Beschwerden über Situation auf dem Harburger Rathausplatz häufen sich. Ladenbesitzer fürchten um ihre Existenz

Harburg. Jetzt greift die Polizei durch: Der Rathausplatz wird zum Schwerpunkteinsatzgebiet. "In jüngster Zeit hatten wir viele Beschwerdeanrufe. Die Leute beklagen sich über die Randständigenszene, über den Lärm und die Vermüllung", sagt Hauptkommissar Christoph Carstens. Deshalb fordert Harburgs Polizei täglich zehn Zusatzkräfte an - Zivilbeamte und Streifenpolizisten - um aggressive Trinker wieder zur Räson zu bringen.

Ausschlaggebend dürfte auch die Messerstecherei gewesen sein, die sich, wie berichtet, an Ostern auf dem Rathausplatz abgespielt hat. Weiterhin hatte ein betrunkener Mann am Gründonnerstag einem anderen während eines Streits eine Wodkaflasche gegen den Kopf geschlagen. Außerdem überprüften vor einigen Wochen Beamte der Bundespolizei die Personalien einiger heftig angetrunkener Männer und Frauen, verhafteten einen Dieb. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Zwischenfällen.

"Am Donnerstag gegen 18.30 Uhr mussten wir die Polizei alarmieren, weil einer der Männer seine Genitalien entblößte und sich unseren Gästen zeigte", berichtet eine Mitarbeiterin vom Restaurant "Rathaus Panorama". Der Gastronomiebetrieb hatte im Februar dieses Jahres eröffnet, "seitdem erleben wir hier jeden Tag die Hölle", sagt die junge Frau. Geschäftsführer Robin Yasar ist genervt. "Das ist so ein schöner Platz, weshalb lässt man zu, dass er in der Hand von Pennern ist", sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt. Es sei nicht gut fürs Geschäft, wenn seine Gäste sehen müssen, wie sich die Trinker in den Grünanlagen erleichtern oder vor dem Rathaus.

"Hier mag kaum jemand draußen sitzen und essen. Diese Szene verscheucht die Besucher", sagt Yasar. Immer wieder komme es zu Prügeleien. "Gestern haben sich ein Mann und eine Frau geschlagen. Sie hat ihn dann mit einem Fausthaken niedergestreckt. Es war furchtbar", sagt Yasars Mitarbeiterin. Sie sagt ihren Namen nicht, hat Angst vor Repressalien der "Rathausplatzbesetzer".

So geht es auch Yasars Nachbarin. Seit 20 Jahren führt sie schon ihren Laden am Rathausplatz. "Und seit 20 Jahren beginnt mein Tag immer gleich. Ich sammele leere Bierflaschen aus den Blumenkästen." Sie will sich für ein Alkoholverbot auf dem Rathausplatz einsetzen. "Ich verstehe die Ortspolitiker nicht. Weshalb unternehmen die nichts, sagt sie. Mehrfach sei sie in der Sprechstunde bei Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg gewesen. "Der hat versprochen, etwas zu unternehmen. Nichts ist passiert." Im benachbarten Gastronomiebetrieb kritisieren die Angestellten ebenfalls die Haltung des Bezirksamtsleiters. "Der kommt oft zu uns zum Mittagessen und sieht das Elend", sagt ein Kellner fassungslos. Viele zeigen vorwurfsvoll auf den Kiosk, bei dem es billiges Bier, Schnaps und Softdrinks gibt. "Da holen die ihren Nachschub, der Chef verdient viel Geld mit denen", sagen die Gastronomen. 60 Cent kostet ein gut gekühltes Bier beim Kioskbesitzer, der seinen Namen ebenfalls nicht nennen will.

Einige seiner Kunden gehören zur Trinkerszene, kommen ins Geschäft, kaufen sich Bier. Einer benutzt die Kundentoilette. "Ich finde diese Leute nicht schlimm. Die wollen halt in Ruhe ihr Bier genießen." Gründe für ein Alkoholverbot sieht er nicht.

Yasar schon. "Wir machen Verluste wegen dieser Umgebung. Lange können wir das nicht mehr abfedern." Er will einen Brandbrief an Meinberg schreiben und ihn dazu auffordern, etwas zu unternehmen.

Doch wie berichtet, setzt der Verwaltungschef auf jenes Sozialprojekt, das die Bezirksversammlung im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hat. Im Rahmen von "ZuArbeit" sollen Angehörige der Trinkerszene fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Doch nur einige lassen sich tatsächlich dazu motivieren, so die Initiatoren. Die Mehrheit lehnt Hilfsangebote ab. Meinberg wertet die Bemühungen des Sozialarbeiterteams allerdings als Erfolg und will das Vorhaben noch einmal verlängern. "Aber wenn die Politik neue Signale setzen will, bin ich dazu bereit", sagt er.

Also bleibt es derzeit bei den Polizeiaktionen. "Platzverweise nehmen die doch gar nicht mehr ernst. Schon ein paar Stunden später sind die Trinker wieder auf den Bänken. Dann geht das Gegröle wieder los", sagt ein Geschäftsinhaber.