In der Mehmet Akif Ersoy Moschee will Bezirksamtsleiter Meinberg Einblick ins Alltagsleben bekommen. Fragen zur Integration bleiben offen.

Harburg. Sieben Moscheen gibt es in Harburg, und Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg will den muslimischen Gotteshäusern einen Besuch abstatten. Mitten im Ramadan, der Fastenzeit, fand er sich bei Mehmet Akif Ersoy Moschee an der Maretstraße ein. "Harburg ist ein Stadtteil mit einer sehr großen muslimischen Gemeinde. Für ein gutes Miteinander muss man sich gegenseitig verstehen", sagt Meinberg. Und außerdem wolle er für den Integrationspreis werben. Da liege es nahe, sich einmal einen Überblick über die Bemühungen der muslimischen Gemeinden zu verschaffen.

Der Bezirksamtsleiter will deshalb nicht nur herumgeführt werden und Tee mit dem Imam trinken. Er will auch einen Einblick ins Alltagsleben der überwiegend türkischstämmigen Besucher - etwa 280 Gemeindemitglieder und zu Gebeten und Feiertagen fast 400 Gäste - erhalten.

Meinberg ist bekannt, dass das Thema Moscheen in Harburg durchaus ein Reizthema beim Verfassungsschutz ist. So soll eine Einrichtung in Wilstorf Anlaufstelle für radikalen Islamisten sein. Meinberg weiß auch, dass einige der Terroristen, die den Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 201 in New York zu verantworten haben, in Harburg in einem Haus an der Marienstraße lebten.

Gemeindevorstandsmitglied Zekriya Altuntug hat es also nicht leicht mit seinem Besucher. Er ist nicht nur Gastgeber, sondern gilt plötzlich auch als Vermittler zwischen zwei unterschiedlichen Kulturen, muss erklären, was beim Islam Kultur, Tradition und Religiosität bedeuten. "Der Islam ist eine dynamische Religion, er entwickelt sich mit der Gesellschaft, die ihn lebt", sagt er. Das Problem sei, dass die Regeln im Koran sehr starr seien und die Vorgaben im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neu diskutiert und ausgelegt werden müssten.

Altuntug führt Meinberg zunächst in den Frauengebetsraum. Dort haben sich Frauen versammelt, um während des Ramadan den 600 Seiten starken Koran gemeinsam zu lesen und darüber zu diskutieren. "Wir sind schon bis Seite 400 gekommen, wollen jeden Tag zehn Seiten durchgehen", sagt Fatma Usta. Bis Donnerstag wollen sie den Wälzer geschafft haben. Ob sie indes alles verstehen, was dort geschrieben steht, ist fraglich. Der Text ist auf arabisch. Doch es sei Tradition, so Usta, sich den Koran zu Gemüte zu führen, Verständnisschwierigkeiten hin oder her.

Dann geht es in den Gebetsraum für Männer. Der Imam, Ahmet Altintas, begleitet Meinberg. Er kann sich allerdings nicht mit ihm unterhalten, da er kein Deutsch spricht - ein Kritikpunkt für den Verwaltungschef. "Wenn wir uns hier über Integration unterhalten, dann sollte der Koran auch auf deutsch gelesen werden", sagt er. Das setze voraus, dass die Vorbeter die deutsche Sprache beherrschen müssten.

Ebenso problematisch sieht Meinberg die strikte Geschlechtertrennung und die Bekleidungsvorschriften für Frauen. "Der Koran sieht vor, dass sich die Frau verhüllen muss, um die Männer nicht zu reizen", sagt Altuntug. Außerdem sei es üblich, dass bei Partys Männer und Frauen getrennt tanzen. "Wie können sich denn Jugendliche und junge Erwachsene kennenlernen, wenn sie nicht einmal miteinander tanzen dürfen?" So ganz lässt sich dieses für Altuntung heikle Thema nicht klären.

Dann setzt Meinberg noch einen drauf. "Immer wieder erleben es meine Mitarbeiter, dass junge Musliminnen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen. Das geht so nicht. Ein muslimischer Mann muss es aushalten können, dass eine Frau im Badeanzug schwimmen geht", sagt er. Ebenso erlebe er es im Alltag immer wieder, dass muslimische Familien über den Rathausplatz spazieren, bei denen Frauen und Mädchen bis zur Nasenspitze verhüllt einige Meter hinter den Männern herspazieren.

"Einige Musliminnen dürfen Männern noch nicht mal die Hand geben. Das ist für mich kein Zeichen dafür, dass sich diese Leute integrieren wollen, im Gegenteil." Altuntug windet sich. "Das kommt vielleicht, weil einige Frauen kürzere Beine als Männer haben und deshalb hinter ihnen herlaufen müssen." Meinberg bleibt bei dieser Argumentation die Luft weg.

Altuntug nutzt die Pause, um ein Zitat zu bringen: "Es heißt, eure Religion euch, meine Religion mir. In Deutschland muss man auch akzeptieren, dass Gläubigkeit unterschiedlich gelebt wird." Meinberg: "Es kann aber nicht sein, dass diese Unterschiede immer wieder aufs Neue kultiviert werden und Integration behindern."