Kriminalstatistik der Polizei verzeichnet immer mehr Fälle, in denen Diebe Dieseltanks anzapfen und Werkzeuge stehlen

Harburg/Buchholz. Dieter Günther sichert den etwa sechs Quadratmeter großen, gelben Baustellencontainer mit einem besonderen Trick: Über dem Vorhängeschloss mit dem fingerbreiten Stahlbügel ist eine Abdeckung angebracht, die wiederum das Schloss sichert. "Da kommt man mit einem Bolzenschneider oder mit einer Akkuflex nicht heran", sagt der 59 Jahre alte Oberpolier, der die Arbeiten für das derzeit entstehende, exklusive Wohnbauprojekt Balance Bay auf der Harburger Schlossinsel leitet.

Schlechte Erfahrungen mit Baumaterial, das nicht genügend gegen Diebstahl gesichert ist, sammelte der Mitarbeiter des Kölner Bauunternehmens Alpine bereits zur Genüge. "Einmal wurden uns Kupferkabel im Wert von etwa 80 000 Euro geklaut", sagt Günther. Neben den Metallcontainern brechen Diebe immer wieder provisorische Schuppen der Bauarbeiter auf oder bedienen sich an den voll ausgestatteten Werkstattwagen von Mitarbeitern im mobilen Kundendienst.

178 Diebstähle verzeichnete die Polizei während des vergangenen Jahres auf Baustellen und aus Handwerkerwagen im Landkreis Harburg. Einen Trend erkennt Michael Düker von der Polizeiinspektion Harburg bei den zunehmenden Fällen, in denen Dieseldiebe Tankschlösser von Baustellenfahrzeugen gewaltsam öffnen und Sprit abzapfen. "Der Grund für diese Entwicklung dürften die steigenden Spritpreise sein." Düker weiter: "Die Tatorte liegen überall im Landkreis, auch in den städtischen Bereichen."

In der Nacht zu vergangenen Mittwoch entwendeten Unbekannte beispielsweise einen Trennschleifer der Marke Stihl, einen Baulaser und einen Makita-Bohrschrauber aus einem Transporter, auf einem Parkplatz in der Bahnhofstraße mitten im Ortszentrum von Jesteburg abgestellt war. Ihre Beute hat einen Gesamtwert von 2000 Euro. In der gleichen Nacht schlichen sich Diebe auch auf eine Baustelle in Appel und pumpten aus dem Tank eines dort abgestellten Lkw-Kippers ungefähr 80 Liter Diesel ab. Außerdem schlugen vermutlich dieselben Täter die Seitenscheibe eines Mercedes Sprinter ein und entwendeten aus dem Wageninnern einen Motortrenner.

"Die Opfer machen es den Tätern zwar nicht einfach", sagt Polizeisprecher Düker. Die typischerweise betroffenen Kastenwagen der Marken Mercedes Sprinter, Ford Transit und Volkswagen T4 seien in aller Regel verschlossen. "Aber die Diebe können damit rechnen, dass sie in diesen Fahrzeugen reiche Beute vorfinden", so der Kriminalhauptkommissar weiter. Und das Risiko, erwischt zu werden, sei gering. "Viele Monteure nehmen die mit komplettem Werkzeugbedarf bestückten Firmenwagen mit nach Hause, wo sie über Nacht an der Straße stehen."

Deutlich sicherer ist es, den Wagen in einer Garage zu parken. Zusätzliche Abschreckung schafft laut Düker eine Alarmanlage, auf die ein Aufkleber an der Fahrzeugscheibe hinweist. Präventiv wirke auch, wenn die Wertsachen individuell gekennzeichnet sind. Dadurch lässt sich die Beute der Diebe von den Fahndern den verschiedenen Straftaten eindeutig zuordnen. "Weil auf vielen Geräten keine Individualnummern zu finden sind, gestalten sich die Ermittlungen in aller Regel als sehr schwierig", sagt Polizist Düker.

Für die betroffenen Unternehmen entsteht ein doppelter Schaden. Einerseits können sie ihre Aufträge nicht rechtzeitig bearbeiten und verlieren dadurch möglicherweise ihren guten Ruf. Außerdem bleiben sie oft auf den Rechnungen für neue wertvolle Markenwerkzeuge sitzen, weil ihre Geräte nur selten versichert sind. Die Auto-Teilkaskoversicherung ersetzt nur die eingeschlagene Seiten- oder Heckscheibe. Den Wiederbeschaffungswert des gestohlenen Werkzeugs übernimmt die sogenannte Autoinhaltsversicherung, die jährlich zwischen 1,5 und fünf Prozent des versicherten Wertes im Wageninnern kosten.

Der bei Diebstählen auf Baustellen und in unbezogenen Neu- und Rohbauten angerichtete Vermögensschaden liegt in den meisten Fällen zwischen 500 und 2500 Euro. Die Polizeiliche Kriminalstatistik für Hamburg verzeichnete im vorigen Jahr 1124 solcher Straftaten, bei denen ein Gesamtschaden von 2 934 611 Euro entstand. Vor sieben Jahren waren es noch 1 238 053 Euro bei 626 Straftaten. Die aktuelle Aufklärungsquote in diesem Deliktsbereich beträgt gerade einmal 9,3 Prozent. Von den 155 ermittelten, in den meisten Fällen zwischen 30 und 40 Jahre alten, Tatverdächtigen besitzen 81 nicht die deutsche Staatsbürgerschaft.

"Die gestohlenen Baumaschinen wandern in den meisten Fällen über die Grenzen nach Osteuropa", sagt Polizist Düker. "In wenigen Fällen dient das Diebesgut zum Eigengebrauch, vor allem der abgezapfte Diesel." Für die Betroffenen wie Oberpolier Günther haben solche kriminalistische Feinheiten keine Bedeutung. "Wir verriegeln die gesamte Baustelle nachts mit einem Metallzaun", sagt er. "Und sobald der Innenausbau beginnt, patrouilliert der Wachschutz auf dem Gelände."