Der Buchholzer Jürgen P. Stahlhut war fünf Monate lang Militärpfarrer in einem Stützpunkt in Afghanistan

Buchholz. In der Nacht sieht man die Hand vor Augen nicht: Verdunklungsbefehl, denn von den umgebenden Bergen könnte der Feind schießen. Bis zu minus 40 Grad kalt wird es hier nachts manchmal. Und ständig dieser Staub zwischen den Zähnen. Willkommen in Feyzabad, einem deutschen Stützpunkt der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF in Afghanistan.

Das Feldlager an diesem unwirtlichen Ort ist auch Kirchengemeinde. Ein Militärpfarrer kümmert sich um die mehr als 300 deutschen Soldaten. Stromaggregate tragen hier den Namen von Frauen - weil sie so wichtig sind. Da bitten Soldaten den Pfarrer schon einmal, die seelenlose Maschine zu "taufen". Vieles ist hier anders, denn die Menschen sind im Ausnahmezustand.

Fünf Monate lang war Jürgen P. Stahlhut oberster Hirte dieser besonderen Gemeinde in Feyzabad. "Don Pedro" haben die Soldaten ihn wegen seines zweiten Vornamens genannt. Der 46-Jährige, heute Pastor in der St. Johannisgemeinde in Buchholz, berichtete in Klecken auf Einladung der Hittfelder Landfrauen von seinem Job von November 2006 und bis März 2007 als Militärpfarrer in Afghanistan.

Meist junge Menschen, die Uniform und Waffen tragen, bilden die "Gemeinde" in Feyzabad. Einige von ihnen haben weder jemals das Vaterunser gebetet noch eine Kirche von innen gesehen. "Viele Soldaten lassen sich im Auslandseinsatz taufen", sagt Jürgen P. Stahlhut. Egal ob evangelisch, katholisch oder konfessionslos - der Militärseelsorger ist für jeden da.

Kleine Gesten haben in dieser besonderen Gemeinde eine ganz andere Wirkung als in der Heimat. Wie diese zum Beispiel, als "Don Pedro" in der Nacht zum Nikolaustag Schokoladenweihnachtsmänner vor die Wohncontainer der Soldaten gelegt hat. Immer jeweils drei Stück, denn drei Soldaten teilen sich den nur zwölf Quadratmeter großen Container. Ausnahmsweise hob der Kommandeur den Verdunklungsbefehl auf. Jürgen P. Stahlhut bekam die Erlaubnis, abends mit Taschenlampe durchs Lager laufen zu dürfen. Die Schoko-Nikoläuse hat er aus Deutschland mitgebracht. "Dieses eine Mal war ich froh, dass die Weihnachtsartikel so früh in die Supermärkte gekommen sind", sagt der Pastor. Auch die Bundeswehr schickte Lebkuchen und Schokolade - die Süßigkeiten trafen aber erst am 23. Dezember ein.

Der Militärpfarrer ist Wegbegleiter und Zuhörer. Ein Soldat erhielt im Einsatz die Nachricht, dass seine Frau nach einem Verkehrsunfall im Koma liege. Jürgen P. Stahlhut hat den Mann in den Arm genommen - und einfach nur geschwiegen. Ein anderer Kamerad unternahm einen Selbstmordversuch. Er hatte Post aus der Heimat bekommen - darin lagen die Scheidungspapiere.

Der Militärpfarrer ist auch Vertrauensperson. Bei ihm dürfen die Soldaten auch mal weinen. Oder Bedenken wegen Befehlen äußern. Die Soldaten vertrauen ihrem Pfarrer an, was sie Vorgesetzten nie sagen würden. Bei ihm kommen sie nie in den Verdacht, ein "Weichei" zu sein.

Diese Rolle ist für Jürgen P. Stahlhut auch ein entscheidender Grund gewesen, nach Afghanistan zu gehen. Er sei Zivilist, betont er. "Der Militärseelsorger", sagt Jürgen Stahlhut, "ist solidarisch mit den Soldaten. Aber kritisch mit dem, was das System aus dem Menschen macht."