Beim Herrenabend im Hotel Lindtner erinnerte sich Ehrengast Rüdiger Grube an seine Harburger Wurzeln

Heimfeld. Wenn der Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden Jochen Winand seine Gäste beim Herrenabend begrüßt, dann hat er eine Menge hochkarätiger Männer und Frauen im Visier: Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der Hamburgischen Bürgerschaft, des Niedersächsischen Landtages, Landräte und Bürgermeister, Präsidenten und Geschäftsführer von Industrie- und Handelskammer und Handwerkskammern, Präsidenten von Hochschulen, die Majestät der Harburger Schützengilde und natürlich die "sehr geschätzten Unternehmerinnen und Unternehmer".

Der Star des Herrenabends 2010 im Hotel Lindtner, den Jochen Winand am Freitagabend den 400 Gästen, darunter 56 Frauen, vorstellen durfte, war aber ohne Frage der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG: Rüdiger Grube, 59. Wie schafft es Jochen Winand, den zur Zeit wegen des Bauprojektes Stuttgart 21 im Visier der Öffentlichkeit stehenden Bahnchef zum wichtigsten gesellschaftlichen Ereignis im Hamburger Süden zu locken, fragten sich viele Gäste.

Den Harburger Wirtschaftskapitän und den Bahnchef verbindet eine Freundschaft, verriet Jochen Winand dem Hamburger Abendblatt. Dafür ist maßgeblich eine Immobilie in Harburg verantwortlich: Ein Terrassenhaus mit sechs Parteien in der Straße Göhlbachtal 114. Dort wohnten Winand und Grube Anfang der 1990er-Jahre Tür an Tür. Jochen Winand war "wieder Junggeselle", Rüdiger Grube Büroleiter beim Vorsitzenden der Geschäftsführung der Deutschen Airbus. Sein damaliger Chef: Hartmut Mehrdorn, den er im April 2009 als Bahnchef ablöste.

"Eines Abends klopfte Rüdiger Grube mit einer Flasche Rotwein in der Hand an meiner Tür. Ich hatte eine Drei-Zimmer-Wohnung, er eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Er wollte mich überzeugen, dass wir die Wohnungen tauschen, weil er meine Wohnung schöner fand. Obwohl er mich nicht überreden konnte, war es ein sehr netter Abend."

Rüdiger Grube setzte nach der Vorspeise (Kürbis-Kartoffelsuppe mit Vollkorn-Croutons) zu einer knapp einstündigen, packenden, emotionalen und unterhaltsamen Rede an, für die er lang anhaltenden Beifall bekam. Er sprach über "meine ersten 555 Tage im Amt" und versprach den Gästen, "mal offen zu erzählen, wie das ist, wenn man in Deutschland so ein Unternehmen leitet".

Der Bahnchef brillierte mit einem Feuerwerk an Zahlen - teilweise bis zur dritten Stelle nach dem Komma genau. "Wir befördern im Jahr 2,6 Milliarden Menschen, das sind so viel wie alle Inder und alle Chinesen zusammen." Er sprach über Pannen mit den ICEs, die ihm manchmal "schlaflose Nächte" bereiten, über seine "tollen und hoch motivierten Mitarbeiter" und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London deutsche ICEs durch den Eurotunnel in die britische Hauptstadt fahren werden.

Grube erwähnte kurz die Y-Trasse - die geplante Neubaustrecke von Hannover über Walsrode nach Hamburg und Bremen - und sagte, dass die Bahn 250 Millionen Euro im Güterbahnhof Maschen investieren werde. "Kämpfen Sie für die Infrastruktur, für die Verkehrswege im Hamburger Süden!", lautete sein Appell - dazu gehöre auch die Elbvertiefung.

Deutliche Worte fand Grube für das Projekt Stuttgart 21: "Das Ding muss durchgezogen werden, und ich ziehe es durch!" Er werde dem Vermittler Heiner Geißler "keinen großen Spielraum lassen. Wenn wir in Stuttgart einen Millimeter nachgeben, dann fliegen uns in Deutschland alle Infrastrukturprojekte um die Ohren."

Am packendsten war Rüdiger Grube, als er über sein "Herz zu Hamburg" sprach. "Das ist ein ganz besonderer Abend für mich, weil ich endlich mal wieder zu Hause bin", sagte der Bahnchef. Grube ist nämlich in Moorburg aufgewachsen. Seine Eltern, sie trennten sich, als er fünf Jahre alt war, waren Obstbauern; Grube ging in Moorburg zur Grundschule.

Die Trennung von Mutter und Vater war "damals eine Schande", hat er kürzlich gesagt, "zumal in einer kleinen Ortschaft wie Moorburg, die damals vielleicht 2000 Einwohner hatte. Das hat mich früh gelehrt, meine Pflicht zu erfüllen, Verantwortung zu übernehmen, ehrgeizig zu sein, durchzuhalten und für Dinge einzustehen".

Im Hamburger Süden, sagte Grube, sei er als "ehrbarer Kaufmann groß geworden. Hier habe ich gelernt: Ein Mann, ein Wort. Mein Werkzeugkasten ist ein ganz einfacher: Wichtig sind Glaubwürdigkeit, Authentizität, Respekt und Leidenschaft, wenn man ein Unternehmen leitet."

In schweren Stunden, sagte Grube, denke er gerne an seine Heimat zurück: "Immer, wenn ich nicht mehr weiter weiß, erinnere ich mich an Moorburg und Harburg."

Rüdiger Grube erschien mit seiner Gattin Sabine, 50, in Heimfeld. Beide haben zwei Kinder und leben in Stuttgart. "Ich habe als Bahnchef aber auch noch Wohnungen in Berlin und Frankfurt", verriet der Moorburger dem Abendblatt.

Und noch etwas verriet der Bahnchef dem Hamburger Abendblatt: "Der Zwillingsbruder meiner Mutter, Edgar Pinkenburg, lebt noch immer in Moorburg. Und mein Bruder Rolf Grube ist Kfz-Meister und hat eine Autowerkstatt in Sinstorf: den Bosch Car Service Grube & Niemann."

Ein Telefonat sorgte am Rande des Abends derweil für Heiterkeit. Professorin Sabine Remdisch von der Leuphana Universität hatte bei den Organisatorinnen des Herrenabends abgesagt. Ihre Begründung: "Ich stecke in der Bahn fest und kann nicht kommen."