Der Abriss der Brücke Hannoversche Straße gibt das Startsignal für die Gestaltung der Bahnhofsinsel. Ein Investor steht bereit.

Harburg. Jetzt werden die Weichen für ein großes Stück Stadtentwicklung in Harburg gestellt. An Hannoverscher Straße und Seevestraße, wo die Maschinenfabrik Harburg-Freudenberger ihren Sitz hat, wo das Wasser durch den Seevekanal fließt, wo die Schienen vom Bahnhof in Richtung Cuxhaven abzweigen und wo auf einem Schild noch der alte Name "Bahnhofsinsel" das Gebiet kennzeichnet, wird vermutlich schon in zehn Jahren kein Fleck der jetzigen Brachflächen mehr zu sehen sein.

Wären da nicht die Bahngleise, der Seevekanal und auch die als Buxtehuder Straße bekannte Bundesstraße 73, so könnte man bequem zu Fuß auf einer Ebene aus der Harburger Innenstadt über den Seeveplatz bei Marktkauf hinüber zur Bahnhofsinsel gelangen, wo derzeit die Mitarbeiter von Harburg-Freudenberger ihre Autos parken. Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner würde sich diese Verbindung wünschen, weiß aber auch, dass es bautechnisch nur sehr aufwendig herzustellen und kaum zu finanzieren wäre.

Die jetzigen Entwicklungsschritte für das Gebiet, die derzeit im Bebauungsplan Harburg 63 (Seevestraße) entwickelt und diskutiert werden, lassen aber erahnen, dass schon in den kommenden Jahren auf der Bahnhofsinsel erste größere Arbeiten beginnen werden und Autofahrer auf der Hannoverschen Straße wegen Brückenabrisses und Neubaus von 2014 bis 2016 größere Umleitungen werden fahren müssen. Zudem ist abzusehen, dass die Seevestraße weiter nördlich einen neuen Anschluss an die Hannoversche Straße erhält und zur Hauptverkehrsstraße ausgebaut wird, die den Durchgangsverkehr des Stadtentwicklungsgebiets "Binnenhafen" aufnehmen soll.

Investor Michael Habacker (Habacker Holding, Düsseldorf), Vermieter der Harburg-Freudenberger Immobilien, plant in Zusammenhang mit dem Neubau der Brücke und der Verlegung der Seevestraße eine Neuordnung und Bebauung seines Grundstücks. Dem Stadtplanungsausschuss hatte er jetzt mehrere Varianten für die Bebauung mit einem Gewerbepark sowie einem oder zwei Büro-Hochhäusern bis zu zehn Etagen und etwa 38 Meter Höhe vorgetragen. Die Ausschussmitglieder wünschen weitere Details und eine Modellansicht. Michael Habacker: "Wir möchten in dem Gebiet eine deutliche Aufwertung schaffen."

Derzeit gibt es im Fall des B-Plans Harburg 63, der das Gelände entlang der Hannoverschen Straße bis zu den Unternehmen Biesterfeld/Brenntag und bis zum Östlichen Bahnhofskanal neu ordnen soll, nach den Worten von Carl-Henning von Ladiges, Leiter des Fachamts Stadt- und Landschaftsplanung, "sehr viele dicke Bretter zu bohren" . Dabei geht es in erster Linie ums Geld. Die verlegte und zu einer Hauptstraße ausgebaute Seevestraße wäre nicht mehr Sache des Bezirks, sondern fiele in die Zuständigkeit der Hamburger Wirtschaftsbehörde und ihres Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). "Das Vorhaben wird vermutlich erst in den Haushalt 2014 aufgenommen", sagt von Ladiges.=

Aber der LSBG wird vermutlich schon vorher (voraussichtlich 2014) mit dem Abriss der über die Bahngleise führenden Brücke der Hannoverschen Straße beginnen und anschließend eine neue, vermutlich deutlich kleinere Brücke bauen. Die jetzige Brücke ist 56 Jahre alt, 73 Meter lang und 24 Meter breit. Sie ist als Spannbetonbrücke gebaut und unterliegt wegen ihrer Bauart inzwischen häufiger Kontrollen, um die Tragfestigkeit des eingebauten Stahls zu prüfen. "Noch ist die Brücke ausreichend stand- und verkehrssicher", erklärt LSBG-Sprecher Jeff Marengwa, "für den Brückenabriss müssen mit der Bahn AG zwei Tage Sperrpause vereinbart werden." Fußgänger, Rad- und Autofahrer können sich wegen der Brückenarbeiten voraussichtlich für ein Jahr auf Umleitungen einstellen.

Carl-Henning von Ladiges hält es für möglich, dass schon im Herbst 2013 Brückenarbeiten und Umleitungen beginnen. Die neue Brücke soll nicht mehr so lang sein, weil die Bahn AG in Zukunft kein Gleis mehr parallel zur Hannoverschen Straße in Richtung Biesterfeld/Brenntag abzweigen lassen will. Ohne das abzweigende Gleis und den langen Brückenbau würde für Investor Michael Habacker auch die Möglichkeit bestehen eines der geplanten Bürohochhäuser (zwei Etagen unter Straßenniveau und acht darüber) direkt angrenzend an den Fußweg zu bauen.

Auf dem Gelände neben Biesterfeld/Brenntag plant die Hamburger Hochbahn AG den Bau eines Busdepots, weil ihr Betriebsplatz an der Winsener Straße/Jägerstraße wegen wachsender Fahrgastzahlen und eingesetzter Busse aus allen Nähten platzt. "Dazu ist der Bauantrag inzwischen in Vorbereitung", sagt von Ladiges. Zwischen den Chemiefirmen Biesterfeld/Brenntag und dem künftigen Busdepot soll eine öffentliche Grünzone mit einem Weg zum Östlichen Bahnhofskanal angelegt werden. In dem Fall sind aber noch nicht sämtliche Grundstücksfragen geklärt. Und die Vorstellung, den Weg mit einer Brücke zu einer geplanten Promenade am Westufer des Kanals (Wohn- und Gewerbegebiet "Harburger Brücken") weiter zu führen, ist wegen ungeklärter Finanzierung noch fernab einer möglichen Realisierung.

Der Ausbau der Seevestraße zur Hauptverkehrsstraße im Bereich des Harburger Binnenhafens ist zwar Wunsch von Verwaltung und Bezirkspolitik, doch wie die jetzt den Mitgliedern des Harburger Stadtplanungsausschusses vorgelegten Ergebnisse von Erschütterungsmessungen durch den Lkw-Verkehr ergaben, liegen die Normwerte für die Gefährdung der Häuser zwar unter den Grenzwerten, die Normwerte für die Störung und Belastung der Menschen aber zum Teil deutlich darüber. Besonders heftige Erschütterungen hatte Dr. Kira Holtzendorff vom Messunternehmen Baudyn wegen abbremsender und anfahrender Lastwagen bei den Messpunkten im Haus Harburger Schloßstraße 2 festgestellt. Ihre Empfehlung für den künftigen Straßenbau: Elastische Lagerung zwischen Fahrbahn und Untergrund oder ein trennender Schlitz zwischen Fahrbahn und Häusern.