DGB-Ortvereins-Chef spricht über Atomausstieg, Öffnung für Arbeitskräfte aus Osteuropa und die Pläne der Shell

Harburg. Fast 500 Teilnehmer hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die 1.-Mai-Kundgebung in Harburg mobilisieren können. Auf dem Marktplatz am Sand trafen am Sonntagvormittag auch Mitglieder der Bezirksversammlung Harburg aus den Fraktionen GAL und SPD ein, und auch Harburgs Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg marschierte die Route über den Harburger Ring, Eißendorfer Straße, Hastedtstraße zum Rieckhof, mit. Thomas Bredow, Vorsitzender des DGB Ortsvereins Harburg, hielt die Rede zum 1. Mai.

"Es sind unruhige Zeiten. Wir erleben gerade schlimme Dinge in Japan nach den Erdbeben und der Reaktor-Katastrophe, wir hören und lesen täglich von den Aufständen in den unterdrückten Ländern Afrikas."

Und Bredow bezog Stellung zu den Themen, die den Menschen hier auf der Seele brennen: "Wir sind für den Ausstieg aus der Atomenergie, aber es muss zeitgleich Energie in die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien gesteckt werden. Das Argument, dass auf einen Schlag viele Menschen ihre Arbeitplätze verlieren, wenn wir die Atomkraftwerke abstellen, können wir vom DGB nicht gelten lassen. Zum einen werden weiter in den AKW Arbeitsplätze gebunden, weil ein Abschalten nicht bedeutet, dass dort keine Arbeitskräfte mehr gebraucht werden. Und jüngere Arbeitnehmer können auch für den Bereich der alternativen Energien ausgebildet werden."

Bredow legte ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland ab, verlangte andererseits "einen sauberen Umgang mit der Umwelt". Zum Thema Freizügigkeit, ab dem 1. Mai können jetzt auch Osteuropäer nach Deutschland einreisen, um hier ohne Einschränkungen zu arbeiten und zu leben, sagte Bredow: "Der DGB begrüßt die Freizügigkeit, aber sie muss für alle fair bleiben und ist nur mit vernünftigen Löhnen akzeptabel. Wir freuen uns über jeden Facharbeiter, der nach Deutschland kommt, um hier zu arbeiten. Ich appelliere an die Arbeitgeber, ihren Arbeitnehmern Löhne zu zahlen, von denen sie leben und eine Familie ernähren können."

Auf die recht mäßige Beteiligung an den Mai-Kundgebungen angesprochen, sagt der DGB-Vorsitzende: "Es ist inzwischen wirklich ein Problem geworden, die Menschen zu mobilisieren. Viele nutzen das gute Wetter und den freien Tag am 1. Mai, um den Tag mit der Familie zu verbringen. Andererseits scheint es immer mehr aus der Mode zu kommen, für seine Rechte und Forderungen auf die Straße zu gehen. Ich frage mich zum Beispiel, wo heute die Shellisten sind. Ihre Arbeitsplätze in Harburg sind konkret gefährdet. Das sollte Grund genug für sie sein, sich an dieser Kundgebung zu beteiligen."

Der Mineralölkonzern Shell will bis 2012 bis zu 300 der gut 550 Stellen in seiner Harburger Raffinerie abbauen.

Der Konzern will die Anlage verkaufen. "Ich hätte erwartet, dass allein die Shellisten hier heute mit 500 Leuten auf die Straße gehen, es geht immerhin um ihre Existenz", so Bredow.

Insgesamt aber konnten der DGB und die Polizei, die die Marschroute durch die Harburger Innenstadt absicherte und den Kundgebungszug begleitete, mit dem Verlauf der Kundgebung zufrieden sein. Sie verlief, wie in Harburg schon seit etwa 20 Jahren, ohne Zwischenfälle.