Auf dem Gelände der Internationalen Gartenschau wachsen Pflanzen, die auf der Roten Liste stehen

Wilhelmsburg. "Die Internationale Gartenschau", sagt der Geschäftsführer der Internationalen Gartenschau 2013 (igs) in Wilhelmsburg, Heiner Baumgarten, "ist keine bloße Blümchenschau". Das rund 100 Hektar große Gelände soll nach dem Ende der Millioneneuroveranstaltung mit rund zwei Millionen Besuchern allen Wilhelmsburgern und Hamburgern zur Verfügung stehen. Mit Rundwegen, Boulevards, Beleuchtung, Kanukanälen, künstlichen "Wasserwelten", 80 Gärten, einer Schwimm- und einer Kletterhalle. Aus der Gartenschau soll dann ein richtiger Volkspark werden, ein "Elbinselpark".

Wer heute über das Gartenschaugelände wandert, der entdeckt - außer einem planierten, langweiligen Boulevard von der Georg-Wilhelm-Straße bis zur Mengestraße - zwar schon viel platte Flächen: für Gärten, Freizeitaktivitäten und Wohnhäuser. Aber es gibt auch noch ganz viel Urwüchsiges, nicht Verplantes, nicht Bebautes zu entdecken. Es gibt Biotope, Teiche, Gräben und Wettern und seltene Pflanzen, die auf der Roten Liste stehen.

Am Ufer wachsen Baldrian, Wasserpest, Schwertlilie und die Sumpfcalla

Aus Planersicht wird das Gartenschaugelände "intensiviert" - dafür muss die igs im Wilhemsburger Osten aus 22 Hektar Grünland Feuchtgrünland schaffen. Und weil die igs schon 1500 Bäume mit einem Durchmesser von mehr als 25 Zentimetern in Brusthöhe gefällt hat, muss sie 1900 Bäume neu pflanzen.

In ihrem "Ausgleichs- und Naturschutzkonzept für das Gartenschaugelände" schreiben die Pressesprecherinnen der igs: "Umweltauswirkungen, die sich aus den Bebauungsplänen für Teile des Gartenschaugeländes ergeben, sind im Wesentlichen die künftig intensiven Nutzungen sowie der Verlust gehölzbestandener Flächen."

Zu den gesetzlich geschützten Biotopen auf dem Gelände vermerken Ina Heidemann und Petra Bäurle: "Die wertvollsten und störungsempfindlichsten Bereiche werden durch die Planungen der igs nicht beeinträchtigt. An anderen Stellen wird es zu kleinflächigen und zeitlich befristeten Beeinträchtigungen kommen. Zugleich werden die bestehenden Gewässer im Hinblick auf die Artenvielfalt und Gewässerqualität aufgewertet." Die igs wolle die "wertvollen Gewässer und Uferränder" schonen. So soll das Uhlenbuschbrack, das Eisvögel, Grauschnäpper, Amphibien und Libellen beherbergt, "unzugänglich bleiben und wie bisher auf den vorhandenen Wegen erlebt werden".

Die Harburger Rundschau ist mit zwei Naturschützern durch das igs-Gelände gegangen: dem Landschaftsarchitekten und Umweltplaner Christian Starkloff, 36, aus Hamburg-Rahlstedt, der zwischen der igs und Umweltschutzverbänden vermittelt. Und dem einstigen Hamburger Vorsitzenden des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Harald Köpke, 62, aus Wilhelmsburg.

Der Blick von einer Brücke über die Rathauswettern zeigt, wohin die Reise geht auf der Internationalen Gartenschau: Rechts der Brücke konnten sich die Landschaftsplaner schon austoben. Sie haben Erlen vom Ufer entfernt, es sind "Sichtachsen" von einem zum anderen Ufer entstanden.

Links der Brücke das Ergebnis von 40 Jahren Wildwuchs: Dicht an dicht stehen die Bäume und werfen Schatten auf das Gewässer. "Wenn hier keiner was tut, dann gibt es hier noch mehr Wildnis", sagt BUND-Mann Köpke. "Das kann man wollen oder nicht wollen."

Der alte Zustand ist naturnäher, wilder, mit natürlichem Uferbewuchs. Am Ufer wachsen Brennnessel, Baldrian, Wasserpest, Blutweiderich, Girsch, Wolliges Weidenröschen, Sumpfvergissmeinnicht und die auf der Roten Liste stehende Schwertlilie sowie die Sumpfcalla. Auf der anderen Seite der Brücke wächst zwischen den wenigen Erlen fast nichts mehr.

"Ich frage mich, welche Form des Uferbewuchses die Paddler vorziehen", sagt Harald Köpke. "Ich denke, heute präferieren die Menschen die ursprüngliche Natur - zivilisierte Landschaft haben sie ja genug in ihrer Umgebung. Aber die Planer wollen keine 'grünen Wände', sondern Sichtachsen und Weitblick."

Die sehr laute Reichsstraße durchschneidet das Gelände

Unweit der sehr lauten Wilhelmsburger Reichsstraße - ohne ihre Schließung wäre die Gartenschau 2013 ein Treppenwitz der Geschichte! -, präsentieren die Planer einen schönen Graben. Der Graben soll fort, für künstliche "Wasserwelten". Hier wächst das Pfeilkraut, der Froschlöffel und die Wasserfeder - alles Rote-Liste-Arten. "Das dieser Graben zerstört werden soll, ist wirklich Wahnsinn", sagt Harald Köpke. "Er muss ohne Wenn und Aber in die 'Wasserwelten' integriert werden."

Köpkes "Herz ist betroffen: Hier hat sich Natur entwickelt, die soll jetzt zerstört werden. Ich wünsche mir eine andere Herangehensweise, die naturverträglicher ist".

Über die Gartenschau-Brücke von 1973 geht es auf die andere Seite der Reichsstraße: Hier erstreckt sich ein langer Graben zwischen Schrebergärten auf beiden Seiten, hier soll der "Rosenboulevard" entstehen. Beide Naturschützer sind entsetzt: Mächtige Eichenbalken werden an einer Uferseite in den Boden gerammt. "Hier kommt kein Frosch mehr hoch", lautet Harald Köpkes Kommentar. "So legt man im Jahr 2010 kein Gewässer an. Es ist traurig, dass wir die igs dazu jagen müssen, naturverträglich vorzugehen. Es wäre viel spannender, mit der Natur zu planen und sie zu integrieren. Plattmachen und dann planen - das haben wir schon auf den Gartenschauen von Flensburg bis Stuttgart gehabt."

Das Kuckucksbrack unweit des "Rosenboulevards" soll bis 2013 Teil der Kanustrecke werden. Aber dafür müssten rund ein Drittel der gelben Teichrosen, die auf der "Roten Liste" stehen, entfernt werden. Doch vielleicht scheitert das Kanuprojekt ja an der fehlenden Verbindung zum Mahlbusen auf der anderen Reichsstraßen-Seite. Bislang fließt nur ein kleiner Durchlass unter der B 4/75 hindurch - hier kann kein Kanu passieren! "Für den Kanukurs müsste man die Straße anheben", sagen die beiden Naturschützer. Ihre Schlussfolgerung: "Wenn die Reichsstraße 2013 noch da ist, gibt es keinen Rundkurs."

Und wer rechne schon damit, dass die Reichsstraße bis 2013 weichen werde und in Richtung Osten auf den Bahndamm wandere? Überhaupt: der Kanukanal ist den Naturschützern ein Dorn im Auge, denn er soll einseitig mit Beton verschalt werden. Und um noch etwas machen sich die beiden Naturschützer Sorgen: Der Wasserstand in den Wettern sei zu niedrig. Harald Köpke: "Damit ist auch der Sumpfwald an der Ausfahrt Wilhelmsburg-Mitte bedroht."