Abendblatt-Reporter Andreas Schmidt testete die neue Nordwandhalle auf dem Gelände der Internationalen Gartenschau.

Wilhelmsburg. Da soll ich ganz hoch? Na dann. Mein Kletterlehrer Nils Kremeskötter, 33, blickt mich auffordernd an und legt mir den Klettergurt vor die Füße. Ich steige in den Gurt und ziehe drei Schlaufen zu. Der Profi verbindet den Gurt mit einem doppelten Achterknoten an einem Seil - er wird mich mit dem anderen Ende des Seils absichern, wenn ich die zwölf Meter hohe Kletterwand in der neuen Nordwandhalle in Wilhelmsburg hochklettern werde. Das Seil läuft kurz unter der Decke durch zwei Karabiner. Ich atme tief durch. Jetzt muss ich meinem Kletterlehrer vertrauen.

Ich klettere die gelben Griffe hoch. Sie sind sehr angenehm zu umfassen. Auch meine Wanderstiefel finden ausreichend Platz. Nach acht Metern gucke ich einmal kurz hinunter. Lehrer Nils steht ganz entspannt auf dem Boden und blickt mir freundlich zu. Noch vier Meter, dann habe ich es geschafft: Ich habe meinen ersten Kletterparcours in der größten Indoor-Kletterhalle Hamburgs absolviert. Dann strecke ich meine Beine fast ganz aus, und Nils seilt mich die Wand ab.

Natürlich war ich nicht er einzige, der am Wochenende in der Nordwandhalle auf dem Gelände der Internationalen Gartenschau (igs 2013) in die Höhe stieg. Mehr als 1000 Kletterfreunde aus der Metropolregion Hamburg nutzten die Gelegenheit und erkundeten umsonst das neue Indoor-Kletterzentrum auf der größten Flussinsel Europas. Nach Angaben der Betreiber handelt es sich um "das größte und modernste Kletterzentrum in Deutschland". Die Halle liegt fünf Gehminuten vom S-Bahnhof Wilhelmsburg - drei Stationen vom Hauptbahnhof und eine Station vom S-Bahnhof Harburg - entfernt und ist über die Neuenfelder Straße zu erreichen.

Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, 53 (SPD) ließ es sich nicht nehmen und stieg am Sonnabendvormittag in die Wanten . Scholz kletterte abgesichert eine 16 Meter hohe Wand hoch und ließ sich dann abseilen. "Ich bin das zweite Mal in einer Kletterhalle die Wand hochgestiegen", sagte der Bürgermeister dem Hamburger Abendblatt. "Ich fand es ein tolles Gefühl, die Wand in dieser Wilhelmsburger Kletterhalle hochzugehen", sagte Scholz. Er habe dem Klettertrainer, der ihn mit einem Seil absicherte, "voll vertraut. Manche Wände nötigem einem schon Respekt ab."

5,3 Millionen Euro hat der Bau der Kletterhalle gekostet, die den Sport auch mit einem ökologischen Ansatz verbindet: "Klettern ist eine Aktivität, die viel mit Natur und Bergen zu tun hat. Da ist es nur folgerichtig, wenn wir bei der Nordwandhalle auf Nachhaltigkeit setzen", sagte Jan Pieperhoff vom Marketing. Die Halle bezieht ihre Energie unter anderem durch eine Solaranlage und durch Ökostrom.

Die aufwendige Konstruktion und das Energiekonzept mit Holzschnitzelheizung hatten die Bauarbeiten seit Dezember verzögert. Für die Kletterwände wurde Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwendet. Die Geschäftsführer Jost Hüttenhain und Katrin Erenyi, Geschwister aus München die jetzt in Hamburg leben, versprechen einen "Null-Kohlendioxid-Ausstoß".

Das neue Kletterzentrum ist Teil der so genannten "Welt der Bewegung" auf dem igs-Gelände. Dazu werden auch eine Skateboardbahn, große Liegeflächen, eine Schwimmhalle und ein Hochseilgarten gehören. Damit soll auch das Freizeitangebot auf der Elbinsel Wilhelmsburg aufgewertet werden.

Die 850 Quadratmeter große und 16 Meter hohe Kletterhalle bietet auf einer Kletterfläche von rund 2500 Quadratmetern verschiedene Kletter- und Boulderrouten - gesetzt aus 25 000 einzelnen Klettergriffen -, die regelmäßig von professionellen Routensetzern umgeschraubt werden und für Kletterspaß in allen Schwierigkeitsgraden sorgen. Die Westseite der Halle besteht aus gebäudehohen Verglasungselementen, die im Sommer komplett geöffnet werden können und im Winter durch die freie Sicht in den Park das Gefühl des Draußen-Kletterns vermitteln. Auf dem 6000 Quadratmeter großen Grundstück werden im Außenbereich felsenartige Klettermöglichkeiten geschaffen.

Bürgermeister Scholz lobte "den bewundernswerten Mut der Investoren. Wilhelmsburg ist ein Ort, wo jetzt richtig viel losgeht. Die Entwicklung in Wilhelmsburg zeigt, dass Stadtentwicklung auch ohne Luxuswohnungen möglich ist. Das ist ein Aufbruchsignal, das wir für die Stadt brauchen. Ich bin begeistert, wie es hier vorangeht." Mein persönliches Resümee: Klettern macht Spaß, auch wenn man schon 40 plus ist. Die zwölf Meter haben in mir keine Höhenangst verursacht. Ich habe meinem Kletterlehrer und dem Equipment voll vertraut. Nächstes Mal werde ich mit meinen beiden Töchtern in die Nordwandhalle kommen. Dann wollen wir mal sehen, wer schneller die Wände hoch kommt.