Ferkelzüchter lehnen das Kupierverbot durch die Europäischen Union ebenso wie die Forderung nach weniger Tieren im Stall ab.

Wüstenhöfen. Niedersachsens Ferkelzüchter schlagen mit einem Horrorszenario in der Öffentlichkeit Alarm: Sie sagen in einem Flugblatt nichts Geringeres als die Abschaffung ihres Berufsstandes im Jahr 2017 voraus. Geradezu schweinisch sei der Sechs-Jahres-Plan von Niedersachsens Ministerpräsidenten David McAllister (CDU), der von Juristen und Veterinären im Landwirtschaftsministerium umgesetzt und von der Europäischen Union gefördert werde.

Natürlich übertreibt das Aktionsbündnis Niedersächsischer Ferkelerzeuger. Aber das Stilmittel der Hyperbel ist ein Hilfeschrei an die Politik. Die Bauern fühlen sich von dem Tierschutzplan der Landesregierung, der bis 2018 umgesetzt sein soll, bedroht. Wegen zusätzlicher Auflagen wie dem Kupierverbot für Schweineschwänze spätestens 2016 sehen sich die Ferkelerzeuger in die Pleite rutschen. Die neuen behördlichen Auflagen kommen ohnehin in einer Zeit, in der die Branche am Stock geht: Dramatische Kostensteigerungen für Futter und niedrige Schweinepreise machen das Geschäft zurzeit unrentabel.

Weniger provokativ sorgt sich auch der Sauenhalter Heiner Kröger aus Wüstenhöfen bei Tostedt um die Zukunft seines Betriebs. Er sucht Wege, die Folgen des Tierschutzplanes für seine Branche zu mildern. Dazu hat er neben Berufskollegen den CDU-Landtagsabgeordneten seines Wahlkreises, Heiner Schönecke, zu einem Gedankenaustausch über das Kupierverbot eingeladen. "Ich möchte ein Forum schaffen, das öfter zusammenkommt", sagt der Landwirt.

Früher haben CDU-Politiker auf Bauernhöfen Heimspiele genossen. Heute sorgt ein kleines Stück Ringelschwanz für tiefe Gräben zwischen CDU-Parlamentariern und ihren Stammwählern. Geht es nach der Landesregierung, soll mit dem seit Jahrzehnten üblichen Kürzen der Schwänze bei Ferkeln bis 2016 Schluss sein. Eigentlich ist das keine Idee der Landesregierung. Die EU droht Deutschland mit einem Vertragsverletzungsverfahren und könnte Prämien von den Bauern zurückfordern. Der Tierschutzplan sei alternativlos, sagt deshalb Schönecke. Und auch Kreislandwirt Willy Isermann räumt ein: "Die Verordnung zum Kupierverbot ist bereits älter, die EU droht jetzt mit Strafe."

Das Kupierverbot sei ein Irrweg, beteuern Schweinehalter. Politiker und Ministerialbeamte würden grundlos vor der Tierschutzlobby einknicken. In der traditionellen Schweinehaltung werde bei Ferkeln aus gutem Grund ein Stück des Schwanzes abgeschnitten: Aus Langeweile neigen Schweine zu Kannibalismus, beißen ihren Stallgenossen in den Schwanz. "Wir schneiden nur ein kleines Stück ab, das ohnehin gefühllos ist", versichert Heiner Kröger, dass kein Ferkel leiden müsse. Kupiert wird heute mit einem heißen Draht. Für den Bauern sei das Kupieren überlebenswichtig: Die Schlachthöfe zahlen deutlich weniger für von Kannibalismus geschädigte Tiere.

Tierschützer dagegen halten das Kupieren der Ferkelschwänze für unnötig und Tierquälerei. Der Tierschutzplan Niedersachsen sieht Alternativen vor, die bis 2013 erprobt werden sollen: Schweine sollen Spielzeug erhalten, das sie von Anknabbern ihrer Artgenossen ablenkt. Auch soll wieder Stroh zum Spielen in den Stall. Heute besteht der Boden aus einem mit Plastik beschichteten Gitter, was das mühselige Entmisten überflüssig machen soll. Hilft das nicht, sieht der Tierschutzplan auch vor, die Bestände zu reduzieren. Weniger Tiere im Stall, noch über die Mindestvorgaben hinaus - das ist die eigentliche "Bombe", die der Plan für die Schweinehalter in sich birgt. Spielzeug für Schweine - das Ergebnis ist für den Sauenhalter Jens Aldag jetzt schon klar: "Nur mehr Stroh und Torf hinzuwerfen, das bringt nichts", sagt der Praktiker aus Wennerstorf. Das Ergebnis der Probezeit sei jetzt schon abzusehen.

Schweinehalter sprechen süffisant von "Nest-Haltung", die eine gesellschaftliche Minderheit den Bauern aufdrängen wolle. Sie wehren sich, als Tierquäler hingestellt zu werden. "Wir Landwirte sind bereit, anders zu produzieren", sagt Willy Isermann, "wenn wir dafür bezahlt werden." Solange Verbraucher im Supermarkt für ein halbes Kilo Schweinesteaks nur 1,99 Euro bezahlen wollen, sei eine andere Landwirtschaft als die heute nicht möglich.

Isermann und Ulrich Peper von der Landwirtschaftskammer in Buchholz appellieren an die Politik, den Zeitplan des Tierschutzplanes zu strecken. "Wir müssen vom Schnellzug runter, um die Umsetzung wirtschaftlich erträglich zu machen", sagt Peper.

Die Antwort Niedersachsens auf die Bedrohung der heimischen Ferkelerzeugung könnte ein Schwein ohne Schwanz sein. "Wir müssen in der Forschung und Zucht umdenken", hält Heiner Schönecke diese Vision für möglich. Das Land habe den Fehler gemacht, sich in der Forschung auf Tiergeräte zu konzentrieren, nicht auf die Zucht. Das soll sich jetzt ändern: Niedersachsen werde eine Million Euro zusätzlich in die Zucht investieren. "Wir haben keine andere Chance", so Schönecke. Während die Kreisveterinärin Astrid Krüger die Zucht eines Schweins ohne Schwanz für wenig wahrscheinlich hält, scheint Ulrich Peper das nicht auszuschließen: "Wer sagt uns, dass die Universitäten den Schweineschwanz bis ins Letzte erforscht haben?"