Eigentümer lässt das Winsener Albert-Schweitzer-Viertel verkommen. Politiker fordern, dass die Stadt Druck macht

Winsen. Vor Kurzem erst haben einige Bewohnerinnen die Müllberge entsorgt, die sich vor den Häusern im Winsener Albert-Schweitzer-Viertel türmten. Jetzt ist der Blick frei auf die Wohnblocks, die grau und heruntergekommen die adretten Einfamilienhäuser aus der Nachbarschaft überragen. Putz bröckelt von der Fassade, an einem Balkon ist eine Ecke abgebrochen, aus einer Sitzbank im Hof ragen Metallstreben heraus und im Flurgang schwirren Fliegen über einer Wasserpfütze.

In dem Quartier leben etwa 500 Menschen, viele mit Migrationshintergrund, die meisten beziehen Hartz IV oder andere Transferleistungen. Seit zwei Jahren wird hier das Programm "Soziale Stadt" umsetzt. Aus der ungepflegten und teilweise leer stehenden Anlage soll ein lebenswerter Ort werden.

Es gibt schon einen neuen Spielplatz im Innenhof und die alte, düstere Parkpalette wurde abgerissen. Am Müllproblem - nicht wenige Bewohner werfen ihren Müll neben die überfüllten Container oder einfach aus dem Fenster - wird laut Quartiermanager Sven Dunker gearbeitet.

Doch am größten Problem hat sich bisher nicht viel geändert: Viele der 189 Wohnungen sind in einem miserablen Zustand. Täglich kommen Menschen in Dunkers Büro, die von Mängeln berichten. "Der Frust sitzt tief", sagt der Sozialpädagoge. Bewohnerin Mounireton Kondi erzählt, dass ihre Fenster undicht seien. "Die Heizung und der Herd gehen nicht und die Fensterbank ist kaputt." Eine andere Bewohnerin fügt hinzu, der Fahrstuhl sei ständig defekt, der Keller voller Müll und einige Scheiben zerbrochen. Und die Klingeln müssten dringend repariert werden. "Da hängen nur lose Drähte herum." Der Hausmeister sei selten zu erreichen. "Der ist nett, aber total überfordert. Wir müssen uns um alles selbst kümmern." Die neunjährige Derya berichtet von einem großen Loch in der Kellerwand, durch das Wasser in die Räume läuft. "Unsere Wohnung ist aber in Ordnung", sagt sie. "Nur Schimmel haben wir natürlich."

In vielen der Wohnungen gibt es Schimmelpilz. Das liege zum einen an der nicht richtig funktionierenden Heizungsanlage, zum anderen am Verhalten der Bewohner, sagt Bauamtsleiter Andreas Mayer. Die Wohnungen würden nicht richtig warm, in der Folge lüfteten viele Bewohner nicht gründlich genug. Auch warmes Wasser gebe es nicht immer. Die Gebäude gehören der Capricornus High Deck Residential GmbH & Co. KG, die die Wilhelmshavener Hausverwaltung Wilde mit der Betreuung beauftragt hat. Schimmel sei ein Problem, bestätigt deren Geschäftsführer Dirk Möhle. "In einem Block mit etwa 14 Wohnungen haben wir noch Feuchtigkeit." Dies zu beheben, sei "höchstwahrscheinlich" das nächste Projekt im Albert-Schweitzer-Viertel. Die Modernisierungskosten für die gesamte Anlage werden auf etwa 9 Millionen Euro geschätzt.

Bisher lässt sich der Eigentümer Zeit mit der Sanierung. "Sie haben was an den Dächern gemacht, ein bisschen was an der Heizung und Fenster wurden erneuert", sagt Andreas Mayer. "Aber das reicht noch nicht aus." Mayer hofft auf eine Einigung auf freiwilliger Basis. Zwar sehe die Firma die Anlage sicherlich aus einem wirtschaftlichen Blick. "Aber ich glaube, dass sie nicht blind durch diese Brille blickt."

Erhard Schäfer ist weniger optimistisch. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Stadtrat geht nicht mehr davon aus, dass Capricornus die Wohnblocks freiwillig saniert. Rund 40 Wohnungen seien nicht bewohnbar. "Ich habe den Eindruck, dass sich da überhaupt nichts bewegt", sagt Schäfer "Das Verhalten des Eigentümers deutet darauf hin, dass er nicht investieren, sondern nur Geld rausholen will."

Die Grünen-Fraktion hat deshalb einen Antrag vorbereitet: Die Stadt soll ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot erlassen und Capricornus verpflichten, die Gebäude zu sanieren. Zwar gebe es bereits eine Sanierungssatzung von 2008, die in dem Gebiet "Maßnahmen zur Behebung der städtebaulichen Missstände" vorsehe, so Schäfer.

Dass sich Capricornus an die Vereinbarungen mit der Stadt halte, sei jedoch mittlerweile zu bezweifeln. "Das Gebot soll dem Grundeigentümer unmissverständlich klar machen, dass das beschlossene Sanierungsprogramm keine Rosinenpickerei zulässt, sondern zügig und in vollem Umfang realisiert werden muss."

Quartiersmanager Sven Dunker begrüßt die Initiative. "Es ist berechtigt, dass die Politik hier nachhakt und daran erinnert, die Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen." In der Verwaltung wird der Vorstoß dagegen kritisch gesehen. Für ein solches Gebot, das im Zweifel mit Kosten für die Stadt verbunden ist, sei eine Bestandsaufnahme zum Zustand der Gebäude Voraussetzung. Ein entsprechendes Gutachten, dass zurzeit von einem Architekten erstellt wird und bis Ende Juli vorliegen soll, soll den konkreten Sanierungsbedarf aufzeigen. "Wenn vorliegt, was gemacht werden muss und wie teuer es wird, kann die Stadt mit dem Eigentümer einen Vertrag abschließen", sagt Mayer. Auch dies wäre eine freiwillige Vereinbarung.

Auf das ausstehende Gutachten verweist auch Hausverwalter Dirk Möhle. "Wenn wir die Ergebnisse kennen, entscheiden wir, was zu tun ist, um das Quartier nachhaltig schön zu machen."

Sven Dunker hofft, dass bald solch ein positives Zeichen kommt. "Immer mehr Kommunen im Landkreis ziehen sich aus dem sozialen Wohnungsbau zurück. Wir brauchen diese Siedlung, um günstigen Wohnraum zu erhalten. Aber die Bewohner sind skeptisch. Sie haben das Gefühl, dass sie diese Zustände einfach ertragen müssen."

Mirwart Chebli, die in der Albert-Schweitzer-Straße wohnt, macht sich keine großen Hoffnungen, dass sich in ihrem Viertel so bald etwas ändert. "Die sagen immer wieder, dass sie was machen", sagt die 29-Jährige. "Aber das sind lauter leere Versprechungen."