“Kaiser Wilhelm“, der Senior unter den deutschen Raddampfern, bricht alle Rekorde

Bleckede/Lauenburg. Einmal Kaiserzeit und zurück heißt es, wenn Deutschlands ältestes Linienschiff "in See" sticht. Vom Fähranleger in Bleckede aus legt der Raddampfer "Kaiser Wilhelm" in seiner 111. Saison fahrplanmäßig ab. Die ganz alltägliche Zeitreise führt auf der Elbe entlang von Bleckede nach Lauenburg und zurück und findet in den Sommermonaten immer sonnabends und sonntags statt. Der Törn in die Vergangenheit dauert hin und zurück etwa vier Stunden und begeistert jedes Jahr Tausende Passagiere aus aller Welt.

Bei echtem "Kaiserwetter" kommen Motoryachten und Wasserskiläufer entgegen, ankern Boote in kleinen Buchten - die Menschen genießen das Bad in der Sonne und im Wasser der Elbe und winken dem "Kaiser" zu. Der zieht majestätisch vorbei, als grüßte er huldvoll seine Untertanen. Majestäten und Untertanen gab es tatsächlich noch, als der stolze Dampfer einst vom Stapel lief. Im Jahr 1900 war das in Dresden - ebenfalls an der Elbe.

Seine ersten sieben Jahrzehnte hat das Schiff im Liniendienst auf der Weser verbracht. Der Hamelner Mühlenbesitzer F. W. Meyer hatte den Raddampfer für seine "Oberweser-Dampfschiffahrt" bauen lassen. Damals gehörte es zum guten Ton, ein Schiff nach einem Mitglied der kaiserlichen Familie zu benennen.

Doch der amtierende Kaiser Wilhelm II. war wohl nicht der Namensgeber. "Von dem hielt Reeder Meyer nicht viel", sagt Dr. Ernst Schmidt aus Großhansdorf, der den Dampfer vor der Verschrottung gerettet hat. Eher war des Kaisers Großvater Wilhelm I. derjenige, der geehrt werden sollte.

Der Raddampfer habe "zwei Weltkriege, die Währungsreform und die deutsche Teilung" überstanden, ohne dass er auch nur eine Saison außer Dienst gewesen wäre, berichtet Schmidt. Der 83-Jährige ist für die Betriebsführung des Schiffes zuständig und verkauft als Zahlmeister an Bord auch gleich die Fahrkarten. Dabei sah es erst schlecht aus für den "Kaiser". 1970 wurde er außer Dienst gestellt. Doch Ernst Schmidt fand, dass es an der Zeit sei für Deutschlands erste Museumsdampferlinie und setzte seinen Plan in die Tat um.

Und was wäre da passender gewesen, als den "Kaiser" am Leben zu erhalten, das Schiff, auf dem Schmidt selbst schon 1930 als Dreijähriger erstmals mitgefahren war. Das Erlebnis aus der Kinderzeit blieb unvergessen, und als die Zeit des Dampfers auf der Weser vorbei war, gründete der promovierte Naturwissenschaftler zusammen mit Gleichgesinnten den "Verein zur Förderung des Lauenburger Elbschiffahrtsmuseums". Die Überführung von der Weser zur Elbe führte ein Stück weit auch über das Gebiet der damaligen DDR. Mit viel ehrenamtlichem Engagement organisieren die Mitglieder des Vereins seit 1971 den regelmäßigen Liniendienst auf der Elbe.

Wenn auch Kaiser Wilhelm II. dem "Kaiser" nie die Ehre gab, so war doch auch schon blaues Blut an Bord: Prinz Louis Ferdinand von Preußen nahm in den 1970er Jahren an einer Ausflugsfahrt nach Schnackenburg teil, speiste im "Kaiser-Salon" und nutzte anschließend eine der Kajüten, um sich dort zur Ruhe zu begeben.

Vom Kombüsenteam bis zum Kapitän besteht die Besatzung des "Kaisers" heute aus Ehrenamtlichen, denen die Liebe zur Schifffahrt gemeinsam ist. Die meisten wohnen beiderseits der Elbe, doch der Maschinist reist zu den Fahrten sogar aus Berlin an. Das Schiff sieht noch fast genauso aus wie zu Kaiserzeiten, nach wie vor tut die erste Maschine, die im Jahr 1900 eingebaut wurde, ihren Dienst. Der Kessel wird mit Steinkohle aus Oberschlesien befeuert, und der Heizer schwitzt wie seine Kollegen vor über 100 Jahren.

Davon kann Rüdiger Godemann (70) ein Lied singen. Um die 45 Grad sind es an seinem Arbeitsplatz. Wie viel Kohle der Kessel braucht, um genügend Dampf für die Strecke zu liefern, das ist Erfahrungssache. Godemann und seine Kollegen wechseln sich ab, mehr als eine Stunde hält beim Kohleschaufeln keiner die Hitze aus. "Für so einen Job muss man schon ein bisschen verrückt sein", sagt er.

Der gelernte Schiffsingenieur aus Lüneburg ist - wie die meisten seiner Mitstreiter - bereits im Rentenalter. So beschäftigt den Verein die Sorge um die Zukunft, Nachwuchs wäre herzlich willkommen. Erwartet werden Idealismus und tatkräftiger ehrenamtlicher Einsatz, geboten werden Technik pur und Zeitreisen.