Bei der Ersatzpflanzung für gefällte Stämme, wird Harburg von der Behörde mit zu wenig Geld ausgestattet

Harburg. In Harburg kreist die Axt: 227 Bäume auf öffentlichem Grund mussten dieses Jahr schon fallen, weil sie entweder tot, mit Schädlingen befallen, von Streusalz zerfressen oder zu eng an anderen Bäumen standen. Im Einzelnen traf es 31 Straßenbäume in Harburg und 36 in Süderelbe. Die Kettensägen wurden auf Friedhöfen (13 Bäume), in Parkanlagen (55 Bäume), und auf Sportplätzen (88 Bäume) angeschmissen. Vier Bäume fielen auf sonstigen Flächen.

Der Knackpunkt: Die Bezirksverwaltung hat zu wenig Geld im Haushaltsbudget, um nachzupflanzen. Das sickerte beim jüngsten Umweltausschuss durch, als Vertreter des Bezirksamtes erläuterten, dass dafür keine Mittel von der Umweltbehörde zur Verfügung gestellt werden. Nachpflanzungen von gefällten Straßenbäumen könnten daher nur noch bei Sonderaktionen wie "Mein Baum - meine Stadt" erfolgen. Und bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) um mehr Geld zu bitten, so der stellvertretende Bezirksamtsleiter Dierk Trispel, "ist gewöhnlich nicht erfolgreich".

Das sah indes im vergangenen Jahr, als Hamburg Umwelthauptstadt war, noch anders aus. "In jener Zeit standen aus dem Programm 'Mein Baum, meine Stadt' 400 000 Euro zur Verfügung. Davon konnten wir 350 Bäume nachpflanzen", so Behördensprecherin Beatrice Göhring. 2012 wurde Harburg von der BSU nicht so üppig ausgestattet. Nur 32 000 Euro beinhaltet die Rahmenzuweisung für Hamburgs Süden, zuzüglich 100 000 Euro für Pflegemaßnahmen. "Da es, je nach Standort, bis zu 2500 Euro kostet, einen Baum zu setzen, konnten wir dieses Jahr leider nur 45 Bäume nachpflanzen. Mehr ist nicht drin", sagt Göring.

Bei der Aktion "Mein Baum, meine Stadt" wurden Bürger hamburgweit zu Baumspenden aufgerufen. Spender haben insgesamt 300 401,93 Euro zusammengebracht, mit denen 601 zusätzliche Bäume gepflanzt werden konnten. Mittels dieser Kampagne kamen 2612 Straßenbäume in die Erde. Dadurch konnten von Anfang Oktober bis Ende Dezember 2011 alle seit zehn Jahren fehlenden Straßenbäume ersetzt werden, heißt es in einer Pressemitteilung der BSU.

Und damit hat es sich zumindest in Harburg. Aus dem Haushaltstopf für Flächen- und Grünpflege, der immerhin 400 000 Euro beinhaltet, so Behördensprecherin Göhring, könne man sich nicht bedienen, denn dieses Geld sei zweckgebunden.

Andere Bezirke kommen besser weg. So erhielt Mitte im Umwelthauptstadtjahr 460 000 Euro an Rahmenzuweisungen für Pflegemaßnahmen an Bäumen, 300 000 Euro wurden dieses Jahr ausgeschüttet. "Oben drauf" kommen noch einmal 590 000 Euro für die Pflege von Grünflächen und Parkanlagen - 2011 gab es dafür 610 000 Euro, so Mitte-Sprecher Lars Schmidt von Koss. 2011 bekam Eimsbüttel 189 000 Euro für Nachpflanzungsmaßnahmen und Abholzungen, "2012 sind es immerhin noch 150 000 Euro", sagt Pressesprecher Stephan Glunz. Bergedorf hat für 2012 886 000 Euro (2011 waren es 1,53 Millionen Euro) im Grüntitel, davon werden 361 000 Euro (gegenüber 353 000 Euro in 2011) unter anderem für Fällungen und Nachpflanzungen ausgegeben, sagt Sprecher Andreas Aholt. Harburgs Politiker sind sauer. "Es ist eine Schande, dass der Bezirk vom Senat kein Geld für Nachpflanzungen von gefällten Straßenbäumen mehr erhält", sagt Ralf Kempgen, umweltpolitischer Sprecher der FDP. Und Ralf Dieter Fischer, Chef der CDU-Fraktion: "Wieder mal wird Harburg im Vergleich mit anderen Stadtteilen mit einem Taschengeld abgespeist. Der Süden stellt sieben SPD-Bürgerschaftsabgeordnete. Es ist deren Job, sich für Harburg stark zu machen. Aber da passiert offenbar gar nichts."

Bäume seien wichtig für einen Stadtteil, in dem sich jeder wohlfühlen soll, stehen für Lebensqualität. "Nachpflanzungen sind unverzichtbar", so Fischer. Er fragt sich, wie ernst vor diesem Hintergrund die Baumpflanzaktionen im Rahmen von "Mein Baum, meine Stadt" von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Umweltsenatorin Jutta Blankau zu nehmen sind. Blankau hatte vor einigen Wochen in Neuwiedenthal eine Ulme gepflanzt und gegenüber dem Abendblatt betont, wie wichtig Baumpflanzungen gerade für Stadtteile mit Familien mit geringem Haushaltsbudget sind: "Bäume vor der Haustür sind ein Stück Heimat, auch für Menschen, die finanziell nicht so gut ausgestattet sind." Für Umwelt und Nachhaltigkeit in der Stadt, so Blankau weiter, gebe es kein besseres Zeichen als den Straßenbaum. Alles nur Kosmetik, so Fischer. "Außerdem kann es nicht Sache des Bürgers sein, mittels Spenden dafür zu sorgen, dass überhaupt nachgepflanzt wird. Das ist ein richtiger Skandal."

Kay Wolkau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bezirksversammlung, hält die Rahmenzuweisungen ebenfalls für "bei weitem nicht ausreichend" - die geringe Anzahl der nachgepflanzten Bäume für "besorgniserregend".

Die SPD winkt ab. "Harburg ist gut mit Bäumen ausgestattet. Die geringeren Rahmenzuweisungen im Vergleich mit 2011 haben wir dem Haushaltsentwurf des CDU-GAL-Senats zu verdanken", sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Mehrheitsfraktion.

Keine Ahnung von Harburger Verhältnissen hat man offenbar bei der BSU. Sprecher Björn Marzahn: "Harburg schneidet im Vergleich mit anderen Bezirken nicht schlechter ab. Für 2012 sind weitere 100 Baumpflanzungen in Planung." Seit 2011 stünden dauerhaft 500 000 Euro pro Jahr als zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung, die für Baumpflanzungen genutzt werden sollen. Marzahn: "Finanzmittel, die natürlich auch Harburg beantragen kann."