250 Menschen gedachten des vor 20 Jahren am Buxtehuder ZOB von Neonazis brutal totgeschlagenen Kapitäns Gustav Schneeclaus

Buxtehude/Tostedt. Blumen und Kerzen prägten den Tag zum Gedenken an Gustav Schneeclaus und der Opfer der rechten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund". Rund 250 Menschen aus den Landkreisen Stade, Harburg und Lüneburg demonstrierten am Sonnabend zum 20. Todestag des von Neonazis totgeschlagenen Kapitäns Schneeclaus friedlich in der Buxtehuder Innenstadt.

Entgegen der Befürchtungen des Verfassungsschutzes, der Ausschreitungen erwartet hatte, blieb es ruhig bei der Bürgerdemonstration. "Wir können aufatmen. Die Rechten wollen laut unseren Informationen heute den Streetwear-Laden in Tostedt vor Übergriffen schützen, sie werden daher nicht aufkreuzen", sagte Mitorganisator Michael Quelle vor Beginn der Demonstration. Dennoch ärgert ihn, dass der Verfassungsschutz vor Ausschreitungen gewarnt hatte. "Einige Bürger sind wegen dieser Aussage sicherlich der Demonstration fern geblieben."

Gekommen sind dennoch viele Menschen, darunter Vertreter von Politik und Kirche. Unter den Demonstrationsteilnehmern waren unter anderem die SPD-Landtagsabgeordnete Petra Tiemann, Grünen-Bundestagsabgeordneter Sven-Christian Kindler, Superintendent Helmut Blanke, sowie zahlreiche Vertreter von Grünen, SPD, Linke und Gewerkschaften, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und Mitglieder der Antifa. Die CDU war der Veranstaltung fern geblieben, was bei vielen auf Unverständnis stieß, ebenso wie zahlreiche militante Parolen, die die Antifa skandierte. Mitorganisator Michael Quelle zeigte sich über die aggressiven Sprüche der Antifa wenig erfreut. Er hätte mehr Zurückhaltung begrüßt.

Buxtehudes SPD-Fraktionschefin Astrid Bade bedauerte das Fehlen der CDU beim Demonstrationszug. "Bei solch einem ernsten Thema sollten alle Flagge zeigen und die Parteipolitik einmal vergessen", sagte die SPD-Politikerin. Das Signal, dass die CDU mit dem erneuten Fernbleiben an Demonstrationen gegen Gewalt von Nazis aussende, sei nicht gerade positiv.

Dass es aber wichtig sei, den Gefahren von Rechts frühzeitig und geschlossen zu begegnen, machte Grünen-Politiker Kindler deutlich. "Pro Tag werden in Deutschland drei Straftaten mit rechtem Hintergrund begangen. Das ist erschreckend", sagte Kindler. Olaf Meyer vom Antifaschistischen Bündnis Lüneburg/Uelzen verwies auf inzwischen mehr als 180 Menschen, die in Deutschland seit 1990 von Neonazis ermordet worden seien, da sie nicht "systemkonform gewesen sind". Beinahe schlimmer sei aber laut Kindler, dass die CDU-Bundesministerin Christiane Schröder im Bundestag die andauernde Gewalt aus der Neonazi-Szene verleumde und Nazis mit Linken gleichsetze.

"Ihre Meinung ist politikwissenschaftlich gesehen Blödsinn", so der Grünen-Politiker. Mit solchem Verhalten werde die rechte Gewalt verharmlost und rechtes Gedankengut hoffähig gemacht. Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Petra Tiemann forderte daher eine klare Positionierung gegen die anhaltenden Übergriffe von Rechts. "Gewalt darf kein Argument werden und ist absolut verabscheuungswürdig", sagte Tiemann bei der Zwischenkundgebung am Geesttor in der Buxtehuder Altstadt. "Die NPD muss verboten werden. Die braune Suppe muss endlich in die Gülle der Vergessenheit geraten".

Ähnlich sah dies die Linken-Landtagsabgeordnete Pia Zimmermann. Auch sie forderte ein Verbot der NPD. Zugleich kritisierte sie den Verfassungsschutz. Der habe bereits einmal ein Verbot der NPD torpediert und bei der Aufklärung der Terrorakte aus der rechten Szene versagt. Zimmermann: "Der Verfassungsschutz ist unfähig und gehört aufgelöst. V-Leute in der NPD sind nichts anderes als bezahlte Neonazis". Kritik gab es auch an die Adresse der Politik im Kreis Harburg. Dass Stefan Silar, der Gustav Schneeclaus mit Gesinnungsgenossen zu Tode schlug, etwa in Todtglüsingen immer noch in einem Sportverein als Mitglied toleriert werde, sei laut DGB-Funktionär Lutz Bock "schwer erträglich". Dass der Verein argumentiere, dass er keine Handhabe besäße, um Silar auszuschließen, bezeichnete er als befremdlich. "Dafür hat der Verein eine Satzung, die auch verändert werden kann", sagte Bock.

Professor Wolfgang Gessenharter erinnerte daran, wie Buxtehude den "rechten Sumpf bereits einmal trockengelegt hat". Als Anfang der 1990er Jahre Anschläge auf Asylbewerberheime bei Buxtehude verübt wurden und Bürgerbewegungen dieses als "verständlich" bezeichneten, positionierten sich die Stadt und die Politik und starteten eine Kampagne gegen Rechts, die bundesweit einmalig war. Solches Engagement gelte es fortzusetzen.

Buxtehudes Superintendent Helmut Blanke appellierte, das Gedenken an die Tat aufrecht zu erhalten und mehr Erinnerungskultur am Tatort am Buxtehuder Zentralomnibusbahnhof zu pflegen. "An diesem Ort müssen Stadtführer etwas Besonderes erzählen, Großeltern und Eltern ihren Enkeln oder Kindern etwas Besonderes erzählen. Dieser Ort muss ein Ort des sofortigen Erinnerns werden", sagte Blanke. Die Stadt müsse zudem klar zeigen, dass sie weltoffen sei und die Integration von Menschen befürworte.

Im Rahmen des Gedenkens an Gustav Schneeclaus gibt es in den folgenden Tagen weitere Veranstaltungen: Die "Dokusoap 3000" nimmt Bezug auf dem Tostedter Stefan Silar, der bei der Tat an Gustav Schneeclaus 19 Jahre alt war. Es ist eine überdrehte Satire der heute im Fernsehen üblichen Reality-Shows. Darin verarbeitet Autor und Regisseur Lars Kokemüller seine Jugenderinnerungen aus Buchholz. Die nächsten Vorstellungen gibt es Freitag bis Sonntag jeweils um 20 Uhr im Hamburger Theater Orange, Marktstraße 24.

Das nächste Treffen von Unterstützern der Antifa und Interessierten in Lüneburg gibt es am Freitag, 6. April, um 20 Uhr im Infocafe Anna & Arthur in der Katzenstraße 2. Dort sollen Gegner der Rechtsextremisten mobilisiert werden, um gegen den Aufmarsch von Neonazis zu demonstrieren, der für 1. Mai in Neumünster geplant ist. Eine ähnliche Gegenveranstaltung wird von der Lüneburger Antifa für eine Großveranstaltung am 2. Juni in Hamburg vorbereitet, die Rechtsextremisten unter dem Motto "Tag der deutschen Zukunft" angekündigt haben.

Um mit Argumenten gegen geistige Brandstifter angehen zu können, vermittelt die Antifa Hintergrundwissen über die subtilen Strategien von Rechtspopulisten. Unter dem Titel "Platt, dumm, ungefährlich?", referiert der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler am Dienstag, 10. April, um 19 Uhr im Glockenhaus Lüneburg.

Einen ähnlichen Informationsabend veranstaltet die SPD in Buxtehude am Mittwoch, 21. März, um 20 Uhr im Klosterhof, Hauptstraße 45. Der Politikwissenschaftler Professor Wolfgang Gessenharter gibt dabei Antworten auf die Frage "Rechtsextremismus - nur am Rande der Gesellschaft?".