusetzen. Bei dem konventionellen Transfer mit dem Schiff dagegen würden schon deutlich kleinere Wellen ein Übersetzen nicht möglich machen. Die Folge: Techniker müssen warten, die defekten Windmaschinen produzieren nicht. Etwa 250 Stunden im Jahr stehen Windkraftanlagen für Reparaturen im Jahr still. Ein besserer Zugang, argumentiert Heinrich Duden, erhöht die Produktivität: "Mit PTS könnten die Anlagen drei bis fünf Prozent mehr Strom im Jahr produzieren."

Heinrich Duden führt zwei Windenergieunternehmen in dem Gewerbegebiet an der Autobahnanschlussstelle Winsen-Ost. Hier, unter freiem Himmel, steht der inklusive Podest elf Tonnen schwere PTS-Prototyp. Neben der PTS Personnel Transfer System GmbH, ein Ein-Mann-Unternehmen, leitet Duden die ep4 Offshore mit sechs Mitarbeitern, ein Beratungs- und Planungsbüro für die Windenergiewirtschaft.

Um kleine, heimische Unternehmen wie PTS bei der Forschung und Entwicklung zu unterstützen, arbeitet die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises Harburg mit dem Transferzentrum Elbe-Weser zusammen. Dessen Dienstleister Artie, die Arbeitsgemeinschaft Regionales Netzwerk für Technologie, Innovation und Entwicklung, hat dem Winsener Windenergieunternehmen einen Kontakt zur Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld vermittelt. Das half PTS schließlich, ein Problem mit der Sensorik zu lösen. Aufgabe des Transferzentrums ist es, kleine Unternehmen mit Hochschulen und Forschungsinstituten zusammenzubringen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Ein Artie-Mitarbeiter war es auch, der dem Erfinder Dr. Dieter Frey, 57, aus Sprötze aus einer Sackgasse half. Die Wirtschaftsförderung übernahm die Kosten für ein Beratungsgespräch bei einem Hamburger Patentanwalt. Frey, Chef eines kleinen Ingenieurbüros, meinte zunächst, dass seine Erfindung ein Patent verletzten würde. Bei dem Fachanwalt konnte er aber erkennen, dass dies doch nicht der Fall sei. Für selbstständige Erfinder wie Dr. Frey bedeuten die Kosten eines Patentanwalts eine hohe Hürde.

Dieter Frey will eine Steighilfe für Servicetechniker von Windkraftanlagen der älteren Generation auf den Markt bringen. Etwa 5000 bis 8000 Türme ohne Aufzug, schätzt er, gibt es in Deutschland. Dabei handelt es sich meist um 80 Meter hohe Windräder, in denen Wartungstechniker eine Leiter hinauf- und hinabklettern müssen. "Einen solchen Turm zu besteigen, geht in die Knochen", sagt der Ingenieur, der genau weiß, dass auch die Techniker mit den Windanlagen älteren Typs gealtert sind. Dr. Freys Erfindung ist ein gutes Stück Ingenieurkunst, für die Deutschland immer noch in der Welt berühmt ist. So einfach und effektiv ist das Gerät: Der Wartungstechniker klinkt sich in das in der Windanlage hängende Seil ein, das rucksackgroße Gerät, eine Art mobiler Miniaufzug, zieht ihn in die Höhe und unterstützt ihn beim Sprossensteigen. In dem Metallkasten steckt ein kraftvoller Akku, der einer Dynamitstange ähnelt. "Mit dem Gerät schaffen wir einen 60 Meter hohen Aufstieg in nur drei Minuten", so sein Erfinder.

Frey plant, seine Aufstiegshilfe allen Wartungsfirmen in Deutschland anzubieten. Im nächsten Jahr könnte sie auf den Markt kommen. Auf dem Markt vorhandene Aufstiegssysteme würden etwa 8000 bis 10 000 Euro kosten. Dr. Frey glaubt, dass sein Gerät eine Chance habe, wenn es weniger als 1000 Euro kostet: "Wir wollen die Schwelle, ein solches Gerät einzusetzen, dramatisch senken", sagt er.

Bis dahin betreibt Dieter Frey sein Kerngeschäft: das Messen, die Königsdisziplin der Ingenieure. So habe er einen bekannten Windanlagenbauer vermutlich vor der Insolvenz gerettet, sagt der Sprötzer. Er konnte den Fehler ausfindig machen, warum Fundamente der Türme kaputt gingen. Doch solche Aufträge werden immer seltener für kleine deutsche Ingenieurbüros: "Die Messarbeit", sagt Dr. Frey, "ist in Richtung China verschwunden."