Rund 24.000 Menschen zelebrierten am Wochenende bunt kostümiert und gut gelaunt Faslam in Winsen und Karneval in Stade.

Stöckte/Winsen/Stade. "Eins, zwei!" - "Faslaaam!" "Drei, vier!" - Faslaaam!" Am Sonntag, einen Tag vor dem heutigen Rosenmontag, standen Stöckte und Winsen ganz im Zeichen des Faslams, dem Karneval für norddeutsche Jecken. 20 000 Zuschauer säumten die Straßen zwischen Stöckte und Winsen. 18 Umzugswagen aus Stöckte und fünf Gastwagen aus Hoopte, Laßrönne, Pattensen und Hanstedt begeisterten die Zuschauer aus der ganzen Metropolregion Hamburg - der Stöckter Faslam ist der größte Faslam in Norddeutschland. Angeführt wurde der Umzug von der Stöckter Garde, dahinter fuhren "Faslamsvadder" Karl Sievers und "Faslamsmudder" Thomas Hornig mit dem Ersten Vorsitzenden der Faslamsbrüder Stöckte, Sebastian Behr auf einer Kutsche.

Bereits am Sonnabend um 15 Uhr setzte sich in der Stader Altstadt das Narrenschiff "Gertrud" der Stader Fasnachtsgilde mit gehissten Segeln in Bewegung und führte einen Zug von etwa 30 bunt kostümierten Gruppen an. Alles verlief nach Plan, bis auf zwei Kleinigkeiten. Zum einen blieb die Gertrud unverhofft in der Altstadt stecken, denn ein Karnevalsfeind hatte mit seinem Auto den Weg zugeparkt, den das Narrenschiff nehmen sollte. Dieses Problem ließ sich beheben. Nicht beheben ließ sich das zweite Problem für die Stader Narren: das Wetter. Während des gesamten Umzugs war es nass und kalt. Dennoch: Die Stimmung unter den 4000 Karnevalisten war ausgelassen. Dafür sorgten auch die Blasorchester, die den Narrenumzug begleiteten und der ein oder andere Schnaps, der an das frierende Publikum verteilt wurde.

In Stöckte buhlen 18 Themenwagen und Fußgruppen jetzt um den ersten Preis. Darunter die Wagen "Baron Münchhausen", "Tierische Reise zum Nordpol - Klimawandel lässt grüßen", "100 Jahre Titanic", "Fiesta Mexicana" und "BILD dir deinenWulff - Wildwest in Berlin". Der Wulff-Wagen strahlte zwei Tage nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten die größte politische Aktualität aus. "Eigentlich wollten wir einen Themenwagen zu 170 Jahre Karl May machen", sagte Uwe Ehlers, 41, von der Baugruppe Ehlers, "aber dann kamen die Skandale um den Bundespräsidenten dazwischen."

Gebaut hatte die 25-köpfige Gruppe bereits die Kalkbergkulisse von den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg. Dann geriet der Bundespräsident in die Bredouille. Also bauten die Stöckter noch einen Marterpfahl mit Wulff-Schlagzeilen aus der Bild-Zeitung und einem Bundesadler.

Erst hieß das Motto: "Der mit dem Wullf tanzt", daraus wurde dann noch "BILD dir deinen Wulff". Axel aus Stöckte wurde dazu am Sonntag als Christian Wulff verkleidet an den Materpfahl gefesselt. Dazu tanzten Cowboys und Indianer mit Tomahawk, Pfeil und Bogen auf dem Wagen. 2011 hatte die Baugruppe Ehlers den Faslamsumzug gewonnen - mit dem Wagen "Stöckte 21 - ein Deich ist nicht genug?!".

+++ Straßenumzüge: Faslam und Ahoi! +++

"Ich mache jetzt schon seit 35 Jahren beim Stöckter Faslam mit", sagte Uwe Ehlers. "Nur einmal habe ich flachgelegen wegen einer Mandelentzündung." Was für ihn das besondere am Stöckter Faslam ist? "Im Rheinland", sagt der Faslamsbruder, "baut jeder Verein einen Wagen. In Stöckte hingegen wird der ganze Umzug von einem Verein getragen - den Faslamsbrüdern Stöckte."

Irgendwann im 19. Jahrhundert ist in vielen Dörfern der Elbmarsch und der Nordheide der Faslamsbrauch entstanden. Die Herkunft des Begriffs "Faslam" konnte bisher nicht endgültig ergründet werden. Der Name kommt von den Begriffen Fastelovend (Köln) und Fasnacht her. Wissenschaftliche Untersuchungen hatten ergeben, dass er sich nicht von Faselobend (Plattdeutsch) herleitet.

Noch am Sonnabend waren die Baugruppen in Stöckte voll im Einsatz. Die Wagen mussten den letzten Schliff bekommen. Die Baugruppe Beecken verkleidete am Stöckter Deich einen Dschinni mit Stoff, baute die Musikanlage auf und testete die Hydraulik ihrer Themenwagen "Aladins Wunderlampe - werden Wunder wahr?"

"Nichts ist schlimmer, als wenn man losfährt, und es klappt nicht", sagte Hartmut Beecken, 54. "Der Stöckter Faslam ist kein Vergleich zu den großen Umzügen im Westen. Dort regiert der Kommerz, bei uns in Stöckte steckt noch richtig Herzblut drinnen."

Zweieinhalb Monate hatte die Baugruppe Beecken gebastelt und gebaut. Die Frauen hatten Pumphosen, Westen und Turbane für 37 Baugruppenmitglieder selber genäht. Hartmut Beecken fuhr am Sonntag den Trecker mit Aladins Palast. "Für mich", sagte der Stöckter, "ist der Umzug kein Spaß, weil da sehr viel Verantwortung für meine 36 Leute auf dem Fahrzeug dranhängt. Man muss höllisch aufpassen, dass man die Zuschauer nicht unter die Räder bekommt. Ich bin immer froh, wenn wir wieder heil zu Hause sind."

+++ 12.000 Bremer feiern Samba-Karneval +++

Ursprünglich wurde der Faslam in Stöckte nur von den Knechten und Handwerksgesellen ausgerichtet. Im Laufe der Jahre wurde das Fest dann allen Dorfbewohnern zugänglich. An der Spitze der bunten Schar stehen immer Faslamsmudder und Faslamsvadder, beides Männer. Die bunte Gesellschaft nannte und nennt sich Faslamsbrüder, und so durften damals Frauen aus dem Dorf nicht dazugehören.

Aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg ist bekannt, dass Frauen den doppelten Eintrittspreis zahlen mussten, wollten sie an den Tanzveranstaltungen teilnehmen. Die ersten Satzungen der Faslamsbrüder Stöckte ließen die Mitgliedschaft von Frauen noch nicht zu. Erst im Jahre 2000 wurden Frauen in den Verein aufgenommen. "Das ist leider viel zu spät passiert", sagt Hartmut Beecken. "Frauen durften zwar mitfeiern, aber nicht schnorren und Mitglied sein. Aber wer hat denn immer all die schönen Kostüme gemacht?"

Am Dienstag beginnt ab 20 Uhr die Preisverleihung für die Umzugwagen in Sievers' Gasthaus in Hoopte. 80 Preisrichter waren beim Umzug im Einsatz. Ausklang beim Stöckter Faslam ist wie an Rhein und Main der Aschermittwoch mit dem Frühschoppen.

Die Faslamsbrüder Stöckte haben ein Lied, das sie jedes Jahr singen: das Faslamslied. Es wurde schon in der Zeit des ersten Weltkrieges gesungen wurde, ist aber wohl noch älter. Am heutigen Rosenmontag singen es die Faslamsbrüder in Stöckte, wenn sie von Tür zu Tür ziehen und Eier, Schnaps, Mettwürste und Geld schnorren:

"Und alle Faslamsbrüder, die leben so wie wir.

Sie legen sich besoffen nieder,

stehen auf und saufen wieder."