Die Ehrenamtlichen vom Ambulanten Hospizdienst Winsen begleiten Sterbende und deren Familien zu Hause: Wochen, Monate oder Jahre.

Winsen. Nachts war es am schlimmsten. Dann streifte der ältere Herr rastlos durch das stille Haus, getrieben von einer inneren Unruhe - und immer gefolgt von einer der vier Ehrenamtlichen des Ambulanten Hospizdienstes Winsen. Krebs im Endstadium, von dieser Diagnose wussten die Begleiter. Doch was den Todkranken in dieser Zeit so umtrieb, war offenbar die Trennung von seiner an Demenz erkrankten Frau.

Die Besuche bei ihr im Heim waren seit einiger Zeit ausgefallen, fanden die Begleiter im Gespräch mit der Tochter heraus. Sie brachten das Ehepaar noch einmal zusammen. "Die beiden konnten sich nicht mehr mit Worten verständigen, sie haben sich einfach die Hand gehalten", erzählt Eva-Maria Pemsel, Koordinatorin des Hospizdienstes. Zwei Tage darauf starb der Mann.

+++ Gestorben wird immer später +++

Für Sterbende und ihre Familien da sein, ihnen zuhören und Luft im Alltag verschaffen. 24 Frauen und ein Mann haben sich dafür beim Ambulanten Hospizdienst, der dem Kirchenkreis Winsen angegliedert ist, ausbilden lassen. Sie begleiten todkranke Menschen zu Hause, manchmal wenige Wochen, manchmal ein oder zwei Jahre.

Dass der Bedarf groß ist, davon ist Eva-Maria Pemsel, die den Dienst hauptamtlich koordiniert, überzeugt. "Es gibt immer mehr Menschen, die keine Kinder haben oder aus unterschiedlichen Gründen ohne Kontakt zu ihren Angehörigen leben. Das Alleinsein nimmt zu." Trotzdem wenden sich nur wenige Menschen an die Helfer vom Hospizdienst, die das gesamte Kirchenkreisgebiet betreuen und sich zuvor ein halbes Jahr ausbilden lassen.

27 Sterbende haben sie im vergangenen Jahr begleitet. Es könnten gut auch mehr sein, sagt Pemsel. Deshalb will sie das kostenlose und überkonfessionelle Angebot bekannter machen. "Aber das Thema ist sehr schwierig, die Menschen wollen nicht über den Tod reden."

Noch sind es meist die Angehörigen, die um Unterstützung bitten. "Manche Sterbende wollen einfach ihre Ruhe und die Angehörigen brauchen jemanden, bei dem sie ihre Wut und ihren Frust rauslassen können", sagt Pemsel. Außerdem verschaffen die Begleiter den Partnern, Geschwistern oder Kinder Freiräume. Damit sie auch mal einkaufen, ein Buch lesen, zum Friseur gehen oder einfach verschnaufen können.

Mit den Sterbenden führen die Begleiter Gespräche, sie singen oder beten auf Wunsch mit ihnen, schnacken platt und hören sich Geschichten aus einem bald zu Ende gehenden Leben an. Sie sind neutrale Gesprächspartner, mit denen die Todkranken auch über Dinge reden können, die in der Familie ausgeklammert werden.

+++ Kino zeigt Drama über das Sterben +++

"Angehörige haben mit dem jetzt Sterbenden auch nicht so positive Zeiten erlebt", sagt die Ehrenamtliche Ingrid Isenberg. "Wir haben mehr Abstand, sind nicht so emotional verwickelt." Manche Menschen, die wissen, dass sie bald sterben, machten sich Sorgen um ihre Familie, sagt Begleiterin Claudia Rieckmann. "Andere sagen auch einfach, dass sie keine Lust mehr haben."

Oft werde sie gefragt, wie es weitergehe, sagt Liane Winkler, die seit neun Jahren beim 1999 gegründeten Hospizdienst ist. "Gibt es einen Himmel oder ein Leben nach dem Tod? Ich weiß es auch nicht." Aber sie hört zu, auch beim schwierigen Thema Tod, das Angehörige oft nicht ertragen. Liane Winkler hat viele demenzkranke Menschen begleitet, sie kann auch Gespräche ohne Worte führen. "Und Musik verstehen alle Menschen."

Die Beziehungen, die in der Begleitung entstehen, sind ganz unterschiedlich. Wichtig sei eine Vertrauensbasis, sagt Eva-Maria Pemsel. Sie macht die Erstbesuche und sucht anschließend einen passenden Begleiter aus. So wie bei dem Mann, der an tödlichem Muskelschwund litt und sich nur noch in einem Liegerollstuhl fortbewegen konnte. Sein Begleiter verbrachte viel Zeit mit ihm - üblich ist etwa eine Stunde pro Woche -, ging mit ihm ins Restaurant, Eisessen und übers Stadtfest, sie führten intensive Gespräche. Doch am Ende einer Begleitung steht immer der Tod. Darauf sind die Ehrenamtlichen, darunter eine Bankkauffrau, eine Bäuerin und eine Sozialpädagogin, vorbereitet - und doch kann es ihnen zu schaffen machen. Deshalb treffen sie sich einmal im Monat in der Gruppe, sie erhalten Supervision und können die Koordinatorin jederzeit auf dem Handy erreichen.

"Man lernt viel über sich selbst", sagt Claudia Rieckmann. Sie hatte lange überlegt, wie sie sich engagieren kann. "Ich wollte was Sinnvolles machen und habe mich gefragt: Was kann ich? Und was kann ich ertragen? Jetzt merke ich: Das ist genau das Richtige."