Lehrbeauftragter bekommt als Quereinsteiger keinen längerfristigen Vertrag

Harburg. Ein Mann, ein Ziel. Sven Esser, 45, diplomierter Agraringenieur, möchte weiter als Lehrbeauftragter an einer Hamburger Schule unterrichten, in einem Fachbereich, in dem Lehrer Mangelware sind: In Naturwissenschaften - Chemie, Physik, Biologie. Und trotzdem ist es ihm bislang nicht gelungen, einen längerfristigen Anstellungsvertrag in der Hansestadt unterschreiben zu können. In Niedersachsen, im Landkreis Rotenburg, sieht es für ihn hingegen besser aus. Dort könnte er nach den Sommerferien anfangen. Die Niedersachsen bieten ihm bei gleichen tarifvertraglichen Voraussetzungen sogar deutlich bessere Verdienstmöglichkeiten als die Hamburger.

Der Agraringenieur unterrichtet noch bis zum Beginn der Sommerferien an der Schule Slomanstieg auf der Veddel in den Klassen vier bis acht die Fächer Natur und Technik sowie Mathematik. Esser: "Danach endet mein Anstellungsvertrag, und ich müsste für die Zeit der Ferien Hartz IV beantragen. Das könnte ich vermeiden, indem ich den Vertrag mit Niedersachsen unterzeichne. Aber meine Lebenspartnerin, die Kinder und ich sind nun mal in Hamburg ansässig, und da muss es doch möglich sein, eine Lösung zu finden. Ich weiß doch, dass es durch die Schulreform an den Starter- und Stadtteilschulen einen großen Bedarf an Lehrkräften im Bereich Naturwissenschaften gibt."

Ein Brief an die Schulbehörde, Personalreferat für Gymnasien, in dem er seine Lage schilderte, machte ihm jedoch in der Antwort deutlich, dass seine Qualifizierung als Diplom-Agraringenieur vorrangig nicht gefragt sei. "Leider sind in Hamburg nur Quereinstiege für Diplomphysiker/-informatiker mit Zweitfach Mathematik möglich." Und: "Die Bezahlung richtet sich grundsätzlich nach ihrer Ausbildung. Eine Schule könnte sie zwar unbefristet einstellen, aber nicht ihre Besoldung bestimmen."

Der Schriftwechsel liegt inzwischen auch Hamburgs Bildungssenatorin vor. Und die teilte der Harburger Rundschau mit, dass zusätzliche Seiteneinsteiger-Programme für den Bereich der Mängelfächer in Vorbereitung seien. Für Sven Esser ein kleiner Hoffnungsschimmer. Er sagt: "Ein Agraringenieur hat in Naturwissenschaften ein sehr breit gefächertes Wissen, kennt sich in Fragen von Biologie und Ernährung ebenso aus wie in Fragen von Chemie, Physik und Mathematik." So hatte er bereits einen einjährigen Lehrauftrag für Physik sowie Natur und Technik in der Sekundarstufe I und II am Gymnasium Lerchenfeld und zuvor an der Gesamtschule Niendorf. Vergangenes Jahr unterrichtete er an einer Haupt- und Realschule in Wilhelmsburg. Dieses Jahr hatte er bereits einen befristeten Lehrauftrag in Niedersachsen, im Landkreis Rotenburg.

Esser wurmt die ungleiche Beurteilung seiner Qualifizierung in den Bundesländern. "Da gibt es den Tarifvertrag der Bundesländer TV-L für den öffentlichen Dienst", sagt er, "aber wie darin meine Ausbildung und Erfahrung als Lehrbeauftragter eingestuft wird, hängt ganz vom Sachbearbeiter in den Schulbehörden der Bundesländer ab."

Ein weiterer Kritikpunkt: "Das an den Schulen eingerichtete Unterrichtsfach Natur und Technik kann bislang gar nicht studiert werden. Und ein zweites Staatsexamen, das für den Beruf des Lehrers erforderlich ist, kann in dem Fach ebenfalls nicht abgelegt werden." Eine solche Prüfung könnte ihm möglicherweise zur Einstellung als Lehrer verhelfen. Als Lehrbeauftragter in Hamburg muss er sich mit einem monatlichen Nettogehalt von 1 400 Euro zufrieden geben. Esser: "Niedersachsen bezahlt besser und überbrückt auch die Ferienzeiten finanziell."

Wie kommt ein Agraringenieur als Quereinsteiger überhaupt in den Schuldienst? "Das war reiner Zufall", sagt Esser, "Ich bin auch an Bau und Betrieb eines Traditionssegelschiffs beteiligt. Wir hatten bei einem Törn vor fünf Jahren eine Klasse der Gesamtschule Niendorf zwecks Erlebnispädagogik an Bord. Über den Klassenlehrer kam der Kontakt zur Schule zu Stande. Und nun ist Unterrichten im naturwissenschaftlichen Bereich für mich zur Herzensangelegenheit geworden."