Der Barfußpark hat schon mehr als 160.000 Besucher angelockt, eine von ihnen ist Elisabeth, die mit ihren Eltern Urlaub in der Heide macht.

Egestorf. Spätestens nach einem Jahr werde er wieder weg sein - das war anfangs Teil der öffentlichen Meinung in Egestorf. Doch Investor Jan Peters hat durchgehalten und beschert der kleinen Heidegemeinde inzwischen einen nie erwarteten Strom von Besuchern. Mehr als 160 000 waren es schon seit der Eröffnung des Barfußparks im Sommer 2008. Mit 30 000 Besuchern pro Jahr hatte Peters kalkuliert, 2010 waren es 80 000, die Erwartungen für dieses Jahr liegen eher darüber.

Dabei ist das Konzept denkbar einfach: Schuhe und Strümpfe aus, und los geht's.

Drei unterschiedlich lange Strecken von 1,2 bis 2,7 Kilometer Länge vermitteln den Füßen höchst ungewohnte Erfahrungen: Nasser Matsch macht viel Spaß, die Begegnung mit den blauen Glasscherben ist erstaunlich schmerzfrei, Bucheckern und die vermeintlich weichen Korken aus Weinflaschen sind dagegen extra unangenehm.

"Den Füßen Gutes tun und alle Sinne schärfen, darum geht es im Barfußpark Egestorf", sagt Kathrin Peters. Hinterher können die Füße an einer Waschstation von den Überresten der Schlamm-, Matsch- und Moorbäder gereinigt werden.

Da es meistens durch den Wald geht, ist der Aufenthalt auch an heißen Sommertagen angenehm. Insgesamt stimmt der Erlebnishorizont an der tiefsten Stelle des Körpers: Unterschiedliche Bodenbeläge wie Steine, Mulch, Rinde, Gras - gemäht und ungemäht -, Wasser, Sand, Kiesel, Erde, Lehm, Holz und Glas vermitteln ungewohnte Körpererfahrungen.

Insgesamt 60 Stationen auf rund 15 Hektar Fläche warten auf die Besucher. Dazu kommen Erlebnisse für alle Sinne: Kneippbäder, Erlebnisspiele, Riech- und Fühlstationen, Klangerlebnisse und optische Überraschungen. Alles, was hier im Park aus Holz ist, haben Behinderte in einer Werkstatt in Schleswig-Holstein hergestellt.

Aus Schleswig-Holstein kommt auch Initiator, Investor und Betreiber Jan Peters (49). Er hat für sein Konzept den Gründerpreis 2009 des Landkreises Harburg bekommen. Hauptberuflich als Journalist tätig, lernte Peters in der Schweiz einen Barfußpark kennen, die Realisierung in der Lüneburger Heide entsprang einer "Partyidee". Heute kommen "Senioren, Kindergärten, Familien, Großeltern mit den Enkelkindern, Manager, Landfrauen, Vereine und Schulklassen" her und haben allesamt ihren Spaß.

"In den meisten Parks kann man etwas anschauen, wir bieten gemeinsame Erlebnisse für alle Generationen", erklärt Peters' Ehefrau Kathrin (46). Als Lehrerin weiß sie, dass "Jugendliche häufig schwer zu begeistern sind". Doch im Barfußpark seien alle intensiv und mit Begeisterung beschäftigt, quengelnde Kinder gebe es hier nicht. Kinder, die mit der Kindergartengruppe oder mit der Schulklasse hier waren, kämen später mit den Eltern wieder, sagt sie. Das Besondere am Barfußpark sei "der Charme, mit einfachen Mitteln viel zu erreichen".

Familien könnten sich hier stundenlang aufhalten, ohne dass Langeweile aufkäme. Erwachsene zahlen moderate vier Euro Eintritt, Kinder sind mit drei Euro dabei, kostenlose Parkplätze stehen am Naturfreibad zur Verfügung. Der Park ist vom 1. Mai bis zum 15. Oktober geöffnet.

Der "sinnliche" Platz, der 2013 Partnerprojekt der Internationalen Gartenschau in Hamburg-Wilhelmsburg sein wird, hat übrigens eine ungewöhnliche Historie: Früher waren nicht nur die Füße nackt, sondern die Gäste im Ganzen. Von 1926 bis 1939 gab es hier das "Jungborn Sonnenland Egestorf", ein großes Gelände der Freikörperkultur, das bei Kriegsbeginn 1939 geschlossen werden musste.

An die meist unbekleideten Naturisten erinnern sich heute nur noch die älteren Egestorfer. Dabei war das Areal damals "weltberühmt" wie die Gemeindearchivarin und Heimatvereinsvorsitzende Marlies Schwanitz berichtet. Sie hat die Geschichte des "Sonnenlandes" recherchiert, das damals hinter dem heutigen Freibad "Aquadies" angesiedelt war. In Hütten urlaubten die FKK-Freunde aus dem In- und Ausland.

Initiator der "nackigen" Freizeitanlage war der freizügig denkende Verleger Robert Laurer (1899 bis 1954), der zunächst ein kleines Freikörperkulturgelände im Garten seines 1924 gekauften Hauses in der damaligen Bahnhofstraße, heute Alte Dorfstraße, eingerichtet hatte.

Der gebürtige Österreicher und studierte Bauingenieur eröffnete dann 1926 auf einem Gelände zwischen der Schätzendorfer Straße und dem Nerdenbeektal sein Freikörperbad für den "idealen Sommeraufenthalt in den Ferien und am Wochenende für alle, die in Sonne und Nacktheit gesunden wollen".

Für Unterkunft und Verpflegung waren vier bis fünf Mark pro Tag fällig.

Einfach ausgestattete Schlaf- und Sonnenhäuser und Sportanlagen wurden erbaut, die Anlage brachte, so die Recherchen von Marlies Schwanitz, einen wirtschaftlichen Aufschwung ins kleine Egestorf, die örtliche Gastronomie profitierte von den Nackten, erste Gästepensionen entstanden - "der Andrang war groß". Und das ist eine Parallele zur Jetztzeit - der Andrang im Barfußpark ist an schönen Sommertagen auch richtig groß.

Heute sind, wie gesagt, nur die Füße der Besucher nackt. Doch Jan Peters berichtet, dass Naturistenvereine gern die Vergangenheit wieder aufleben lassen und dafür den Barfußpark mal für ein paar Tage anmieten möchten, um sich hier ungestört und unbekleidet aufzuhalten.

www.barfusspark-egestorf.de