Zum 100. Frauentag diskutieren Harburger Forscherinnen in der Technischen Universität, wie man technische Berufe attraktiver machen kann.

Technik - das ist Männersache. Dieses Credo hat sich in Deutschland auch 100 Jahre nach Begehen des ersten Internationalen Frauentags am 19. März 1911 kaum geändert. Zweifelsohne kann die Frauenbewegung auf die Entwicklung und Akzeptanz der Rolle des weiblichen Geschlechts stolz zurückblicken. Neben dem 1919 eingeführten Wahlrecht haben deutsche Frauenrechtlerinnen in vielen Belangen gleiche Rechte und Pflichten wie ihre männlichen Geschlechtsgenossen erkämpft und eingefordert. Doch ausgerechnet bei technischen Fragen setzt das "schwache Geschlecht" auch heute noch gerne auf männliche Tatkraft.

Frauen, die etwa im Ingenieur- oder Informatikwesen arbeiten, trifft man trotz intensiver Werbung für die technischen Berufe seltener an als ihre männlichen Kollegen. Nur 12,5 Prozent aller erwerbstätigen Ingenieure waren im Jahr 2009 laut Statistischem Bundesamt weiblich. Und auch im Ausbildungsbereich ist der Bedarf an weiblichen Nachwuchskräften groß. An der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TU) bilden Frauen im ingenieurwissenschaftlichen Bereich derzeit einen Anteil von rund 25 Prozent.

Für die TU-Wissenschaftlerinnen Wibke Derboven, Jana Ballenthien und Tanja Carstensen von der Arbeitsgruppe "Arbeit - Gender - Technik" ein triftiger Grund, die Studiensituation von Frauen in den technischen Wissenschaften genauer zu untersuchen. Die Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Gabriele Winker hat im vergangenen Jahr eine Studie abgeschlossen, in der die Gründe für einen Studienabbruch von Frauen explizit in den Ingenieurwissenschaften untersucht wurden. Anders als man annehmen könnte, waren die Motive der Befragten für einen Studienabbruch denen ihrer männlichen Kommilitonen sehr ähnlich. "Ein Hauptgrund liegt in der didaktischen Ausgestaltung der Studiengänge", sagt Diplom-Ingenieurin Wibke Derboven. Laut Untersuchung der Arbeitsgruppe gab es nur wenige Frauen, die ihr Studium etwa aufgrund der Familienplanung abgebrochen haben.

Dennoch zieht es wenige Studentinnen in technische Berufe. Diese sind und bleiben eine Männerdomäne. Die Soziologin Tanja Carstensen vermutet dahinter eine kulturelle Prägung, die bereits im 19. Jahrhundert ihren Ursprung fand. "Als damals das Ingenieurstudium etabliert wurde, war es mit einem sehr männlichen Bild verknüpft. Tatkraft, Handwerk und Erfindertum - diese Attribute hatten mit damaligen Vorstellungen von Weiblichkeit nicht viel zu tun."

Und das ist bis heute so geblieben. Das Klischee vom maskulinen Techniker und Handwerker hält sich hartnäckig in Westeuropa. Ganz anders als beispielsweise in vielen osteuropäischen Ländern. Tanja Carstensen und ihre Kolleginnen erleben immer wieder, dass vor allem Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion mit einem ganz anderen Verständnis an ein technisches Studium herangehen als deutsche Frauen. "In diesen Ländern war es normal, dass Frauen auch technische Berufe erlernten. Sie hatten diese Jobs seit Generationen inne", sagt Jana Ballenthien. Sie führt diese Beobachtung vor allem auf den Arbeitskräftemangel während der Industrialisierung und die politische Prägung durch den Kommunismus zurück. Doch nicht nur die kulturelle Entwicklung einer Nation hat Einfluss auf deren Wahrnehmung von Technik.

Ein Forschungsprojekt der TU Berlin hat gezeigt, dass die Berufswahl stark von Fernsehserien und Filmen beeinflusst wird. "Wir wissen, dass es relativ wenig Soaps oder TV-Serien gibt, in denen Frauen in technischen Berufen gezeigt werden", sagt Tanja Carstensen. Wenn sich dies ändern würde, so ein Ergebnis der Untersuchung, könnte sich auch das Berufswahlverhalten von Mädchen zugunsten technischer Bereiche ändern.

Generell bemängeln die Harburger Wissenschaftlerinnen, dass das vermittelte Bild technischer Berufe in der Außenwirkung auf Frauen häufig wenig attraktiv erscheint. Erst klare Arbeitsstrukturen könnten den Anreiz technischer Wissenschaften steigern. Erfolgreich war dieses Prinzip offenbar in Malaysia. Eine Studie ergab, dass der Frauenanteil in der Informatikbranche dort bei rund 50 Prozent liegt. "Begründet wird dies mit der Tatsache, dass das Berufsfeld mit festen Strukturen versehen ist und eine gute Vereinbarkeit mit der Familie ermöglicht", sagt Tanja Carstensen. Ein originäres Technik-Unverständnis bei Frauen schließt die Forscherin derweil aus. Es seien vielmehr die kulturellen Rahmen- und Arbeitsbedingungen technischer Berufe, die Einfluss auf deren Attraktivität auch und insbesondere beim weiblichen Geschlecht ausüben. Spezielle Fördermaßnahmen lehnen viele Studentinnen, die sich für einen technischen Beruf entschieden haben, allerdings ab. "Genau das drängt sie nämlich in eine Rolle, in der sie dann als förderbedürftig gelten", erklärt Carstensen. Wenn Frauen in den vergangenen 100 Jahren also tatsächlich etwas erreicht haben, dann das Selbstbewusstsein, Männern auf Augenhöhe zu begegnen. Und gerade deshalb kann Frauenförderung nach Ansicht der Harburger Forscherinnen nur eines bedeuten: Man muss technische Studiengänge generell "studierbarer" machen und klarer strukturieren. Denn das würde am Ende allen zugute kommen - Frauen und Männern.