Der Synchronsprecher und Schauspieler Sascha Rotermund über große Kollegen, seine Arbeit und das Kammermusical “Das Orangenmädchen“.

Harburg. Der Hamburger Schauspieler Sascha Rotermund, 37, ist die deutsche Synchronstimme von Omar Sy, der zurzeit für seine Rolle als draufgängerischer Pfleger in dem französischen Kinoerfolg "Ziemlich beste Freunde" gefeiert wird. Deutsche Fernsehzuschauer kennen ihn auch als die Stimme von Golden-Globe-Preisträger Jon Hamm in der beliebten US-Serie "Mad Men". Im Harburger Theater können die Besucher ab heute auch sein Gesicht sehen. Zusammen mit seiner Frau, dem Musicalstar Carolin Fortenbacher, steht Sascha Rotermund in dem Kammermusical "Das Orangenmädchen" auf der Bühne. Das Abendblatt sprach mit dem Mann, dessen Gesicht wenige, dessen schöne sonore Stimme beinahe alle Fernsehzuschauer in Deutschland kennen.

Hamburger Abendblatt:

Sie waren schon die deutsche Stimme der Hollywoodstars Christian Bale, Jeff Bridges und Joaquin Phoenix. Glauben jetzt alle Leute, dass Sie deshalb besonders reich sein müssten?

Sascha Rotermund (lacht):

Ja, das ist wirklich ein weit verbreiteter Irrglaube. Die meisten Menschen kommen sofort auf die Idee, dass ich damit so viel Geld verdienen müsste, dass ich ausgesorgt hätte. Das ist nicht der Fall. Wenn ich eine Hauptrolle spreche, werde ich einmal für drei bis fünf Tage Arbeit bezahlt, das war's. Tantiemen oder Ähnliches gibt es für Synchronsprecher nicht. Die Gage ist ordentlich, aber nicht mit Gagen für Schauspieler beim Fernsehen vergleichbar. Es ist weniger.

In dem US-Thriller "Public Enemies" synchronisieren Sie einen FBI-Agenten, dem mächtig Blei um die Ohren fliegt. Wie bringen Sie sich in Stimmung für solche Actionszenen, wenn Sie da im Studio vor dem Mikrofon sitzen?

Rotermund:

Ich sehe mir zusammen mit der Regie im Studio die jeweilige Szene sehr genau an. Ich habe als Schauspieler gelernt, Emotionen zu erzeugen. Ich stehe vor dem Mikrofon und spiele das nach, was ich zuvor im Original gesehen habe. Nur ohne mich zu bewegen. Durch Imagination spiele ich die Szene, aber konzentriere mich dabei auf die Sprache. Dass ich mich bei den Aufnahmen nicht bewegen darf, fällt mir allerdings oft schwer, da der Körper beim Spiel natürlich hilft. Die Tonmeister haben oft ihre liebe Not mit mir, weil das Hemd geraschelt hat oder ich plötzlich zehn Zentimeter weiter links vorm Mikro stehe und da natürlich anders klinge. Aber eben auf das Schauspiel kommt das an: Eine Szene oder eine Rolle muss entsprechend nachgespielt werden, es geht nicht ausschließlich um den Klang einer Stimme. Sie müssen sich die Arbeit im Studio so vorstellen: Vor mir liegt ein penibel vorbereitetes Synchron-Dialogbuch, in dem sogar jeder Atmer und jeder Räusperer vermerkt ist. Wir nehmen in sogenannten Takes auf. Ich spreche also in der Regel etwa fünf Sekunden lange Sequenzen. So arbeiten wir uns Schritt für Schritt durch die Dialoge, die am Ende wie aus einem Guss klingen müssen.

Sie synchronisieren Darsteller aus mehreren bekannten Fernsehserien, "Dr. House" oder "Navy CIS". Müssen Sie da bei den Aufnahmen gleich 20 Folgen am Stück sprechen?

Rotermund:

Das kommt darauf an, wie viel Material dem Studio vorliegt und wie groß die jeweilige Rolle ist. Der Produktionszeitraum für vier Folgen einer Fernsehserie liegt bei etwa zwei bis drei Wochen.

Hätten Sie gern Jeff Bridges in "The Big Lebowski" synchronisiert?

Rotermund:

Das hat mein Kollege Joachim Tennstedt ja unschlagbar gut gemacht. "The Big Lebowski" gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Dass ich Jeff Bridges in "Philadelphia Clan" sprechen durfte, habe ich als kleinen Ritterschlag empfunden, da ich ein großer Fan von ihm bin. Aber das war eine einmalige Sache: Jeff Bridges ist ja deutlich älter als ich. Der Film stammt aus dem Jahr 1979 und ist erst viele Jahre später ins Deutsche synchronisiert worden. Deshalb passte meine Stimme zu dem damals jungen Jeff Bridges. Für mich persönlich gehört "Ziemlich beste Freunde" zu den Höhepunkten der Filme, die ich synchronisieren durfte.

Wahrscheinlich ist das eine zu romantische Vorstellung, aber: Lernen Sie die Stars, dessen deutsche Stimme Sie sind, auch mal persönlich kennen?

Rotermund:

Nein, das ist mir noch nicht passiert. Wenn die großen Filmproduktionen in Deutschland Premiere haben, dann werden dazu auch mal die Synchronsprecher eingeladen. Aber, dass die Stars sagen "Los komm' mit feiern", das kommt in den seltensten Fällen vor.

Ihre Stimme ist Ihr Kapital. Gibt es etwas, dass ein Synchronsprecher nicht essen und trinken darf?

Rotermund:

Nein, man muss grundsätzlich auf seine Gesundheit achten. Aber ich habe nicht ständig ein Tuch um den Hals. Und manche sind irritiert, dass ich ab und zu rauche. Auf der Schauspielschule habe ich gelernt, mit meiner Stimme schonend umzugehen.

Wie schützen Sie sich vor Erkältung?

Rotermund:

Ich habe ein gutes Immunsystem. Mein Tipp, wenn der Hals kratzt, ist ganz klassisch: viel Heißes trinken und gegen eine aufkeimende Grippe Schlaf und heiße Zitrone.

Beim Film sind Sie oft die Stimme von harten Jungs. Im Harburger Theater spielen Sie einen verliebten jungen Mann. Was bedeutet Ihnen das Theaterspiel?

Rotermund:

Alles! Das Theaterspiel ist die Wiege meines Berufes. Aber ich habe früh begonnen, alle Facetten meines Berufes auszuprobieren: das Synchronisieren, das Einlesen von Hörbüchern und natürlich vor der Kamera und auf der Bühne zu stehen. Mir macht das alles Spaß. Der Inhalt muss stimmen, dass ist das Wichtigste. Das Kammermusical "Das Orangenmädchen" ist mein erstes Engagement am Altonaer und Harburger Theater. Ich bin Schauspieler, das Singen hat bei mir mit 14 als Hobby begonnen und ist durch das Theater zu einem weiteren Teil meines Berufes geworden. Darüber hinaus bin ich Sänger einer Jazzband.

Was ist so wunderbar an dem "Orangenmädchen"?

Rotermund:

Es ist eine warmherzige, anrührende, aber nicht kitschige Geschichte, sehr schön erzählt und mit wunderbarer Musik. Die Bühneninszenierung ist kein klassisches Showmusical, sondern ein Kammermusical. Das bedeutet: Die Szenen des Stücks werden musikalisch erzählt.

Sie sind Neu-Eppendorfer. Was verbindet Sie mit dem Stadtteil Harburg?

Rotermund:

Ich habe Kollegen, die dort sehr gerne leben. Bei Harburg denke ich an Heinz Strunks "Fleisch ist mein Gemüse", und mir fallen noch die Phoenixwerke ein. Vor Jahren bin ich mal als Besucher im Harburger Theater gewesen und habe das Stück "Drei auf der Schaukel" gesehen. Mehr, das muss ich ehrlich sagen, verbindet mich zunächst nicht mit dem Stadtteil. Für unser Stück geprobt haben wir in St. Georg, dort befindet sich die große Probebühne des Theaters. Ich darf also auf Harburg gespannt sein.