Am Sorgentelefon für Landwirte geht es eher um die alltäglichen, zwischenmenschlichen Probleme

Barendorf. "Ich habe eine Frau kennengelernt", sagt der anonyme Anrufer, "aber sie ist Lehrerin. Ihren Beruf will sie nicht aufgeben und voll auf dem Hof mitarbeiten. Hat eine Partnerschaft so eine Zukunft?" Ein typischer Anruf beim Sorgentelefon für landwirtschaftliche Familien in Barendorf. Einer der acht ehrenamtlichen Mitarbeiter antwortet: "Überlegen Sie doch mal. Würden Sie ihren Hof für eine Frau, die Sie noch nicht lange kennen, einfach so aufgeben?" Das ist seit 1993 das Konzept des Sorgentelefons: Es soll Hilfe zur Selbsthilfe geben. Durch Nachdenken sollen die Anrufer selbst auf die Lösung kommen.

Seit 1993 gibt es drei Sorgentelefone für landwirtschaftliche Familien an zentralen Orten in Niedersachsen. Die meisten Probleme sind mit einem Anruf gelöst, manche rufen noch ein zweites oder drittes Mal an. "Im Ort können sich die Landwirte niemandem anvertrauen, der Konkurrenzkampf ist einfach zu hart. Probleme werden so schnell unter den Teppich gekehrt", sagt Anke Wolter-Augustin.

Im Jahr rufen etwa 55 Rat suchende Menschen in Barendorf an, jeden Montagvormittag können sie anonym ihre Sorgen los werden Der Berater auf der anderen Seite bleibt auch anonym. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter kommen alle selbst aus der Landwirtschaft. Bevor sie sich ans Telefon setzen, wurden die Männer und Frauen von Prof. Dr. Kurt Czerwenka von der Universität Lüneburg in partnerzentrierter Gesprächsführung ausgebildet. Einmal im Monat machen die Ehrenamtlichen mit Czerwenka eine Supervision. "Die Mitarbeiter haben denselben Hintergrund, darum werden sie von manchen Geschichten stark berührt und brauchen danach selbst ein Gespräch", sagt Professor Czerwenka.

Im Vordergrund stehen alltägliche Themen, zu denen neben dem aus dem Fernsehen bekannten Problem "Bauer sucht Frau" besonders Generationenkonflikte gehören. "Jetzt haben wir den Hof an den Nachwuchs übergeben und die machen alles ganz anders als wir. Als wenn wir immer alles falsch gemacht hätten", sagt eine Anruferin. Ein anderer Anrufer beklagt: "Wir haben den Hof übernommen, aber meine Eltern halten sich einfach nicht raus. Immer bekomme ich zu hören, wie man das richtig macht, ich darf nichts Neues ausprobieren - auf meinem eigenen Hof!"

Mehrere Generationen unter einem Dach, das gibt es auf dem Land teilweise noch und das hat Konfliktpotenzial. "Manchmal ist es besser, wenn die Eltern sich eine eigene Einliegerwohnung abtrennen", sagt Anke Wolter-Augustin, Vorsitzende des Sorgentelefon-Vereins. Mitunter helfe aber nur noch die ländliche Familienberatung. Eine speziell ausgebildetes Team, eine Frau und ein Mann, kämen auf den Hof und besprächen die Probleme vor Ort.

Finanziert wird das Sorgentelefon vom niedersächsischen Landwirtschaftministerium und mit EU-Mitteln. Diese Mittel versucht der Sorgentelefon-Verein in Barendorf mit Spenden aufzustocken. Das Zimmer in der Bildungs- und Tagungsstätte Ostheide muss bezahlt werden, die Ehrenamtlichen und Professor Czerwenka bekommen eine Aufwandsentschädigung.

"Unser Familienbetrieb besteht seit fast Hundert Jahren. Jetzt reicht das Geld vorne und hinten nicht mehr, ich weiß nicht ob ich alles aufgeben muss", sagt ein Anrufer. 1979 gab es noch knapp 130 000 landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen, 1999 hatte sich diese Zahl halbiert, 2007 waren es noch etwa 50 000. "Landwirte sind inzwischen im Konkurrenzkampf mit ganz Europa, sie müssen sich ständig fortbilden und spezialisieren", sagt Professor Czerwenka. Anrufer mit solch gravierenden finanziellen Problemen, werden an die Landwirtschaftskammer weitervermittelt. "Die Kammer gibt Hilfestellung bei wirtschaftlichen und versicherungstechnischen Problemen", sagt Pressesprecher Walter Hollweg. Das könne zum Beispiel ein Betriebswirt sein, der sich Hof und Buchführung anschaut und danach Hilfestellung beim Einsparen gibt.

"In der Finanzkrise hatten wir aber nicht mehr Anrufer", sagt Anke Wolter-Augustin, "das liegt daran, dass sie öffentlich diskutiert wurde." Hohe Geldverluste und Existenzängste seien nicht das Problem von Einzelnen sondern einer großen Masse gewesen, die Landwirte hätten viel öffentliche Unterstützung erhalten.

Das Sorgentelefon für landwirtschaftliche Familien ist montags zwischen 9 und 12 Uhr unter der Telefonnummer 04137/81 25 40 erreichbar.