Innovation: Neu Wulmstorf führt das papierlose Rathaus ein. Ein Mitarbeiter berichtet auf der CeBIT in Hannover über die ersten Erfahrungen.

Neu Wulmstorf. Beamte und Verwaltungsangestellte, die in ihren Büros Akten wälzen, gibt es im Neu Wulmstorfer Rathaus nicht mehr. Die Menschen, die das tun könnten, sind zwar noch da, ein jeder auch in seinem Büro. Die Akten aber nicht mehr. Denn Neu Wulmstorfs Gemeindeverwaltung rühmt sich, eine papierlose geworden zu sein. Die einzige weit und breit und deshalb womöglich Vorbild für viele andere. Partho Banerjea, Leiter des Fachdienstes Strategische Steuerung und Entwicklung im Rathaus, hat darüber nun einen Vortrag auf der weltgrößten Computermesse, der CeBIT in Hannover, gehalten.

Banerjea ist der Mann, der maßgeblich umgesetzt hat, was dem Bürgermeister Wolf-Egbert Rosenzweig ein Anliegen gewesen ist. Sein Erfolg lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt wenigstens in Kubikmetern Papier bemessen: 15, zumeist säuberlich abgeheftet in grauen Leitz-Ordnern mit handbeschrifteten Rücken, haben das Verwaltungsgebäude kürzlich verlassen - in einem gelben Container. Gesetzestexte, Erlasse, Schriftverkehr, Flurkarten, Etatentwürfe: Das gedruckte Herz einer kompletten kommunalen Verwaltung ist über Nacht zu Altpapier geworden. Schuld daran ist "DMS". Die drei Buchstaben stehen für Dokumenten-Management-System.

Seit dem 1. Januar läuft es in allen Abteilungen des Rathauses. Die ersten Folgen sind sichtbar: "Wir haben inzwischen eine ganze Reihe leerer Aktenschränke", sagt Partho Banerjea. Aktenordner bestellt die Verwaltung nicht mehr nach. Der Verbrauch an Papier und Toner für die Drucker ist spürbar gesunken. Ein Großdrucker, der nur gemietet war, ist bereits zurückgegeben worden. Wie hoch die Einsparungen genau sind, werde sich erst am Ende dieses Jahres mit einiger Verlässlichkeit sagen lassen, meint Banerjea. Nur so viel schon jetzt: "Ich könnte mir vorstellen, dass der Papierverbrauch um mindestens ein Drittel zurückgeht."

Und das soll nur ein Effekt sein. Der zweite, weitaus größere: eine Effizienzsteigerung innerhalb der Verwaltung. Alles soll schneller gehen. Während früher ein Sachbearbeiter eine Akte suchen, an seinen Schreibtisch holen, Vermerke oder andere Papiere einheften und den Vorgang zum Gegenzeichnen an den nächsten Kollegen weiterreichen musste, werden Änderungen heute am Computer eingepflegt. Die Akten existieren nur noch virtuell, die Daten lagern auf einem Server, von dem den ganzen Tag lang immer wieder Sicherungskopien gezogen werden. Banerjea: "Während der Bürger in der Vergangenheit vielleicht zwei Tage auf die Antwort auf eine Anfrage hat warten müssen, kann er sie jetzt im Idealfall sofort bekommen."

+++ Politiker probieren's ohne Papier +++

Zu manchen Vorgängen existierten mitunter auch parallel geführte Akten in unterschiedlichen Abteilungen. Und nicht immer habe der Inhalt der einen auch dem der anderen entsprochen. "Jetzt gibt es zu jedem Vorgang nur noch einen Ordner", sagt der Fachdienstleiter. Rund 55 000 Dokumente liegen derzeit in digitalisierter Form vor, und es werden täglich mehr.

Bürgermeister Rosenzweig - er gönnt sich immerhin noch einen DIN-A5-Notizblock auf seinem Schreibtisch - ist begeistert, wie selbstverständlich die 80 betroffenen Mitarbeiter in der Verwaltung mit dem neuen System umgehen. "So eine Veränderung hätte ja auch Verunsicherung mit sich bringen können", sagt er. "Aber die Akzeptanz ist sehr groß. Es wird schon Routine."

Die Investitionen in die neue digitale Aktenwelt wirken recht überschaubar. Partho Banerjea beziffert sie mit ungefähr 50 000 Euro. Software, Lizenzen und Schulungen aller Mitarbeiter eingeschlossen. Das liege vor allem daran, dass die Gemeinde mit dem Hersteller des Computerprogramms einen Sonderpreis vereinbart habe. "Unsere Erfahrungen sind in die Entwicklung mit eingeflossen", sagt er.

Eines ist klar, das hat der Rathaus-Mitarbeiter auch auf der CeBIT gesagt: Ganz werde die Verwaltung dem Anspruch, den der Titel "papierloses Amt" suggeriert, nie gerecht werden können. Briefe an den Bürger müssten natürlich weiterhin ausgedruckt werden, wenn auch nur noch einmal - die Kopie für die Akte entfällt.

Und: Der Gesetzgeber schreibt zurzeit noch ausdrücklich vor, dass bestimmte Dokumente in Papierform vorliegen müssen. Dazu zählten, so Banerjea, insbesondere Personalakten, Atteste, Berichte über amtsärztliche Untersuchungen, notarielle Beglaubigungen sowie nahezu das gesamte Standesamt. Partho Banerjea: "Erst in ein paar Jahren werden wir genauer wissen, ob und in welchem Maße wir auch in diesen Bereichen auf Akten aus Papier verzichten können."