Ralph Werner-Dralle übernimmt ab Sommer die Leitung der Theater-AG am Gymnasium Neu Wulmstorf

Neu Wulmstorf. Beinahe wäre das Spiel aus gewesen. 2011 drohte der letzte Vorhang zu fallen für die Theater AG am Gymnasium Neu Wulmstorf. Nach 13 Jahren in verantwortlicher Leitung geht Regisseurin Angelika Möller, 61, zum nächsten Schuljahr in den Ruhestand. Ihr kongenialer Autor, der bereits pensionierte Deutschlehrer Edmund Linden, zieht sich damit auch zurück. Weil das erfolgreiche Duo ein großes Erbe hinterlässt, spielte die Schulleitung mit dem Gedanken, die Theater AG für zwei oder drei Jahre auszusetzen. Jetzt ist die Zäsur vom Tisch: Ralph Werner-Dralle übernimmt nach dem nächsten Sommer die Leitung. Der 56-Jährige ist vom Fach: In Buxtehude hatte der Deutschlehrer Darstellendes Spiel gelehrt. "Das Theater muss an dieser Schule lebendig bleiben", sagt er. Das Gymnasium hätte sonst ein Stück seines Selbstverständnisses verloren.

Das Schauspiel geht also weiter. In diesem Schuljahr ausgerechnet mit "Das Spiel ist aus". Als letzte Aufführung unter ihrer Leitung haben sich Angelika Möller und Edmund Linden das Stück von Jean-Paul Sartre ausgesucht. Mit diesem Stück hatten die beiden 1997 ihr gemeinsames Debüt bei der Theater AG gegeben. Die Aufführungen werden erst im Juni und nicht wie gewohnt im Februar oder März sein. Der Grund: Erstmals schreiben die Schüler vor den Osterferien die Abiturarbeiten.

Theaterstücke nach Vorbildern einfach herunterzuspielen, war nie die Sache des Duos Möller/Linden. "Wir verbessern Sartre", kündigt der Autor selbstbewusst an. Dazu erfindet Edmund Linden eine Rolle neu und wird Sartre selbst in dessen Stück auftreten lassen: Der Existenzialist beschwert sich dabei bei den Lebenden, wird aber nicht wahrgenommen.

Edmund Linden schreibt Schülern Rollen zu - und macht da selbst vor Sartre oder Fontane nicht halt. Bei Zigarettenpausen im Raucherzimmer erfindet er neue Szenen. Zur Inszenierung von "Grüne Tomaten" ersann er die in der Literatur gar nicht vorkommende Haus- und Hofpoetin Pam. Nur, weil eine Schülerin eine zu kleine Rolle hatte.

Neuinterpretationen von bekannten Stücken sind mittlerweile die Handschrift des Theaters am Neu Wulmstorfer Gymnasium. So bekamen es Hänsel und Gretel nicht nur mit der Hexe, sondern noch mit Vampiren und einem Märchenforscher zu tun. Edmund Linden schreibt Romane für das Schauspiel um. Seine Erklärung dafür: Theaterstücke hätten kaum Sprechrollen für Mädchen. Die kämen darin allenfalls zum Wasserholen vor, sagt er süffisant. "Unsere Theater AG besteht aber meist aus 25 Mädchen und fünf Jungen", erklärt Linden. Also schreibt er die Weltliteratur eben um.

"Dann probieren wir das mal", ist der Lieblingssatz von Angelika Möller. Das erklärt, warum der Rollenneuschreiber so gut zu ihr passt. Und ausprobiert haben Möller und Linden viel. Sie ließen Wildtruden über das Publikum hinweg fliegen oder Blitze eine Burg sprengen. Am Ende bei der Aufführung, betont Edmund Linden, sei aber jeder Schritt und jede Betonung eingeübt. Nur Genies dürften bei Angelika Möller auch mal improvisieren.

Einige ihrer eigenständigen Inszenierungen hat das Duo Möller/Linden in einem Buch veröffentlicht. Die Theater AG des Gymnasiums belegte 2006 beim bundesweiten Schultheaterwettbewerb des Bundesgesundheitsministeriums zum Thema "Aids in Afrika" den zweiten Platz. Mit ihrem Stück "Deadline" durften die Neu Wulmstorfer daraufhin im Maxim-Gorki-Theater in Berlin auftreten. Auf Tournee ist die Theater AG nie gegangen. "Schultheater wirkt abschreckend, außer auf die eigenen Verwandten", nennt Edmund Linden den Grund. Das schätze Angelika Möller so an ihm: "Er ist so witzig!"

Warum hört die Regisseurin eigentlich auf? Schließlich hat auch Edmund Möller als Pensionär weitergemacht. "Ich habe ein Enkelkind, um das ich mich kümmern möchte", sagt Angelika Möller. Nach einer Theaterproduktion brauche sie drei Monate, um sich davon zu erholen. Das Theatermachen am Gymnasium werde schwieriger werden, meint sie. Wegen des Abiturs nach zwölf Jahren hätten die Schüler weniger Zeit. Edmund Linden sieht sein Theaterschicksal mit Angelika Möller verbunden und wechselt das Genre: "Ich schreibe jetzt Romane", sagt er.