Bezirksamt hat eine nicht genutzte Etage im Phoenix-Verwaltungsbau komplett gemietet. Bei SPD-Wahlparty hielt es keinen mehr auf den Stühlen

Harburg. Graf Zahl aus der Sesamstraße hätte seine Freude am neuen Hamburger Wahlrecht mit seinen gelben und roten Stimmzetteln für die Bürgerschaft sowie den grünen und blauen Stimmzetteln für die Bezirksversammlung. Insgesamt hatte jeder Wähler am Sonntag einen Packen von knapp 70 Blatt Papier vor der Nase und konnte seine 20 Kreuze munter verteilen, je Farbe fünf Kreuze. Und weil am Sonntagabend zwar ein rasches aber nicht endgültiges Ergebnis gefragt war, kamen nur die gelben Landeslisten-Stimmzettel zur Auszählung, um die Prozentpunkte der Parteien zu ermitteln.

Gestern ging es mit dem Zählen erst richtig zur Sache. Und wer wissen will, wie sich künftig die Bezirksversammlung zusammensetzt, der muss sich voraussichtlich noch bis Donnerstag gedulden. Die ersten Ergebnisse werden voraussichtlich Mittwochnachmittag im Rathaus vorliegen und vorrangig den Wahlkandidaten präsentiert. Erstmals gilt für den Einzug in die Bezirksversammlung die Dreiprozent- und nicht wie bisher die Fünfprozenthürde. So können auch kleine Parteien oder Wählervereinigungen zu Sitzen im Bezirksparlament kommen.

Dirk Trispel, Dezernent für Steuerung und Service, und Klaus-Peter Schimkus, zuständig für den Internen Service, haben die Wahl im Bezirk Harburg mit seinen beiden Wahlkreisen 16 (Harburg) und 17 (Süderelbe) organisiert. Wahlvorsteher und Stellvertreter für 111 Wahllokale sowie 32 Briefwahl-Vorstände mussten geschult werden. Die wiederum mussten ein Team von bis zu zehn Wahlhelfern zusammenstellen und einweisen, insgesamt mehr als 1500 Leute. Und wer nun als Helfer vier Tage lang die Wahlunterlagen auszählt, der bekommt seine Arbeit pauschal mit 400 Euro vergütet.

Die Hochburg des Zählens im Bezirk Harburg befindet sich im fünften Stock des Phoenix-Verwaltungsbaus an der Hannoverschen Straße. Das Bezirksamt hat die derzeit vom Unternehmen nicht genutzte Etage komplett gemietet. "Wir zählen hier 32 Briefwahlbezirke und 17 Urnen-Wahllokale aus", sagt Wolfgang Hartmann aus dem Wahlleitungsteam des Bezirksamts, "am Sonntag hatten wir von 18 bis nach 22 Uhr gezählt, am Montag 9 bis 20 Uhr. Dienstag und Mittwoch wollen wir von 8 bis 20 Uhr zählen." Die Auszählung des Wahlkreises Süderelbe erfolgt überwiegend in Räumen des Landhauses Jägerhof in Hausbruch.

Rückblick auf den Wahlsonntag, kurz vor 18 Uhr im Harburger SPD-Hauptquartier an der Julius-Ludowieg-Straße: Bei der Wahlparty der Genossen herrscht kurz vor Bekanntgabe der ersten Prognosen im TV Feierstimmung. "Heute sind ein paar mehr Leute da als sonst", sagt der Bezirksversammlungsabgeordnete Frank Wiesner und reibt sich die Hände. Die Mitglieder haben eine Wahlwette laufen, geben ihre Tipps ab, wie die Parteien wohl abschneiden werden. "Da liegt die SPD immer über 40 Prozent", so Wiesner. Die Genossen sollten Recht behalten.

Als es im TV hieß, die SPD erhalte voraussichtlich etwa 49 Prozent, hielt es die Besucher nicht mehr auf den Stühlen. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher riss die Arme hoch. "Damit habe ich dann doch nicht gerechnet. Das würde ja für eine Mehrheit reichen. Es wäre unser bestes Ergebnis seit der Landtagswahl 1991", sagt er.

Viele stoßen auf den Erfolg mit Bier und Rotwein an. Allerdings: So ganz konform geht die SPD vor Ort mit ihren Kollegen jenseits der Elbe bei einigen Themen wie unter anderem Hafenquerspange und anderen Infrastrukturmaßnahmen nicht. Doch diese Differenzen und wohin die Marschroute im Bezirksparlament gehen soll, werden während der Party nicht diskutiert. "Mal sehen, wie viele Stimmen wir auf Bezirksebene bekommen haben. Da können wir am Mittwoch, wenn diese Informationen bekannt gegeben werden, noch einmal feiern", so Frank Wiesner.

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Völsch hält eine Ansprache. "Auch die Harburger Genossen haben einen hohen Anteil daran, dass so ein gutes Ergebnis eingefahren wurde. Wir haben spannende vier Jahre vor uns." Hinter ihm auf dem Riesenbildschirm grinst der SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz in die Kameras.

CDU-Kreischef Ralf Dieter Fischer verzieht das Gesicht und dreht sich vom Bildschirm weg. "Ein Desaster", sagt er. Auf der Wahlfete der Harburger CDU, die in der Kärntner Hütte ausgerichtet wird, hat es vielen CDU-Mitgliedern die Sonntagslaune verhagelt. "Da können wir hier in Harburg noch so gute Politik machen, wir werden für Verfehlungen jenseits der Elbe abgestraft", sagt Fischer zu seinen Parteikollegen.

SPD-Scholz habe ein allzu leichtes Spiel gehabt. Schuld am Wahldebakel habe ein ehemaliger Erster Bürgermeister von Beust, so Fischer, der die CDU Hamburg im Stich gelassen habe. "Außerdem wurde der Koalitionsvertrag mit den Grünen nicht vernünftig ausgehandelt. "Da hätte man sich mehr Zeit nehmen müssen, dann hätte es nicht so viele Unstimmigkeiten gegeben."

Außerdem "hat Wersich ohne Not die KiTa-Gebühren erhoben- eine folgenreiche Fehlentscheidung, wie sich jetzt zeigt", sagt der CDU-Kreischef. Ihm ist klar, dass die CDU mit einem Ergebnis von voraussichtlich etwa 24 Prozent künftig nur noch mit der Hälfte der Abgeordneten im Bezirksparlament vertreten sein wird und Oppositionspolitik machen muss. "Wir müssen den Wählern andere Angebote machen", sagt sein Stellvertreter Rainer Bliefernicht nachdenklich. Unterdessen sind Harburgs Grüne enttäuscht. In Harburg erreichten sie ein Ergebnis von zehn Prozent. "Da hätten wir noch etwas zulegen können", sagt Fraktionsvorsitzender Ronald Preuß.

Die FDP hofft auf das vierte Mandat für die Bezirksversammlung. "Es sieht gut aus, denke ich", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Immo von Eitzen. Zuversichtlich ist auch Sabine Boeddinghaus von den Harburger Linken. "Für uns ist es ein tolles Ergebnis, bereits zum zweiten Mal ins Bezirksparlament einziehen zu können, da sind wir sicher."