John Fürbach und Jonny Peters aus Finkenwerder sind froh, dass sie nicht auf ein Gymnasium gegangen sind

Auch auf einer Stadtteilschule kann man das Abitur machen, so auch an der Stadtteilschule Finkenwerder (670 Schüler), der ehemaligen Gesamtschule Finkenwerder. Das Hamburger Abendblatt sprach mit Jonny Peters (Abi-Schnitt 1,0) und John Fürbach (13. Klasse), der bis zur sechsten Klasse noch große Leseprobleme hatte und jetzt ein gutes Abi stemmen wird.

Hamburger Abendblatt: Jonny, aus was für einem Elternhaus kommst du?

Jonny Peters: Meine Eltern sind beide Lehrer. Meine Mutter unterrichtet an dieser Schule, mein Vater an der Stadtteilschule Süderelbe. Was die Bildungsnähe betrifft, bin ich gut vorbereitet gewesen. Der klassische Weg wäre gewesen, dass ich aufs Gymnasium gegangen wäre. Aber meine Eltern sind überzeugte Gesamtschullehrer.

Was haben deine Eltern dir mit auf den Weg gegeben?

Jonny Peters: Vor allem die Motivation - dass ich mich nicht mit einem Haupt- oder Realschulabschluss begnüge. Inhaltlich habe ich fast alles selber für die Schule gemacht. Meine Eltern haben mir keine Nachhilfe gegeben oder Leistungsdruck ausgeübt. Aber sie haben mein Interesse für gesellschafts- und naturwissenschaftliche Themen gestärkt.

Wie sieht das bei dir aus, John?

John Fürbach: Meine Eltern haben beide Abitur. Mein Vater ist studierter Jurist und Regierungsdirektor der Hamburger Verwaltung im Ruhestand, meine Mutter ist Lehrerin an der Bugenhagen-Schule der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Bei uns stehen viele Bücher zu Hause, aber ich hatte bis zur sechsten Klasse riesige Probleme beim Lesen lernen. Schreiben ging in der Grundschule (Anmerkung der Redaktion: Aueschule) schon ganz gut.

Wie sahen die Probleme beim Lesen aus?

John Fürbach: Ich hatte Probleme einfache Texte zu lesen, brauchte viel Zeit, die Worte als Ganzes zu erfassen. Erst mit der Zeit habe ich kleine Bücher gelesen und dann immer mehr. Heute lese ich ganz gerne.

Sind deine Eltern mit dir zum Arzt gegangen?

John Fürbach: Ich war bei einer Spezialistin für motorische Störungen. Es gab Entwicklungsstörungen mit verschiedenen Symptomen. So habe ich bis vor drei Jahren beim Schreiben zu stark aufgedrückt.

Jonny, du warst immer ein sehr guter Schüler. Wie war deine Reaktion, als deine Eltern dir sagten, du kommst in Klasse 5 auf die Gesamtschule?

Jonny Peters: Viele meiner Grundschulfreunde von der Westerschule sind mit einer gymnasialen Empfehlung aufs Gymnasium gekommen. Aus diesem Grund wollte ich auch zum Gymnasium. Als Fünftklässler konnte ich nicht verstehen, warum ich an eine Gesamtschule sollte, wo ich weniger Freunde gehabt hätte. Später konnte ich das dann nachvollziehen. Das Gemeinschaftsgefühl hat sich in unserer Klasse sehr stark und sehr schnell entwickelt. Es war überhaupt kein Problem, dass ich ins kalte Wasser geworfen wurde. Meine jüngeren Brüder gehen auch auf diese Stadtteilschule. Die haben auch sehr gute Noten.

John, weißt du noch, warum du auf die Gesamtschule gekommen bist?

John Fürbach: Meine Eltern haben damals einen Integrationsplatz auf der Gesamtschule beantragt, und dann habe ich den genommen. Ich war mit meinen Problemen weit entfernt von einer Gymnasialempfehlung. Die Probleme haben sich erst in der sechsten, siebten Klasse aufgelöst.

Was wurde dann besser?

John Fürbach: Meine Leseprobleme ließen nach, die Noten wurden besser. Ich kam in leistungsstärkere Kurse und bin dort ziemlich schnell gut klar gekommen. In Englisch kam ich in den leistungsstärkeren Kursus, nachdem ich das dritte Mal in Folge eine "2" hatte. Nach meiner ersten Sprachreise nach England habe ich mich in dem leistungsstärkeren Kursus von 3 auf 2 verbessert.

Wie lange warst du in der Integrationsklasse?

John Fürbach: Durchgehend bis zur zehnten Klasse. Mein Integrationsstatus wurde aber schon in der neunten Klasse aufgehoben - das war schon ein gutes Gefühl, als normaler Schüler anerkannt zu sein.

Ist dir jemand mal doof damit angekommen, dass du einen "Integrationsstatus" hattest?

John Fürbach: Nein, in der Klasse war ich Schüler wie jeder andere auch.

Jonny Peters: Ich wusste ganz lange nicht, dass du diesen I-Status hattest.

Jonny, du hast dein Abi mit 1,0 gemacht. Warst du immer ein sehr guter Schüler?

Jonny Peters: Ich hatte auch mal einen Schnitt von 1,1 oder 1,2. Mein schlechtester Schnitt war 1,3 in der elften Klasse, nachdem ich die zehnte Klasse übersprungen hatte. Da hatte ich in Mathe, Physik und Chemie eine 2 - in diesen Fächern hatte ich ein wenig nachzuholen.

Musstest du viel für dein Abitur lernen?

Jonny Peters: Es ging. In Geschichte habe ich relativ viel gelernt. Aber eigentlich hätte ich gar nicht so viel lernen müssen, weil gar nicht so viel abgefragt wurde. In Deutsch musste ich nicht so viel lernen. Meine Prüfungen waren Industrialisierung in Geschichte, Familienliteratur mit Übergriffen in die Psychologie anhand des Buches "Abschied von den Eltern" von Peter Weiss in Deutsch, Stochastik und Vektorrechnung in Mathematik und Ästhetik in Philosophie.

John, du stehst kurz vor den schriftlichen Abiturprüfungen. Welchen Notenschnitt strebst du an?

John Fürbach: Der dürfte zwischen 1,9 und 2,3 liegen. Zurzeit liege ich im Schnitt zwischen 2,0, und 2,1. Meine profilgebenden Fächer, also die Leistungskurse, sind Geschichte und Englisch - ich war sieben Monate zum Schüleraustausch im englischen Plymouth an der Devenport High School for Boys. Mein Englisch-Schnitt liegt jetzt bei 2 +. Dann habe ich noch eine Prüfung in Mathe und eine mündliche Prüfung in Gemeinschaftskunde.

Gibt es noch Fächer, in denen du nicht ganz so gut bist?

John Fürbach: In Mathe hatte ich leider in zwei Semestern eine 3+ und in einem Semester eine 4+. In Bio habe ich immer nur Dreien gekriegt. Ansonsten liegen alle Fächer bei einer 2, Politik/Gesellschaft/ Wirtschaft bei einer 1.

Ist von deinen Lese- und Schreibhandikaps noch irgendetwas nachgeblieben?

John Fürbach: Dieses Handicaps sind seit ein paar Jahren endgültig weg, die sind einfach verschwunden. Durch intensive Arbeit mit Ärzten vor allem in der Grundschule ist es Stück für Stück verschwunden und seit ein paar Jahren nicht mehr da.

Was machst du sonst außer Lernen?

John Fürbach: Ich bin jetzt im zweiten Jahr im Schulsprecherteam. Ich mache auch Parteiarbeit für die SPD und momentan intensiven Wahlkampf für Olaf Scholz. Ansonsten treffe ich mich mit Freunden, gucke gerne Sport - Fußball, Wintersport, Radsport und Leichtathletik -, aktiv betreibe ich den Kampfsport Jiu Jitsu. Ich beschäftige mich auch mit Geschichte und gesellschaftlichen Problemen.

Jonny, du bist Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und studierst jetzt Deutsch und Informatik an der Uni Hamburg...

Jonny Peters: Deutsch wegen meines Interesses an der Literatur und geisteswissenschaftlichen Themen, Informatik als Nebenfach, weil ich mit Informationstechnologien groß geworden bin und sehr gut damit umgehen kann.

Was machst du außerhalb des Studiums?

Jonny Peters: Segeln - Pirat regattamäßig und Dickschiff. Ich leite auch Segelkurse an den Stadtteilschulen Finkenwerder und Süderelbe sowie im Schülersegelverein Segelprojekt. Am Wochenende bin ich häufig auf Regatten und gehe natürlich auch mal feiern.

Gibt es viele ehemalige Gesamtschüler an der Uni?

Jonny Peters: Ein paar habe ich kennengelernt. Von den Studenten, die Germanistik studieren, wollen viele Gymnasiallehrer werden. Ich selbst möchte Journalist werden, diesen Berufswunsch habe ich schon seit Jahren.

John, was willst du nach dem Abitur machen?

John Fürbach: Erst mal werde ich ein Freiwilliges Soziales Jahr machen, vielleicht im Ausland. Danach will ich Business Administration studieren - das ist Betriebswirtschaftslehre mit internationalem Fokus komplett auf Englisch. Ich kann mir vorstellen, später in der Finanzverwaltung oder im Controlling eines Unternehmens zu arbeiten.

Jonny, wenn du an deine Schulzeit zurückdenkst - was hat dir am besten gefallen?

Jonny Peters: Dass wir in der Mittelstufe einen festen Zusammenhalt unter den Schülern hatten und dass sich der fachliche Horizont in der Oberstufe erweitert hat und wir sehr selbstinitiativ gearbeitet haben.

Und wie sieht deine vorläufige Schulbilanz aus, John?

John Fürbach: Dass ich auf den verschiedenen Niveaus, auf denen ich zu verschiedenen Zeitpunkten war, meinen Fähigkeiten entsprechend gefördert wurde. Die Zusammenarbeit zwischen stärkeren und schwächeren Schülern ist schon ganz gut, könnte aber noch verbessert werden.