Nicole Meyer aus Winsen arbeitet als ehrenamtliche Helferin beim ambulanten Kinderhospizdienst “Familienhafen“

Winsen. Für Eltern ist es die schlimmste Diagnose, wenn eines ihrer Kinder unheilbar erkrankt ist und wohl bald sterben wird. "In dieser Situation benötigen die Eltern und das kranke Kind, aber auch die Geschwister ganz dringend Unterstützung", sagt Nicole Meyer aus Winsen. Die 37-Jährige ist ehrenamtlich beim Kinderhospizdienst "Familienhafen" tätig. Vor wenigen Wochen ist das erste von ihr betreute Kind im Alter von fünf Jahren an Krebs gestorben.

Das letzte halbe Jahr vor dem Tod hat Nicole Meyer die Familie begleitet. "Die Eltern brauchen Entlastung", erklärt sie. Anfangs war sie einmal in der Woche in der Familie, zum Schluss reichte das nicht mehr aus. Nicole Meyer spielte mit dem kranken Jungen, kümmerte sich auch um die beiden kleinen Geschwister und schuf dadurch dringend benötigte Freiräume für die ohnehin stark strapazierte Mutter. "Vor allem die Geschwister brauchen eine vertraute Person als Ansprechpartner, weil Mama und Papa nicht so viel Zeit für sie haben."

Das Erlebte muss erst einmal verarbeitet werden

In die Arbeit das einzubringen, was die Familie braucht und sich selbst zurückzunehmen, sei wichtig. Noch heute hält Nicole Meyer Kontakt zu der Mutter, beide Frauen treffen sich und telefonieren regelmäßig miteinander. Gleich wieder in eine neue Familie gehen will sie nicht. Schließlich muss das Erlebte erst verarbeitet werden.

"Das geht schon an die Grenzen, man muss sich auch selbst schützen", weiß Nicole Meyer zu berichten. Die gelernte Friseurin, die zurzeit eine Ausbildung zur Immobilienkauffrau macht, ist gern in der Natur, geht spazieren und malt Bilder - dabei kann sie Abstand und Entspannung gewinnen.

Mit ihrer Arbeit möchte sie betroffenen Familien etwas von dem geben, was sie selbst erlebt hat, als ihr Bruder mit 15 Jahren an Muskelschwund starb. "Er hatte eine tolle Familie und tolle Freunde. Es war schön, dass er bis zuletzt am Leben teilhaben konnte."

Dies möchte die Mutter von drei Kindern nun auch anderen ermöglichen. "Es tut mir gut, kleine Hilfestellungen leisten zu können, für mich ist das eine Bereicherung." Der Ehemann und die eigenen Kinder unterstützen sie bei ihrer unbezahlten Arbeit - "sonst würde das alles nicht funktionieren".

Ganz wichtig sei auch die regelmäßige Supervision, die der "Familienhafen" den ehrenamtlichen Helfern bietet. Koordiniert werden die Einsätze von Marita Hoyer (49). "In Köln bestehen solche ambulanten Angebote schon seit 20 Jahren, für Hamburg gab es das noch nicht."

26 "Lotsen" hat der Verein schon ausgebildet

Gerade, wenn den Familien ein Netzwerk aus Verwandten und Freunden fehle, sei der Bedarf an Unterstützung von außen besonders wichtig, betont Marita Hoyer. An der Arbeit besteht großes Interesse, sowohl bei den Ehrenamtlichen als auch bei betroffenen Familien - vermehrt auch aus dem Hamburger Umland.

26 "Lotsen" hat der Verein bereits ausgebildet, die Mehrzahl sind Frauen. Deren Tätigkeit ist für die Familien kostenlos und umfasst Hilfen im Haushalt und bei Hausaufgaben, aber auch Gespräche und - ganz besonders wichtig - Zuhören und Trösten.

Nicht jeder Bewerber sei wirklich für diesen Kräfte zehrenden Einsatz geeignet, sagt Marita Hoyer. Zuverlässigkeit sei wichtig, schließlich hätten die Familien "schon viel Mist erlebt". Und es brauche Zeit, bis Eltern und Geschwister realisieren können, "dass sie sich von dem Bruder, der Schwester, dem Kind trennen müssen, und dass es nicht wiederkommt".