Harburgs Bars sind sicher , aber auf den Straßen steigt das Aggressionspotenzial, sagen Szene-Kenner

Harburg. Die "20-Cent-Killer" vor dem Seeveplatz-Tunnel machten vor einem Jahr bundesweit Schlagzeilen. Ein 22-Jähriger, an der Bremer Straße erstochen nach einer Abiturfeier. Ein Türsteher, brutal zusammengeschlagen in einer Seitengasse der Gastromeile Lämmertwiete. In diesem Sommer häuften sich die Fälle von roher Gewalt in Harburg auffällig. Das Abendblatt fragte am Sonnabend Gastwirte und Türsteher nach ihrem Eindrücken: Gibt es immer mehr aggressive Menschen auf Harburgs Straßen? Der Tenor: In den Bars und Kneipen sei es sicher, aber das Aggressionspotenzial auf der Straße habe zugenommen.

Sahin, 30, hat einen guten Blick für Menschen, die Ärger machen. Der Türsteher der Trust Security hat schon Türen auf dem Kiez in St. Pauli und die Diskothek "Pleasuredome" bewacht. Heute steht er vor dem "Bolero", der bekannten und beliebten Restaurant-Bar am Sand im Harburger Zentrum. Der Job ist ruhig.

Das "Bolero" gilt nicht als Treffpunkt von Radaubrüdern. Vor einigen Jahren noch, sagt Sahin, hätte eine Location wie das "Bolero" gar keinen Türsteher gebraucht. Heute schon. Der Sicherheitsmann hat den Eindruck: "Viele Menschen sind aggressiver, ja unmoralischer geworden." Wegen Harmlosigkeiten suchten Leute Streit: "Früher hatten die Leute einen Ehrenkodex. Heute ist das vorbei."

Vor einer Woche ist vor der Bar "Cool" in einer Seitengasse der Lämmertwiete ein Türsteher brutal zusammengeschlagen worden. Die Gastromeile gilt bei der Polizei eigentlich als unauffälliger Standort. Auch die Bar "Brazil Lounge", hier geht die Party am Wochenende bis 4 oder 5 Uhr morgens, leistet sich einen Türsteher. Muhamet hat noch keine schlimmen Erfahrungen gemacht: "Wir haben viele Stammkunden, bei uns ist es ruhig", sagt er. Auch Antonio Andrade von der "Brazil Lounge" sagt: Wenn es mal zu Streit kommen, meisten gehe es dabei im Frauen, bleibe es bei Wortgefechten.

Gewalt in ihrem Lokal kennt auch Christina Lürken vom "Old Dubliner" in der Lämmertwiete nicht. Der Irisch Pub mit Livemusik ist bei Studenten sehr bliebt. "Wir sind ein Frauenteam", sagt sie, "da fühlen sich die Gäste eher bemüßigt, uns zu beschützen." Vor kurzem musste die Pub-Chefin einen Gast vor die Tür setzen, weil er zu viel getrunken hatte. Der habe zwar vor der Tür gemault, trollte sich aber friedlich.

Eine neue Location für Pistengänger hat im früheren Szenelokal "Pinguin" an der Bremer Straße eröffnet: die Bar Lounge "N8achtsicht". An drei Tagen in der Woche, Donnerstag bis Sonnabend, darf hier bei freiem Eintritt getanzt werden. Der Freitag gehört der elektronischen Tanzmusik, der DJ legt House und Elektro auf. Der Donnerstag soll Studententreff werden.

Der 36 Jahre alte Chef, Kaya Nurettin, hat vom Flugzeugbauingenieur auf Gastwirt umgesattelt. Der Neu-Gastronom setzt auf den Party-Standort Harburg - sagt aber auch: Viele Menschen seien aggressiver geworden. Auf der Straße höre man schnell: "Was guckst du so blöd?"

Im "N8achtsicht" legt Björn, 20, alias DJ Burn aus Harburg regelmäßig Musik auf. Vom DJ-Pult aus kann er auch das Verhalten bei vielen Abi-Feiern beobachten. "Die jungen Leute saufen immer mehr", so sein Eindruck, "das enthemmt und die Aggressionen steigen." Viele würden sich schon allein von Blicken provoziert fühlen. Da könne es schon zum Risiko werden, jemanden einfach nur ins Gesicht zu sehen.