Auf dem Markt in Wilhelmsburg bestimmen Klamottenhändler die Szene, Lebensmittelstände sind in der Minderheit

Wilhelmsburg. Zum Frühstück ne Bratwurst mit Pommes und einen starken schwarzen Kaffee? Das lassen sich Händler und Kunden vom Wochenmarkt auf dem Stübenplatz nicht entgehen. Sobald der Imbissladen am frühen Morgen geöffnet hat, geht es los. Dann hat Obsthändlerin Margret Hille, "geborene Brodermann", auf diesen Zusatz legt sie sehr viel Wert, schon mit ihren Helferinnen Rita und Irmi die ersten Kisten ausgepackt. "Wir kommen aus Georgswerder. Mein Vater Herbert Brodermann hat hier 1949 mit Obst und Gemüse angefangen. Der kam noch mit Pferd und Wagen nach Wilhelmsburg", sagt sie.

"Seitdem hat sich viel verändert", sagt Hille und schaut auf die Mitglieder der Großfamilie aus Afrika, deren Frauen lautstark das Angebot des Klamottenstandes nebenan diskutieren, immer wieder ein Teil hochnehmen und nach dem Preis fragen. "Wie viel kostet?" bekommt Verkäufer Manfred Riemenschneider fast im Minutentakt zu hören. Er hat viel Konkurrenz. Denn Lebensmittelstände sind eher in der Minderheit auf dem Wochenmarkt, der jeweils mittwochs und sonnabends von 7 Uhr an bis 13 Uhr ausgerichtet wird. "Macht nichts, ich mach trotzdem meinen Schnitt", sagt er.

50 Cent für einen fast neuen, blaugeringelten Babystrampler aus weichem Frottee - danach sucht man in vielen anderen Geschäften vergebens. "Ich habe kleine Kinder und lebe von Hartz IV, ich bin froh, dass ich günstige Sachen kaufen kann", sagt eine Wilhelmsburgerin, die ihren Namen nicht nennen will. Viel Geld haben die wenigsten Kunden, die bei den Klamottenhändlern um Nachthemden und Jeans feilschen.

Doch für ein rosa Luftballongebilde, das eine junge Frau am Rande des Marktes anbietet, reicht es dann auch noch. Der kleine Junge, der im Kinderwagen liegt, kreischt vor Freude, als ihm die Mutter den Ballon zeigt. Zwei Frauen mit bunten Kopftüchern, die gerade vorbeigehen, lächeln ihm zu. In grünen Plastiktüten tragen sie Paprika und Zwiebeln. Das Gemüse haben sie nicht bei Hille gekauft, sondern im türkischen Laden am Stübenplatz. "Ausländer haben wir selten am Stand", sagt die Händlerin.

Margret Hille setzt mit ihrer Ware auf andere Klientel. Besonders Obst und Gemüse, das auf dem eigenen Hof angebaut wird, ist gefragt. Stolz zeigt Hille auf die Tomaten: Es gibt gelbe und rot-grüne Exemplare, Fleisch- und Romatomaten, alles selbst gezogen. "Seit zwei Jahren kommen immer mehr junge Familien und Studenten zu mir. Die wollen wissen, wo die Produkte herkommen, ob sie chemisch behandelt worden sind oder nicht", sagt sie und hofft, dass es auch so bleibt. Einige Geschäftsleute im Quartier, die ebenfalls auf diesen Trend setzten, haben sich verschätzt. So hat ein Szenecafé dem Markt schräg gegenüber schon wieder dicht gemacht. Ein Süßwarengeschäft musste ebenfalls aufgeben.

Deshalb sind Kunden wie Sigrun Nicoline aus der Fährstraße, die mit ihrer kleinen Nichte Kira Bachmann über den Platz schlendert, gern gesehen bei den alteingesessenen Markthändlern.

Allerdings: Was Touristen auf dem angesagten Pariser Markt d'Aligre reizvoll finden - das bunte Nebeneinander von Textilien, Flohmarktartikeln und Lebensmitteln, ist für einige Wilhelmsburger ungewohnt. "Mir ist das fast ein wenig zu viel mit den unzähligen Kleiderhändlern. Es müsste mehr Auswahl an Lebensmittelanbietern geben", sagt Sigrun Nicoline. Und auch das Bezirksamt Mitte hat mitunter Schwierigkeiten, bei all den Anbietern den Überblick zu behalten. "Da schummeln sich manchmal einfach Verkäufer dazwischen. Der Marktmeister wird künftig stärker darauf achten", sagt Behördensprecher Lars Schmidt. Weiterhin sei man aber über einen verträglichen Branchenmix bemüht.

Noch eine Besonderheit stört Einkaufende und Marktbeschicker gleichermaßen. "Die Tauben und ihre Hinterlassenschaften. Das ist einfach eklig", sagt Käsespezialitätenhändlerin Gabriele Gustow, seit 30 Jahren mit Tilsiter, Gouda und mehr auf dem Stübenplatz. Auch so manch ein Händler achte nicht immer auf Sauberkeit. "Das Amt ist schon informiert, ich hoffe, dass sich da etwas ändert", sagt sie.

Sprecher Schmidt hat schon die Stadtreinigung mobilisiert. Aber gegen die Tauben erscheinen die Beamten machtlos. Schon 2003 waren sie Thema im Ortsausschuss und schon damals versprach man von Seiten der Behörde Abhilfe. Keine Chance. Wie auf den meisten Wochenmärkten auch, kommen sie in Scharen, wenn Gabriele Gustow und ihre Kollegen ihre Stände aufbauen, immer auf der Suche nach Käseecken, Brotkrumen oder Obstreste. "Die sind so treu wie die Stammkunden", sagt Obsthändlerin Hille.