Die Stromleitungen an Schellerdamm und Neuländer Straße kommen unter die Erde - alle Strommäste sollen verschwinden.

Harburg. Hochspannung liegt in der Luft. Aber Entspannung kündigt sich nun schrittweise an. Noch schwingen sich dicke Kabel vom Hauptabspannwerk Hamburg-Süd bei Moorburg über riesige Gittermasten bis zum Abspannwerk Hamburg-Ost bei Jenfeld und kreuzen dabei das Gebiet des Harburger Binnenhafens. 380 000 Volt sogenannte Höchstspannung von Kraftwerken wird über das Leitungsnetz transportiert.

Damit nicht genug: Das Abspannwerk Moorburg liefert über weitere Leitungen und Masten auch Hochspannung von 110 000 Volt. Die Leitung führt ebenfalls durch das Binnenhafengebiet und versorgt damit unter anderem das Harburger Umspannwerk an Karnapp/Blohmstraße, was letztlich über weitere Trafostationen Stromspannung von 380 oder 220 Volt bis in die Steckdosen fließen lässt. Als ein Tornado am 27. März 2006 über den Binnenhafen fegte und unter anderem Teile von Blechdächern in die Hochspannungsleitungen wirbelte, gingen in weiten Teilen Harburgs durch Kurzschluss die Lichter aus.

Solange das Gebiet des Harburger Binnenhafens weitgehend industriell von Werften, Gummiwarenfabrik, Schrotthändlern und Silobetrieben genutzt wurde, passten die Strommasten und Kabel weitgehend ins Bild. Mit der seit mehr als zehn Jahren laufenden städtebaulichen Veränderung, die neben Hightech-Unternehmen und Büros auch Wohnraum vorsieht, werden die Leitungsmasten zunehmend als störend und als nicht vereinbar mit künftigen Wohnungsbauprojekten angesehen. Harburgs Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg: "Politisches Ziel ist es, sämtliche Strommasten wegzubekommen. Wir arbeiten daran." Baudezernent Jörg Heinrich Penner: "Unter den Hochspannungsleitungen dürften im Abstand von 60 Metern zu beiden Seiten keine Wohnungen entstehen. Die Strommasten schrecken ab."

Ein erster Rückbau ist am Schellerdamm bereits in Auftrag gegeben. Das Immobilienunternehmen "Aurelis Real Estate" (Hochtief und Fondsgesellschaft Redwood Grove) will auf dem 7,5 Hektar großen ehemaligen Bahngelände bis 2015 ein Stadtquartier namens "Harburger Brücken" schaffen, unter anderem mit Studentenwohnungen, altengerechten Wohnungen und gewerblicher Nutzung im Bereich des Östlichen Bahnhofkanals. Aurelis bezahlt den Rückbau des Strommasts am Schellerdamm und die unterirdische Verlegung der 110 000 Volt-Kabel bis zum Östlichen Bahnhofskanal. Aber seit kurzem steht fest: Der Rückbau geht noch weiter.

Die Deutsche Bahn AG, der das angrenzende 4,3 Hektar große Gelände zwischen dem Östlichen Bahnhofskanal und der Hannoverschen Straße gehört (B-Plan Harburg 62), und die das Grundstück an einen Investoren für gewerbliche Nutzung verkaufen möchte, hat an Vattenfall nun ebenfalls einen Auftrag erteilt. Danach sollen die beiden neben der Neuländer Straße stehenden Hochspannungsmasten abgebaut und die Kabel unterirdisch verlegt werden.

Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis: "Wir verhandeln ernsthaft mit neuen Interessenten, und da macht es sich gut, wenn die Hochspannungsmasten vom Gelände runter sind." Und Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier kündigt an: "Wir werden im Zuge des Rückbaus auf eigene Kosten auch den weiteren Leitungsverlauf zwischen der Hannoverschen Straße und der Harburger Stadtautobahn A 253 unter die Erde bringen." Dieser Abschnitt kreuzt bislang das Oberleitungsnetz der Bahnstrecke Hamburg-Harburg.

Da Kommunalpolitik und Bezirksverwaltung auch die Höchstspannungsleitungen mit ihren 380 000 Volt aus dem Binnenhafen verbannen wollen, müssten sie sich künftig nicht mehr an Vattenfall sondern an den seit Jahresbeginn neuen Netzbetreiber "50 Hertz Transmission GmbH" wenden. Unternehmenssprecher Volker Kamm: "Wir sind für das Höchstspannungsnetz in Harburg zuständig, aber bislang gab es keine Anfragen. Höchstspannungsleitungen unterirdisch zu verlegen, ist technisch machbar, aber sehr teuer. In Berlin gibt es dafür eine eigens gebaute Tunnelstrecke. Ansonsten sind in Deutschland auf Neubaustrecken vier Pilotprojekte vorgesehen, darunter die Rennsteigquerung in Thüringen."