Niedersächsischer Städtetag befürchtet, dass die 35-Prozent-Quote vielerorts nicht ausreiche. Land gebe zu wenig Geld

Winsen/Lüneburg/Stade. Der vom Sommer kommenden Jahres an geltende Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige bereitet vielen Kommunen in Niedersachsen offenbar große Sorge. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen flächendeckend für 35 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe Angebote bereitstehen. So haben es Bund und Länder vereinbart. Doch nun schlägt der Niedersächsische Städtetag (NST) Alarm: Die Quote reiche nicht aus, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Sie bleibe vielerorts hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück.

"In Lüneburg benötigen wir Plätze für 43 Prozent", sagt Ulrich Mädge, Oberbürgermeister der Hansestadt und gerade im Amt bestätigter NST-Vizepräsident. "Zurzeit liegen wir bei 31 Prozent" Und Lüneburg ist kein Einzelfall. Den Worten des NST-Präsidenten Frank Klingebiel, Oberbürgermeister Salzgitters, zufolge, werden 35 Prozent in nahezu jeder mittleren und größeren Stadt nicht ausreichen.

Das Präsidium des kommunalen Spitzenverbands, dem landesweit 127 Städte, Gemeinden und Samtgemeinden angehören, bemängelt zudem, dass das Land zu wenig Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung stelle. Zwar habe Hannover erfreulicherweise die Mittel für den Ausbau von Kinderkrippen erhöht - um zusammen 40 Millionen Euro in diesem und im kommenden Jahr. Doch das sei nicht genug, um die von Bund, Ländern, und Kommunen verabredete Drittel-Finanzierung zu realisieren. "In Niedersachsen fehlen etwa 110 Millionen Euro", sagt der NST-Hauptgeschäftsführer Heiger Scholz.

Eine von der Mitgliederversammlung des Verbands in Hitzacker verabschiedete Erklärung beschäftigt sich unter anderem mit diesem Thema, das der Städtetag für "besonders dringlich" hält. In dem Positionspapier wird die Landesregierung aufgefordert, die Verteilung von Geld am tatsächlich bestehenden Bedarf zu orientieren. Außerdem müsse das Land die Kommunen von etwaigen Schadenersatzansprüchen freistellen, sollte der Rechtsanspruch wegen einer deutlich höheren Nachfrage im Einzelfall nicht befriedigt werden können.

Betreuungsplätze für 35 Prozent aller unter Dreijährigen auch im Landkreis Harburg wird das nicht ausreichen. "Diese Quote werden wir zwar in allen Gemeinden erreichen", sagt Georg Krümpelmann, Sprecher des Landkreises. In den zurückliegenden drei, vier Jahren sei in den Kommunen sehr viel geschehen, um das Angebot zu verbessern. Krümpelmann: "Aber wir haben festgestellt, dass es nicht ausreichend sein wird." Insbesondere für Winsen und Buchholz prognostiziert der Landkreis einen höheren Bedarf.

Auch die Entfernung zu Hamburg dürfte eine Rolle bei der Frage spielen, wie hoch der Bedarf an Betreuungsplätzen wirklich ist. "Je näher wie an die Metropolregion kommen, desto höher wird er sein", sagt Susanne Brahmst, die Dezernentin für Soziales, Jugend und Gesundheit des Landkreises Stade. Auch in der Kreisstadt selbst dürfte für mehr als nur gut jedes dritte Kleinkind ein Betreuungsplatz gebraucht werden. "Wir werden mit 35 Prozent nicht auskommen", sagt der Erste Stadtrat Dirk Kraska, der ohnehin ebenfalls Kritik an der Quote äußert. Sie gehe vollkommen an der Realität vorbei. Kraska: "Das Alte Land wird mit 35 Prozent völlig überausgestattet sein, während es in großen Städten vorn und hinten nicht reicht."

Nichtsdestotrotz arbeiten die Kommunen weiterhin mit Hochdruck daran, neue Plätze zu schaffen. Im Landkreis Lüneburg zum Beispiel - die Hansestadt selbst ausgenommen - gab es laut Sprecherin Birgit Fischer im Jahr 2008 erst 60. "Aktuell sind es 360, und es werden noch mal 149 hinzukommen", sagt sie. Inwieweit sich diese Zahlen mit dem Bedarf decken, werde der Jugendhilfeausschuss im April zu beurteilen haben. Auch die Stadt Lüneburg stockt auf, um in der zweiten Jahreshälfte 841 Plätze vorhalten zu können - für eben jene 43 Prozent der Kleinkinder, für die Oberbürgermeister Mädge Betreuungsbedarf sieht. "Bezahlt überwiegend aus kommunalen Mitteln", wie Mädge sagt.

Eine im Dezember 2011 veröffentlichte Erhebung des Statistischen Bundesamtes zeigt, wie schnell die Kommunen handeln. Dem Zahlenwerk zufolge wurden am Stichtag, dem 1. März vergangenen Jahres, im Landkreis Harburg 23,1 Prozent aller Kinder unter drei Jahren in einer Kindertagesstätte oder von Tageseltern betreut. Im Landkreis Lüneburg waren es der Statistik zufolge 25,5 Prozent und im Landkreis Stade 15,7 Prozent.