Detlef Naumann kämpft seit Jahren darum, seine Tochter regelmäßig zu sehen. Jetzt gründete er einen Verein. Vorwürfe an Landkreis Harburg.

Harburg/Winsen. Er hätte damals nur das Sorgerecht für seine Tochter beantragen müssen. Detlef Naumann weiß, wenn er das getan hätte, wäre sicherlich vieles anders und manches besser gelaufen. "Meine damalige Partnerin hätte dem aber zustimmen müssen", sagt er. Das wollte sie jedoch nicht, und so blieb es dabei, dass nur die Mutter, mit der Naumann nicht verheiratet war, das Sorgerecht für die kleine Miriam (Name geändert) behielt.

Fast 13 Jahre ist das mittlerweile her. Miriam ist älter geworden, ein Mädchen an der Schwelle zur Pubertät - und für seinen Vater ein nahezu unbekanntes Wesen. "Seit November 2005 habe ich meine Tochter höchstens zehn Mal gesehen", sagt der 51-jährige Harburger, und dabei klingt eine Spur Verzweiflung in seiner Stimme mit.

Unaufhörlich habe es im Laufe der Jahre seitens der Mutter Verzögerungen und Verweigerungen bei den Besuchen gegeben, obwohl es gerichtlich festgelegte Regelungen gab, erzählt er. Ihr Argument: Das Kind müsse zur Ruhe kommen. Für den Kommunikationswirt bedeutete das einen jahrelangen Gerichtsmarathon mit immer neuen Gutachten, Anträgen, Beschlüssen und Ablehnungen. Er wollte für seine Rechte kämpfen, doch erfolgreich war er damit nicht.

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Weil Detlef Naumann sich nicht damit abfinden will, dass sein Kind ihn kaum kennt, hat er sich jetzt zu zwei Schritten entschieden. Zum einen hat er den Verein Blauer Weihnachtsmann gegründet, der sich für eine wirkliche Gleichstellung von Männern und Frauen beim Sorge- und Besuchsrecht einsetzt und sich jeden vierten Dienstag von 19 Uhr an in der Harburger Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS) trifft. Die Farbe Blau symbolisiert dabei die Kälte, die Kinder von getrennt lebenden Eltern vor allem zum Weihnachtsfest erleben.

Zum anderen hat er beim Verwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen Joachim Bordt, Landrat des Landkreises Harburg, eingereicht. Als oberster Dienstherr des Jugendamtes in Winsen sei er verantwortlich für die Mitarbeiter im Jugendamt und deren Handeln. Gegenstand der Klage ist die "wiederholte Verweigerung der Mitwirkung nach dem Jugendhilfegesetz", wie es Naumann, der früher im Landkreis Harburg lebte, formuliert. Das Jugendamt sei verpflichtet, Gerichtsbeschlüsse umzusetzen. Und wenn es das wiederholt nicht tue, müsse er dagegen Rechtsmittel einlegen.

Konkret geht es dabei um einen Beschluss des Oberlandesgerichts Celle. Das hatte im Oktober vergangenen Jahres entschieden, dass Naumann von Dezember 2011 an einmal monatlich für mindestens zwei Stunden begleiteten Umgang mit seiner Tochter haben darf. Das Jugendamt des Landkreises Harburg sollte die Umgangsbegleitung vermitteln und planen. Begleitet sollte der Umgang deshalb sein, weil es lange Zeit keinen Kontakt zwischen Vater und Tochter gegeben hatte und er auf diese Weise wieder vorsichtig angebahnt werden sollte.

Doch anstatt direkt einen Termin für das Treffen abzumachen, gab es am 20. Dezember zunächst einen Gesprächstermin. Als die Jugendamtsmitarbeiterin diesen erst zwischen die Feiertage und dann auf den Januar verschob, riss Detlef Naumann der Geduldsfaden. Er fragt: "Wie kann es sein, dass es ständig Verschiebungen und Verzögerungen gibt, ohne dass das Konsequenzen hat?"

Verzweifelte Rufe wie diese sind für Barbara Stiels keine Seltenheit. Die Leiterin der Abteilung Jugend und Familie beim Landkreis Harburg weiß, wie emotional die Betroffenen reagieren, wenn es um ihre Kinder geht, und welches Ausmaß gerade Sorgerechtskonflikte annehmen können. Die Sichtweisen der Eltern seien oft festgefahren, eine objektive Wahrnehmung der Situation sei oft nicht mehr möglich. "Unsere Aufgabe ist es vor allem, das Kind in den Mittelpunkt zu stellen", sagt sie.

Dass es in Detlef Naumanns Fall sogar zu einer Klage gegen den Landkreis kam, sei die absolute Seltenheit, betont sie. Das belegen auch die Zahlen für das Jahr 2010. Von 316 Trennungen im Landkreis liefen 282 Fälle darauf hinaus, dass beide die elterliche Sorge behalten wollten. Bei den Trennungen sind sowohl verheiratete als auch nicht verheiratete Elternpaare berücksichtigt worden.

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Das Jugendamt bietet allen eine Beratung an, auf die aber längst nicht alle zurückgreifen. "Bei den 282 Fällen gab es 89 Mal eine Mediation", sagt Barbara Stiels. Das heißt, im Jugendamt wird eine Vereinbarung zum Umgangs- oder Sorgerecht getroffen. Bleiben 34 von den 316 Elternpaaren, bei denen es komplizierter war und die Sache vors Gericht ging. "Bei 30 von ihnen gab es einen Beschluss vom Amtsgericht, nur vier gingen weiter ans Oberlandesgericht." Die Mehrheit der Fälle gehe also gut aus, so ihr Resümee.

Im Gegensatz zu früher sei es heute zudem so geregelt, dass nicht automatisch allein die Mutter die elterliche Sorge hat, erklärt Jörg Schwarz, Leiter des Sozialen Dienstes. Die Väter seien in einer besseren Position, da beide die elterliche Sorge beantragen könnten. Hinzu kommen die beschleunigten Verfahren bei Trennungen, die es ebenfalls zuvor nicht gab. "Bereits nach vier Wochen gibt es eine Anhörung, damit sich das Verfahren nicht ewig zieht und Eltern und Kind nicht so lange in der Schwebe sind", sagt Schwarz.

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Oberste Ziel bei allen Regelungen sei immer, dass das Kind Kontakt zu beiden Elternteilen hält, macht Barbara Stiels klar. Denn das sei das Wichtigste. Man sage nicht mehr: Der eine ist besser geeignet als der andere, vielmehr gehe es um die gemeinsame Verantwortung für das Kind. Wie aber kann es dann sein, dass es so wie bei Detlef Naumann oftmals dennoch zu monatelangen Aussetzern bei den Besuchszeiten kommt? Auf den Fall selbst will Barbara Stiels nicht eingehen, sondern nur auf die allgemeine Regelung. "Wenn ein Elternteil verweigert, geben wir den Fall wieder ans Gericht, damit er neu geregelt wird." Im äußersten Fall könne ein Gericht auch ein Zwangsgeld verhängen, wenn es immer wieder Absagen, Verschiebungen und Verzögerungen gebe. "Wir selbst können aber nicht sanktionieren, sondern nur darauf verweisen, dass es ansonsten auch ums Sorgerecht geht."

Für Detlef Naumann sind solche allgemeinen Aussagen nur ein schwacher Trost. Für ihn ist es Realität, dass er seine Tochter kaum kennt. Eine kleine Hoffnung gibt es dennoch. Wenn ein Kind volljährige werde, mache es sich oft auf die Suche nach seinen Wurzeln, sagt Jörg Schwarz. Es wolle dann auch seinen Vater oder seine Mutter besser kennen lernen, je nachdem, bei wem es zuvor gelebt hat. Dann könne sich alles noch einmal ändern und eine neue Beziehung sei möglich.