Frank Krohn ist in Kirchdorf-Süd Nachbarschaftshelfer, der sich um die Menschen und die Häuser des Quartiers kümmert.

Kirchdorf-Süd. Auf die Frage, was er an Kirchdorf-Süd so schätzt, gibt Frank Krohn, 58 eine etwas überraschende Antwort: "Das Orientalische." Ja, er schätzt "das Orientalische" nicht nur, er liebt es. Obwohl Frank Krohn erst seit einem Jahr im zehnten Stock des Hochhauses am Karl-Arnold-Ring 53 lebt, von dem aus er bis zum Michel gucken kann, kennt er schon Hunderte Menschen in der Hochhaussiedlung zwischen der Autobahn 1 und der Otto-Brenner-Straße auf der Elbinsel Wilhelmsburg, am Rande der Autobahnraststätte Stillhorn. Die Menschen kommen aus vielen Nationen und sie sprechen ihn an, denn Frank Krohn ist Nachbarschaftshelfer und kümmert sich vor Ort um Menschen und Missstände.

Im vergangenen Jahr nannte man die Nachbarschaftshelfer noch Hausbetreuer; Frank Krohn ist "Erster Hausbetreuer". Er sorgt als "Einsatzleiter" der Hausbetreuer in den Hochhäusern am Karl-Arnold-Ring 51-53, am Dahlgrünring 1-2 und 3-4 für mehr Ordnung und Sicherheit in der 5700 Einwohner zählenden Siedlung. Dafür gibt es in jedem Hochhaus Pförtnerlogen, in denen die Hausbetreuer ansprechbar sind.

Auf den Klingenschildern am Dahlgrünweg 1, vor denen wir uns an diesem Nachmittag treffen, sind mindestens vier von fünf Nachnamen ausländischen Ursprungs.

"Etwa 70 Prozent der Bewohner Kirchdorf-Süds haben einen Migrationshintergrund", sagt Frank Krohn. Er selbst empfindet diesen Schmelztiegel der Nationen als Reichtum: "Mitunter sind hier sechs bis sieben Familien miteinander verwandt", sagt der Erste Nachbarschaftshelfer. "In Kirchdorf-Süd halten viele Menschen noch Kontakt untereinander. Mütter sitzen auf den Spielplätzen und klönen, Familien und Freunde grillen zusammen und bringen sich an Festtagen Essen. Hier hilft einer dem anderen."

Das "Orientalische", das Frank Krohn liebt, ist auch die Sprache: das Arabische. Ja, Frank Krohn spricht auch Arabisch, gut sogar. Die Sprache kann er mit nicht wenigen Bewohnern der Hochhaussiedlung sprechen. Er lebte knapp neun Jahre in Ägypten und war mit einer Ägypterin verheiratet. Neun Monate war er für den Bundesgrenzschutz als Sicherheitsbeamter in der Deutschen Botschaft in Kairo tätig, dann acht Jahre als Navigationstechniker für eine englische Firma.

An diesem Nachmittag spricht Frank Krohn nicht Arabisch, sondern Deutsch: mit Wolfgang Schiemann, 74, der im Dahlgrünring 2 lebt. Frank Krohn sitzt auf einer Bank und wirft ein väterliches Auge auf fünf Kinder unter acht Jahren, die ohne ihre Mütter auf dem Spielplatz vor dem Hochhaus spielen. Wolfgang Schiemann, der seit dem Bau der Siedlung 1975 in Kirchdorf-Süd lebt, kommt den Fußweg entlang und fragt: "Na, Herr Krohn, darf ich mal stören, wie geht es weiter mit euch?"

Mit "euch" sind die Hausbetreuer, die Nachbarschaftshelfer gemeint. Ihre Zukunft war sehr ungewiss, nachdem die Bundesmittel für Ein-Euro-Jobber gekürzt worden und im Mai bereits erste Pförtnerlogen in Hamburg geschlossen worden waren.

Jetzt sieht die Zukunft wieder besser aus für die Nachbarschaftshelfer. Sozialbehörde, Arbeitsagentur und das städtische Wohnungsunternehmen SAGA/GWG haben sich darauf verständigt, das Projekt für Langzeitarbeitslose fortzusetzen. Jetzt bleiben in Wilhelmsburg und Neuwiedenthal 40 Hausbetreuerstellen erhalten.

"Dass die Hausbetreuerstellen bleiben, ist gut für Hamburg und besonders gut für Wilhelmsburg", sagen der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Metin Hakverdi und der Mitte-Bezirksabgeordnete Michael Weinreich (beide SPD).

"Ich bin dafür, dass ihr weitermacht!", sagt Herr Schiemann zu Herrn Krohn an diesem Nachmittag. "Wenn ihr hier herumgeht, liegt weniger Dreck herum, und auf der Straße ist weniger Gekreische." Ihren Job machen die Hausbetreuer von Kirchdorf-Süd zurzeit aber nur auf nicht einmal halber Flamme: "In meinem Beritt habe ich zur Zeit nur sechs Nachbarschaftshelfer, bis Herbst 2010 hatte ich bis zu 25 Leute", sagt Frank Krohn.

Bis Ende Juni arbeiteten die Hausbetreuer jeden Werktag von 6.30 Uhr bis 22 Uhr, sonnabends von 10 bis 20 Uhr und sonntags von 14 bis 20 Uhr. Seit Anfang Juli sind die Logen am Karl-Arnold-Ring 51-53 von 6 bis 12 Uhr, im Dahlgrünring 1-2 von 9 bis 16 Uhr und im Dahlgrünring 3-4 von 10 bis 16 Uhr geöffnet - und das nur werktags. "Viele Bewohner", sagt Frank Krohn, "sind verunsichert und fragen, 'wann kommt ihr wieder?'. Leider machen wir momentan nur einen eingeschränkten Dienst."

Die Betreuungszeiten, sagt Gudrun Stefaniak, 55, von der Beschäftigungsgesellschaft passage, sollen ab August wieder aufgestockt werden.

Bis Ende Juni haben die beliebten Hausbetreuer vier Kontrollgänge pro Tag in jedem Hochhaus gemacht - in jeder der 13 Etagen haben sie alle Flure von oben nach unten auf Schäden und Dreck inspiziert. Zurzeit machen sie nur einen Rundgang pro Hauseingang.

"Die Rundgänge in den Häusern sind sehr wichtig", sagt Frank Kuhn. "So können wir Schäden frühzeitig beheben lassen. "Die Glasschäden durch Vandalismus haben im vergangenen Jahr um 80 Prozent abgenommen."

Hausbetreuer machen viel für wenig Geld extra im Monat - Frank Krohn hat bislang im Monat 230 bis 260 Euro "Aufwandsentschädigung" bekommen, seit Anfang Juli arbeitet er nur noch "ehrenamtlich" und bekommt 100 Euro - künftig werden es rund 185 Euro sein.

Hausbetreuer sammeln Glas auf, damit Kinder sich nicht verletzen, sie begleiten ältere Menschen zum Einkauf und zu Arztbesuchen, spüren Graffiti auf und lassen sie entfernen, sie scheuchen Jugendlich aus den Fluren, wenn sie im Winter Alkoholisches zu sich nehmen und, ganz wichtig: sie sie haben für jeden ein offenes Ohr, der zu ihnen kommt und irgend etwas auf dem Herzen hat. An diesem Abend kommt ein kleiner Junge mit afrikanischen Wurzeln zu Frank Krohn: "Du, kannst du mir einen Einkaufswagen geben?" Frank Krohn verlässt den Spielplatz und gibt dem Jungen einen alten Penny-Wagen, der mit anderen Wagen in einem Raum im Erdgeschoss lagert. Damit transportieren viele Bewohner ihre Einkäufe. Und weil Herr Krohn die Loge im Dahlgrünweg 1 gleich zuschließen wird, verspricht der Junge den Wagen gleich am Montagmorgen wieder zurückzubringen.