Auch eine Podiumsdiskussion bringt Bürger und Ratsmehrheit in Tostedt zum Thema Neubau nicht zusammen

Tostedt. Die Luft ist stickig, die Atmosphäre geladen. Fast 400 Leute sitzen im Saal, 13 am Podiumstisch. Georg Krümpelmann, Sprecher des Landkreises Harburg, sitzt in der Mitte des Tisches und soll die Podiumsdiskussion moderieren. Seine Einladung verdankt er der Tatsache, dass er in Tostedt lebt. Zu seiner Rechten sitzen die Rathaus-Anbau-Gegner, zu seiner Linken die Fraktionschefs aus dem Tostedter Samtgemeinderat, die heute Abend für den 3,8 Millionen Euro teuren An- und Umbau des Tostedter Rathauses sprechen wollen. Im Publikum sitzen Gegner und Befürworter, akkurat nach Tischen getrennt. In Tostedt ist der geplante Rathaus-Anbau Gesprächsthema Nummer 1 - auf der Straße, im Rathaus und heute Abend eben im Hotel "Zum Meierhof". Gastgeber des Abends ist die Samtgemeinde. Es ist der Versuch, die Wogen zu glätten und mit Argumenten für den Ratsbeschluss zu werben.

Die Polizei soll nach dem Umbau ins Rathaus ziehen

Der Samtgemeinderat hatte im März mit einer Dreiviertel-Mehrheit beschlossen, einen Rathaus-Anbau und einige Umbauten im Rathaus in Auftrag zu geben. Der alte "Springerbau" soll abgerissen werden. Die Verwaltung soll Platz im neuen Anbau finden, die Polizei, derzeit 15 Beamte in Containern untergebracht, sollen dann ins Rathaus ziehen (das Abendblatt berichtete mehrfach).

Seit Wochen werden gegen diese Pläne in der Samtgemeinde Unterschriften gesammelt. Ratspolitiker, einige von ihnen haben schon im Samtgemeinderat gegen die Pläne gestimmt, haben einen Bürgerentscheid ins Rollen gebracht - mit großem Erfolg. 6239 Unterschriften werden jetzt im Rathaus abgegeben.

Die Fronten sind klar: Während für die Befürworter die 3,8 Millionen-Euro-Lösung finanziell machbar und dringend ist, um die Polizei im Ort an prominenter Stelle unterzubringen und für die Verwaltung mehr Platz zu schaffen, halten die Gegner die Pläne für völlig überdimensioniert. Auch sie wollen die Polizei im Ort halten, auch möglichst neben dem Rathaus. Dafür reiche aber ein rund eine Million Euro teurer Neubau auf dem Rathausgelände.

"Ich erhoffe mir von diesem Abend, dass wir zuerst die Fakten sammeln und anschließend gegenüberstellen, damit sich die Zuhörer ein vernünftiges Bild von der Sache machen können", wünscht sich Moderator Krümpelmann und eröffnet die Diskussion. Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann (CDU) und sein Vertreter Stefan Walnsch machen den Handlungsbedarf aus Sicht der Verwaltung deutlich. Walnsch: "Das Bürgerbüro mit 200 bis 250 Besuchern in der Woche und das Familienbüro mit etwa 100 Besuchern in der Woche stoßen an ihre räumlichen Grenzen. Wir brauchen diesen Anbau, um den erstklassigen Service im Tostedter Rathaus aufrecht erhalten zu können. Der Vorwurf, es gehe hier um Luxus für die Verwaltung und das Ganze sei ein Schnellschuss, den können wir nicht akzeptieren."

Uwe Baden, CDU-Ratsmitglied im Tostedter Samtgemeinderat und Mitinitiator des Bürgerbegehrens, konterte: "Ich sehe diesen Bedarf absolut nicht. Viele meiner Fraktionskollegen hatten damals im März Bauchschmerzen bei dieser Abstimmung. Vier Millionen Euro sind einfach zu viel bei einer Verschuldung der Samtgemeinde von 15 Millionen Euro. Wir sollten hier eher darüber reden, wie diese Schulden abgebaut werden können, als darüber, wie wir weitere Schulden machen können."

Harald Stemmler, Fraktionschef der Tostedter Wählergemeinschaft und Befürworter des Projektes, hat Mühe, sich im Saal durchzusetzen. Nach wenigen Sätzen wird er vom Publikum mit Buh-Rufen übertönt. Seine Argumente für das Projekt finden kaum Gehör. In seiner Wählergemeinschaft scheint es ihm derzeit auch nicht besser zu gehen. "Harald Stemmler hat das Problem im Moment, dass diese Entscheidung im Samtgemeinderat nicht vernünftig abgesprochen war mit der Basis. Die nämlich ist gegen den Anbau", hieß es am Rande der Podiumsdiskussion von einem Mitglied der Wählergemeinschaft.

Inzwischen, fast drei Stunden später, ist die Luft im Saal zum Schneiden dick.

Eine Annäherung der Positionen ist in weite Ferne gerückt

Die Fakten, beide Seiten interpretieren sie auf ihre Weise, sind gesammelt. Neue Argumente für oder gegen das Projekt kamen nicht auf den Tisch. Der Vorwurf aus dem Publikum, die Verwaltung nutze das Raumproblem der Polizei lediglich, um "sich gleich räumlich zu verbessern", steht im Raum. Eine Annäherung von Gegnern und Befürwortern aber ist in weite Ferne gerückt. Ein Zuhörer bringt es auf den Punkt: "Mir konnte bisher aber immer noch niemand erklären, warum wir unbedingt diesen Anbau für fast vier Millionen Euro brauchen und nicht für eine Millionen Euro einen Neubau für die Polizei, die hier, das glaube ich ganz sicher, alle im Ort behalten und gut unterbringen wollen, bauen können."

Bostelmanns Versuch, mit dieser Podiumsdiskussion die Vorteile des Rathaus-Anbaus zu transportieren, scheint auch nach diesen drei Stunden gescheitert. Er nehme die Bedenken der Menschen in Tostedt ernst und sei durch diesen Abend "doch etwas nachdenklich geworden", sagte er zum Schluss der Diskussion. Stemmler: "Ich sehe dem Bürgerentscheid ganz gelassen entgegen. Denn ich glaube nicht, dass der Entscheid den Hauch einer Chance hat, die vernünftige Planung der Samtgemeinde zu kippen."