Salatkönig Rudolf Behr spürt nach dem Ende der Epedemie immer noch die Zurückhaltung beim Verbraucher. Der Gemüse-Absatz schwächelt weiter.

Ohlendorf. Aus medizinischer Sicht ist das Schlimmste der Epidemie überstanden. Für Gemüsebauern nimmt die Ehec-Krise kein Ende: Obwohl das gefährliche Darmbakterium zu keiner Zeit auf Salaten, Tomaten und deutschen Gurken nachgewiesen werden konnte, hat der Absatz bei diesen Gemüsen nach wie vor nicht das Niveau aus der Zeit vor Ausbruch der EHEC-Erkrankungen erreicht. Dabei sind die Verzehrwarnungen für Gurken, Tomaten und Salat längst wieder aufgehoben.

"Die Verbraucher zögern immer noch beim Kauf von Salaten", sagt Rudolf Behr. Sein Unternehmen mit Sitz in Seevetal-Ohlendorf ist der größte Salatanbauer in Deutschland. Der Verbrauch liege heute gerade einmal bei 70 Prozent des Vorkrisenniveaus. Und auch wenn Rudolf Behr den Schaden der Epidemie nicht in Euro beziffern möchte, lässt sich erahnen, was das bei einem Salatimperium bedeutet: Insgesamt 4500 Hektar Gemüseanbauflächen bewirtschaftet die Behr AG in der Bundesrepublik und Europa. Der Jahresumsatz liegt bei 150 Millionen Euro.

Nach dem Fernsehstationen, Radiosender und Zeitungen die Verzehrwarnungen des Robert-Koch-Instituts, der EHEC-Krisenmanager der Bundesregierung, veröffentlicht hatten, brach der Markt von einem Tag auf den anderen total zusammen - und das mitten in der Hauptsaison. Da es sich um Saisonware handelt, lässt sich das Geschäft nicht nachholen. Rudolf Behr ließ nach eigenen Angaben 300 Hektar Salat vernichten. Das entspricht einer Menge von 13 500 Tonnen.

Die Ernte, die direkt auf dem Feld in den Schredder kam, ließt die Behr AG von einem unabhängigen Gutachter dokumentieren. Dank dieses aufwendigen Verfahrens wird das Unternehmen Geld aus dem EU-Beihilfefonds für Krisenfälle erhalten. Die vollen Einbußen werden die Beihilfen nicht annähernd decken: "Der Fonds sieht vor, dass 50 Prozent des eingetretenen Schadens bezuschusst werden", sagt Rudolf Behr. Wann die EU zahlt, sei nicht abzusehen.

Andere Gemüsebauern sehen keinen Cent von der EU. "Viele kleine Betriebe haben gar keinen Schadensersatz eingereicht, weil der Nachweis zu kompliziert war", sagt Ulrich Peper von der Landwirtschaftskammer in Buchholz. "Die haben es einfach geschluckt."

+++ Kommentar: Schwein gehabt, Frau Aigner +++

Nicht nur Bürokratiehürden verhindern, dass ohne eigenes Verschulden geschädigte Gemüsebauern EU-Beihilfen bekommen. Rudolf Behr sieht in dem Beihilfefonds eher ein Mittel der internationalen Diplomatie als einen gerechten Schadensausgleich und gibt zu bedenken: "Paprika und Zuccini werden bezuschusst, vor deren Verzehr gar nicht gewarnt wurde." Das habe zur Folge, so Behr weiter, dass der größte Anteil aus dem EU-Fonds in südeuropäische Länder gehe und in Länder, in denen gar nicht vor dem Gemüseverzehr gewarnt worden sei. Möglicherweise, so schlussfolgert der Unternehmer, ohne es beweisen zu können, habe Deutschland so die angedrohte Klage Spaniens abgewendet.

Der Deutsche Bauernverband beziffert die Einbußen der deutschen Gemüseproduzenten wegen der EHEC-Epidemie auf etwa 75 Millionen Euro Schaden. Aber nur 16 Millionen Euro, weit weniger als etwa in Spanien oder den Niederlanden, sind laut dem Bundeswirtschaftsministerium für vorgesehene Beihilfen angemeldet worden.

Zurzeit prüfe laut Rudolf Behr der Deutsche Bauernverband für seine Gemüsebauern die Möglichkeit einer Schadensersatzklage gegen die Bundesrepublik. "Alle Verzehrwarnungen haben keine Rechtsgrundlage", sagt der Salatkönig. Er kritisiert auch das Krisenmanagement. "Wir Fachleute sind nicht gehört, sondern verhört worden", sagt Rudolf Behr. Seiner Meinung nach sei es falsch gewesen, die Krisenbewältigung in die Hauptregie der Mediziner zu legen. Er hätte sich gewünscht, dass die Polizei oder der Zoll die Ermittlungen geführt hätten. Der Zoll kenne sich mit dem Verfolgen von Warenströmen am besten aus. Wahrscheinlich wäre man so deutlich schneller auf die Quelle der EHEC-Infektionswelle, verseuchte Bockshornkleesamen aus Ägypten, gestoßen.

Die Folgen der EHEC-Krise dauern länger an, als Rudolf Behr erwartet hat. Am schlimmsten, sagt er, sei der Vertrauensverlust in ein gesundes Lebensmittel, das ohne Schuld in Verruf geraten war. 500 fest angestellte Mitarbeiter, davon 250 in Deutschland, hat die Behr AG. Trotz der Ehec-Absatzkrise habe er keinen entlassen, sagt Rudolf Behr. Ob das aufrechtzuerhalten sei, müsse die Zeit zeigen. Etliche Saisonarbeiter, die eigentlich jetzt Blattsalate ernten würden, seien schon wieder zu Hause. Wird es das schlimmste Jahr der Firmengeschichte? "1986 nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl", sagt Rudolf Behr, "war eine ähnliche Krise."