Die Reso-Fabrik hat ein Projekt für mehr Medienkompetenz von jungen Leuten entwickelt

Buchholz. Mitternacht: Rund 300 Menschen drängen sich vor dem Ladenlokal, unter ihnen viele Jugendliche. Die Aufregung ist groß, von Müdigkeit keine Spur. Dann schließen Angestellte die Türen auf. In der Nacht von Montag auf Dienstag startete der bundesweite Verkauf der neuen World of Warcraft-Version Cataclysm. Auch die Media Markt Filiale in Buchholz wollte sich das Extra-Geschäft mit dem Online-Rollenspiel nicht entgehen lassen.

"Ich bin mal gespannt, wie viele der Kids morgen die Schule schwänzen", sagt Silke Scheiderer und schaut sich um. Die 36 Jahre alte Sozialpädagogin hatte sich unter die Mitternachts-Shopper gemischt.

"Onlinesucht ist nach Alkoholsucht das größte Problem in der Jugendsozialarbeit", so die Mitarbeiterin der Reso-Fabrik e.V. - ein Träger der freien Jugendhilfe mit Hauptsitz in Winsen. Silke Scheiderer ist in der Zweigstelle Buchholz eingesetzt, zusammen mit ihrem Kollegen Peter Linnenkohl hat sie im vergangenen Jahr das Projekt "Cyber-Mobbing - Onlinesucht - Medienkompetenz" entwickelt. Ein bisher im Landkreis einmaliges Programm für alle Schulen der Region.

Genaue statistische Erhebungen zum Thema Online-Sucht gebe es noch nicht, dafür sei die Problematik noch zu jung, so die Sozialpädagogin. Aber im vergangenen Jahr haben allein in Buchholz vier Schüler aufgrund ihrer Abhängigkeit die Klasse wiederholen müssen, drei haben ihre Ausbildung abgebrochen. Dabei gehe die größte Gefahr von den sogenannten Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspielen aus, World of Warcraft ist das bekannteste.

"Viele Eltern haben keine Ahnung von diesen virtuellen Welten", so Silke Schiederer. Sie schon. Die Sozialpädagogin hat das Rollenspiel selbst einmal gespielt und kennt seine Sogwirkung. Bei ihr sei diese Phase aber nicht so schlimm gewesen und nach einem halben Jahr wieder vorbei.

"Cyber-Mobbing ist das zweite Problem, das wir mit dem Projekt angehen wollen ", so die Reso Fabrik-Mitarbeiterin. Drohungen durch in einem Chatroom kennengelernten Internetnutzer, bloßstellende Fotos oder Filme im Internet - die Bandbreite ist groß. Silke Scheiderer: "Natürlich ist Mobbing nichts Neues. Doch durch das Internet verbreiten sich Informationen heute blitzschnell, sind überall abrufbar und der Täter bleibt anonym." Und so leiden immer mehr junge Menschen unter diesen Bloßstellungen, da sie die Hauptnutzer von Internetplattformen wie Studie VZ, Myspace oder You Tube sind.

Dabei wolle sie Jugendlichen das Internet nicht verbieten - das gehe auch gar nicht, so die Internet-Expertin. Vielmehr geht es darum einen sorgsamen und reflektierten Umgang mit dem Medium zu vermitteln. Dafür sind die Reso-Fabrik-Mitarbeiter eine ganze Woche an einer Schule zu Gast.

Am Anfang steht die Aufklärung der Eltern und Lehrer. "Sie müssen wissen, in welchen Welten sich die Kinder bewegen", so Silke Scheiderer. Danach werden die Kids durch Filme, Rollenspiele und Übungen dafür sensibilisiert, was mit ihnen und ihren Daten im Netz passiert. "Viele wissen gar nicht, dass sie eine Datenspur hinterlassen und die jederzeit missbraucht werden kann." Am Ende der Woche setzen die Klassen eine Selbsterklärung auf, in der festgehalten wird, dass sie auf jede Art des Mobbings verzichten.

Die Hauptschulen Neu Wulmstorf und Roydorf haben das Projekt schon getestet. "Die Resonanz war enorm", so Scheiderer, "danach sind Schulen aus dem gesamten Landkreis auf uns zugekommen." Doch die Umsetzung sei nicht ganz einfach. So falle das Projekt in den präventiven Bereich der Jugendarbeit beziehungsweise Primär-Prävention oder Suchtprävention. Dafür sind der Landkreis Harburg die Städte und Gemeinden sowie die Diakonie und der sozialpsychologische Dienst zuständig. Die Reso-Fabrik befasst sich in erster Linie mit der Jugendsozialarbeit. "Die Modellversuche an den ersten Schulen konnten durch eine Spende der Sparkasse Harburg-Buxtehude realisiert werden", so Silke Scheiderer. Für das kommende Jahr haben sich schon vier Schulen angemeldet, unter anderem die Hauptschule Salzhausen und die Realschule Roydorf. Hier stünden die Chancen gut, dass die Gemeinde oder die Stadt die Kosten übernimmt.

Auch in Buchholz gibt es einen Antrag der SPD, die Stadt solle das Projekt für die Waldschule mit 2 700 finanzieren. Doch aus dem Rathaus heißt es, dass diesem Antrag zurzeit nicht gefolgt werden könne. Somit sei unter anderem nicht geklärt, wie das Projekt in den laufenden Schulbetrieb eingepasst wird. Am Freitag werden sich die Ratsfrauen und Männer in ihrer Sitzung mit dem Thema befassen.