Der Tostedter Samtgemeinderat kippt seinen lange verteidigten Beschluss

Tostedt. Der Tostedter Samtgemeinderat rudert in Sachen Rathaus-Anbau zurück. In der nächsten öffentlichen Sitzung am 10. August wird der Rat auf Empfehlung von Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann (CDU) und den Fraktionschefs Rolf Aldag (CDU), Reinhard Riepshoff (SPD) und Harald Stemmler (WG) seinen Mehrheitsbeschluss vom 9. März dieses Jahres, rund 3,8 Millionen Euro in den Abriss des Springerbaus, den Anbau an das Rathaus, die Unterbringung der Polizei im Familienservice-Büro und die Einrichtung eines neuen Sitzungssaals im Rathaus aufheben (das Abendblatt berichtete mehrfach). Das ist das Ergebnis eines Gesprächs am Donnerstagabend zwischen Bürgermeister und Fraktionschefs.

Die überwiegend kritische Haltung in der Tostedter Bevölkerung gegenüber dieser Planung, so hieß es im Anschluss an das Gespräch, sei der Grund für die Entscheidung. Auch wenn es beispielsweise innerhalb der größten Fraktion im Rat, der CDU, dazu noch keine offizielle Beschlusslage gebe, so Aldag, gelte der Beschluss am 10. August als sicher. Würde der Samtgemeinderat seinen Beschluss nicht aufheben, käme es zu dem Bürgerentscheid, und dessen Ausgang gegen den Rathaus-Umbau gilt als sicher. "Mit Einknicken hat das wirklich nichts zu tun. Ich würde es eher einen kleinen Sinneswandel nennen. Im Rat ist es uns gelungen, eine Mehrheit für diese Pläne zu gewinnen. Aber in der Bevölkerung haben die Gespräche der letzten Monate gezeigt, dass uns das bei der Masse der Bürger nicht gelungen ist. Es macht keinen Sinn, die Sache auf die Spitze zu treiben", sagt Rolf Aldag.

Das hatte bei Aldag und den anderen Fraktionschefs von Wählergemeinschaft und SPD vor einigen Wochen noch anders geklungen. Im Vorwege der Podiumsdiskussion zu dem Thema in Tostedt (das Abendblatt berichtete) hatten Dirk Bostelmann, Rolf Aldag, Reinhard Riepshoff und Harald Stemmler noch ausdrücklich erklärt, sie wollten es in jedem Fall auf einen Bürgerentscheid ankommen lassen. Der Rathaus-Anbau sei die einzig machbare Lösung, um die Probleme der Polizei-Unterbringung und die Platznot des Familienservice-Büros zu lösen. In der Zwischenzeit hatte sich auch der Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen für die 3,8-Millionen-Investition interessiert. René Quante vom Bund der Steuerzahler sagte auf Nachfrage des Abendblatts: "Uns fehlen noch einige Angaben, um endgültig entscheiden zu können. Aber unsere bisherigen Informationen veranlassen uns, dieses Projekt im Schwarzbuch 2010 zu veröffentlichen." Der Verein moniert in dem jährlich erscheinenden Schwarzbuch die Verschwendung von Steuergeldern und nennt darin Ross und Reiter. Bostelmann versichert, die Entscheidung, die Pläne wieder einzukassieren habe nichts damit zu tun, dass der Bund der Steuerzahler sich für das Projekt interessiere. Grund sei die kritische Haltung in der Bevölkerung.

Aldag: "An meiner Meinung zum Rathaus hat sich nichts geändert, trotzdem nehme ich die kritische Haltung in Tostedt sehr wohl war." Für SPD-Chef Riepshoff war der Hauptgrund für die Entscheidung, nun doch den alten Ratsbeschluss wieder einzukassieren, die Tatsache, dass ein Bürgerentscheid gegen die Rathaus-Pläne die Politik in dieser Sache zwei Jahre lahm gelegt hätte. Stimmen die Tostedter gegen die Pläne der Samtgemeinde, wären per Gesetz zwei Jahre lang alle Planungen in diesem Bereich auf Eis gelegt.

Reinhard Riepshoff: "Das wäre das Schlimmste, was uns passieren könnte. Hauptleidtragende wäre dann die Polizei. Und nachdem klar war, dass in der Mehrheitsfraktion die Stimmung kippt, hätte es für die SPD keinen Sinn gemacht, auf die Pläne und den Bürgerentscheid zu bestehen." Auch Riepshoff wird die Umkehr noch in der Fraktionssitzung und in der SPD-Ortsvereinsvorstandssitzung zur Diskussion geben, glaubt aber, dass es eine Mehrheit für die Rücknahme des alten Beschlusses geben wird.

Am vehementesten hatte WG-Fraktionschef Harald Stemmler noch während der Podiumsdiskussion, in der der Ärger vieler Tostedter über die Pläne des Samtgemeinderates hoch gekocht waren, den Anbau verteidigt. "Wir sind nach wie vor der Meinung, dass dieser Weg der beste gewesen wäre, aber wir können den Bürgerwillen nicht ignorieren." Daher werde auch die Wählergemeinschaft dafür stimmen, den Beschluss aufzuheben. Stemmler erhebt schwere Vorwürfe gegen die Initiatoren des Bürgerentscheids, darunter auch Grünen-Politiker Dr. Peter Dörsam. "Die Bürger sind denen auf den Leim gegangen. Peter Dörsam und seine Mitstreiter haben mit falschen Argumenten gearbeitet. Wir müssen die Diskussion auf eine sachliche Ebene bringen." Denn nach wie vor stehe die Samtgemeinde vor dem Problem, wo die Polizei untergebracht werden könne.