In der Baugrube des neuen Rathausforums wurde ein Blindgänger aus dem Weltkrieg gefunden. Um 14 Uhr begann die Evakuierung

Harburg. Bombenangst in Harburg: Am späten Vormittag, gegen 11 Uhr, stoppen die Bagger, die die Baugrube für das neue Rathausforum an der Julius-Ludowieg-Straße, Ecke Knoopstraße ausheben. Der Grund: Ein explosives Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg ist ihnen im Weg. "Wir haben es hier mit einer 1000-Pfund-Fliegerbombe mit zwei Aufsatzzündern zu tun, einer davon ist mordsgefährlich", sagt Feuerwehrpressesprecher Martin Schneider. Ein lebensgefährliches Fundstück, mehr als 450 Kilogramm schwer.

Auswertungen von Luftaufnahmen er gaben, dass in dem Areal mit noch nicht geborgenen Weltkriegsbomben zu rechnen ist. 200 Polizeibeamte riegeln ein 300-Meter-Areal rund um den Fundort ab, etwa 2700 Menschen müssen ihren Arbeitsplatz und ihre Wohnungen verlassen. "Wie viel Menschen genau hier weg müssen, wissen wir nicht, denn in der Harburger Innenstadt gibt es sehr viele Geschäfte, viele Leute halten sich auf den Plätzen und in den Fußgängerzonen auf", sagt Feuerwehrsprecher Schneider.

Vor den S-Bahntunneln und an den Bushaltestellen staut es sich. Die Polizei wollte zunächst den Bahnhof Harburg-Rathaus dichtmachen, lässt aber davon ab, als es heißt, der Bahnhof liege in einem ehemaligen Luftschutzbunker. Der S-Bahnverkehr läuft also reibungslos. Helfer vom Deutschen Roten Kreuz Harburg bringen Senioren und Behinderte zur Friedrich-Ebert-Halle. "Dort können sie sich hinlegen und erhalten auch ein Mittagessen und Getränke", sagtDRK-Harburg-Chef Harald Krüger. Auch Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg und seine Mitarbeiter, Angestellte des Helms-Museums sowie Kinder und Jugendliche aus den umliegenden Schulen müssen weg. Polizeidirektor Günther Sellmann besichtigt die Fundstelle. In unmittelbarer Nähe der Bombe liegt eine Gasleitung. Kein Wunder, dass die Polizeibeamten sich mit der Evakuierung der Gebäude beeilen.

Gegen 14.30 Uhr herrscht eine gespenstische Stille im Sperrgebiet. Kioskbesitzer Gjemaje Topalik, der sein Geschäft am Kroosweg betreibt, wird von Polizisten aufgefordert, langsam zu schließen. Angst hat er nicht. "Die wissen schon, was sie hier machen." Kunde Gerd Lorenz hat Angst um den Sprengmeister. "Wir haben ja gehört, was vor einigen Wochen in Göttingen passiert ist. Da sind Experten beim Entschärfen draufgegangen." Ein paar Handwerker lassen sich von dem Bombenalarm nicht die Laune verderben. "Da hat ja noch ein Kiosk auf", brüllt einer, und seine Kollegen laufen in den Laden, verlangen Bier und Zigaretten.

Nebenan bringt Nadine Look ihren verängstigten Großvater in ein DRK-Auto. Ihre sechsjährige Tochter Zoe trägt die Katze Goldie samt Korb. Die wollte Opa Walter keinesfalls alleine in der Wohnung lassen. "Wir haben meinen Großvater gerade besucht, als die Warnungen im Radio kamen. Ich habe Angst, dass etwas passiert." Auch Rentner Carsten Johannsen, 71, mit seiner Frau Anni wird von DRK-Helfern Michael Albers und Julius Petersen Friedrich-Ebert-Halle gebracht "Es ist toll, dass die DRK-Helfer hier sind. Mit meinem Rollator hätte ich es doch nie zur Halle geschafft."

Auch Erwin Lehfeldt, 80, der mit seiner Frau Ruth, 78, an der Julius-Ludowieg-Straße lebt, fürchtet sich. "Wir haben noch den Krieg erlebt und wissen, was da kommen könnte. Diese alten Zünder gehen doch sehr leicht hoch." Zunächst wollten die beiden im Keller ihres Wohngebäudes ausharren, überlegten es sich dann aber doch. Beide gehen zu ihrer Tochter nach Marmstorf. Ihre Nachbarin Maram Möller, 33, mit ihrem Sohn Jonas nimmt sie mit. Sie kommen an der Katholischen Mariengemeinde vorbei. Dort hat die Bombe ein Fest gesprengt. "Wir feiern ein Betriebsjubiläum. Notfalls nehmen wir die Teller mit und feiern am Ende der Straße außerhalb der Sperrzone weiter", sagt Diakon Peter Meincke.

Eine besorgte Mutter kommt zum Kinderhort. "Wo ist meine Tochter?", fragt sie jeden, der noch unterwegs ist. Dann sieht sie die Mitteilung der Hortleitung. Alles in Ordnung. Die Kinder wurden zur Grundschule Kerschensteinerstraße gebracht.