Den Teufelskreis durchbrechen: Der Soziale Dienst und Lehrer kooperieren im Kampf gegen Schulschwänzen und Gewalt gegen Kinder.

Winsen. Künftig soll Schülern, die Probleme haben und deswegen sogar die Schule schwänzen, schneller und unbürokratischer geholfen werden. Grund-, Haupt- und Realschulen sowie der Soziale Dienst im Landkreis Harburg werden eng zusammen arbeiten. In einer verbindlichen Vereinbarung haben beide Seiten ihre zukünftige Kooperation besiegelt. Die Mitarbeiter des Jugendamtes, Lehrer und Schulleiter wollen damit schneller und effektiver einschreiten und handeln, wenn Kinder und Jugendliche die Schule schwänzen und wenn der Verdacht besteht, das Wohl des Kindes sei in Gefahr. Es gelte, so die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die die Kooperationsvereinbarung ausgearbeitet haben, schneller eingreifen zu können, um ein soziales Abgleiten der Schüler zu verhindern. Bei diesen ganzen Überlegungen stehe auch die Einbindung der Eltern.

Norbert Vietheer, Schulleiter der Realschule Meckelfeld, sagt: "Wir haben mit dieser Vereinbarung eine gemeinsame Handlungsbasis geschaffen, um schnell tätig zu werden. Wir Lehrer sind keine Sozialarbeiter, deswegen brauchen wir die schnelle kompetente Unterstützung des Sozialen Dienstes, um anfallende Probleme gemeinsam lösen zu können." "Setzt bei den Lehrern erst einmal die Resignation wegen eines Schülers, der ständig die Schule schwänzt ein, dann begibt man sich in einen Teufelskreis, den zu durchbrechen oft unmöglich ist", ergänzt sein Kollege, Horst Fuhrmann, Leiter der Hauptschule Hollenstedt.

Kreisweit gibt es 66 Schulen, ausgenommen der Gymnasien und der Berufsbildenden Schulen, die sich an dieser Kooperation beteiligen. Lehrer und Sozialer Dienst sind für etwa 20 000 Schüler im Alter unter 18 Jahren zuständig. "Diese Zahl macht deutlich, wie schwer es ist, bei Problemen der Kinder und Jugendlichen, die sich im Schulalltag zeigen, schnell aktiv zu werden. Umso wichtiger war es für uns, diese niedersachsenweit einzige Kooperation zu schließen. Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass da Thema Dauerschwänzen bei uns zu einem gravierenden Problem wird", sagt Rüdiger Vietze, Leiter der Außenstelle der Landesschulbehörde in Winsen. Auch er hat sich an der Ausarbeitung der Kooperationsvereinbarung beteiligt.

Unentschuldigt nicht zur Schule zu gehen, ist bei schulpflichtigen Minderjährigen nach dem Gesetz eine Ordnungswidrigkeit. Im letzten Jahr leitete der Landkreis Harburg in rund 200 Fällen von Schulabstinenz Bußgeldverfahren wegen Schwänzens ein. Reiner Kaminski, Leiter Bereich Soziales bei der Kreisverwaltung, sagt: "Dieses Instrument ist natürlich nur bedingt einsetzbar. Wenn die Probleme in der Familie oder dem sozialen Umfeld des Kindes liegen, ist ein Bußgeldverfahren sinnlos."

Die Vereinbarung beinhaltet bestimmte Standards und beispielsweise Formulare, die Lehrer ausfüllen, wenn ein Schüler auffällig geworden ist. Vietheer: "Wir haben hier noch lange nicht die Probleme, die Schulen in Ballungszentren haben, aber mit unserer Kooperation wollen wir verhindern, dass auch hier im Landkreis die Probleme größer werden. Gerade bei Absentismus muss schnell gehandelt werden, um das Kind oder den Jugendlichen wieder in die Schule zu bringen. Bislang waren wir Lehrer eigentlich ziemlich machtlos bei Dauerschwänzern." Lehrer und Sozialarbeiter werden sehr viel enger zusammen arbeiten als bislang der Fall. Anhand festgelegter Kriterien können Lehrer künftig besser erste Anzeichen erkennen, die ein misshandeltes Kind aufweist und sich, ohne behördliche Umwege, sofort beim sozialen Dienst des Landkreises Hilfe holen. Gemeinsam wird dann erarbeitet, wie dem betreffenden Kind geholfen werden kann.

Mit dieser Kooperationsvereinbarung sichern sich die Schulen im Landkreis die Kompetenz des Sozialen Dienstes. Vietze: "Eine ganz wichtige Grundlage und Motivation dieser Kooperation ist die Erkenntnis, dass Kinder nicht erst durch ein Netz durchfallen dürfen, bevor man ihnen helfen kann."

Die Gründe dafür, warum Kinder und Jugendliche der Schule fern bleiben, sind vielschichtig. Ein Bußgeld könne lediglich eine Signalwirkung haben. Norbert Vietheer: "Die Kollegen bekommen schon einige kuriose Begründungen zu hören, von Eltern, die ihr Kind nicht zur Schule schicken, ohne das Fehlen vorher mit dem Lehrer abzusprechen. Da kann ein Bußgeld von 140 Euro deutlich machen, dass der frühere Urlaubsantritt oder die Familienfeier keine Begründung sind." Geradezu beispielhaft, so Vietze, sei dieses Projekt, von dem er hoffe, dass es in Niedersachsen Schule mache. "Wir alle haben dieselben Klienten, nämlich Kinder und Jugendliche mit Problemen. Es liegt auf der Hand, zusammen zu arbeiten", ergänzt Reiner Kaminski.