Eine Berufsmesse der Handwerkskammer für Menschen, die aus anderen Ländern kommen

Harburg. Marina Wachtel ist 35 Jahre alt und lebt seit zehn Jahren in Hamburg. Sie kommt aus Russland und macht gerade einen Sprachkurs, um noch besser Deutsch zu sprechen. Sie lebt in Eidelstedt und erzieht drei Kinder - elf, vier und drei Jahre alt.

Jetzt ist es an der Zeit, einen Beruf zu erlernen, findet Marina Wachtel - und besuchte am Freitag gemeinsam mit ihrer Freundin Iryna Ghahreman, 35, die Berufsmesse "Job-Kontakt 2010" im Harburger Elbcampus, dem Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Hamburg.

Das Besondere an der Berufsmesse: Sie wendet sich an Menschen, die aus anderen Ländern kommen - an "Menschen mit Migrationshintergrund", wie es auf Neudeutsch heißt. An zwei Tagen kommen rund 3000 junge Frauen und Männer zu den Informationsständen von Firmen, Verbänden, der Agentur für Arbeit und team.arbeit.hamburg. Auch am Sonnabend öffnet "Job-Kontakt" noch von 10 bis 15 Uhr die Pforten: Zum Handwerkszentrum 1 am S-Bahnhof Harburg.

Jeder zweite unter 18-Jährige hat einen Migrationshintergrund

Auch Iryna Ghahreman kommt aus einem anderen Land, der Ukraine, hat zwei Kinder, zehn und drei Jahre alt, und lebt auch seit zehn Jahren in Hamburg. Gemeinsam mit Marina Wachtel besucht sie den Deutsch-Kursus. Und noch eine Gemeinsamkeit haben die beiden Freundinnen: Beide können sich gut vorstellen, Bäckerin zu werden.

So wenden sich die beiden am Freitag an den Vollkorn-Bäcker Thomas Effenberger, 53. "Wenn man Kinder hat, ist es schwer eine Ausbildung zum Bäcker zu machen", sagt Marina Wachtel. "Dann muss der Mann eben morgens aufstehen", sagt der Bäcker. Und gibt den beiden Freundinnen noch einen Tipp: Es gibt auch Betriebe, die Teilzeitangebote für Auszubildende anbieten.

"Jeder dritte Auszubildende in meinem Betrieb kommt aus dem Ausland", sagt Thomas Effenberger. Zurzeit lernen eine Bolivianerin, ein Puerto Ricaner, eine Spätaussiedlerin aus Russland und eine Brasilianerin bei mir. Diese jungen Menschen wollen teilhaben an Arbeit und Erfolg."

Ein Ukrainer aus Neu Wulmstorf mit zwei Diplomen in Verwaltungswesen und Recht drückt Thomas Effenberger eine Bewerbungsmappe in die Hand. Er fragt, ob er in der Ukraine ein Franchise-Unternehmen aufmachen könnte. Kann er nicht, sagt Thomas Effenberger, "aber ich kann Sie zum Bäcker, Konditor und Fachverkäufer ausbilden und Ihnen später bei der Selbstständigkeit helfen." Am Montag kommt der Neu Wulmstorfer zu einem Aufnahmetest zu Effenberger, absolviert danach ein zweiwöchiges Praktikum und bekommt dann, wenn alles gut läuft, einen Ausbildungsvertrag.

Bei einem Senatsempfang für die Messe sprachen sich Gernot Grohnert, Vizepräsident der Handwerkskammer Hamburg, und Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) für die Vielfalt auf dem Hamburger Arbeitsmarkt aus. "Schon jetzt haben 50 Prozent der unter 18-Jährigen einen Migrationshintergrund. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, dass wir auf diese Gruppe mit gezielten Aktionen zugehen", sagte Gernot Grohnert. "Von über 15 000 Hamburger Handwerksbetrieben werden 3 400 von einem Inhaber mit ausländischem Pass geführt. Das Handwerk übernimmt somit eine große Verantwortung in der Integration", sagte Gernot Grohnert.

"In Zeiten des demografischen Wandels kann sich niemand leisten, auf gute Arbeitskräfte zu verzichten", sagte Sozialsenator Dietrich Wersich. "Deshalb gilt es heute mehr denn je, die Talente und Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund zu nutzen. Dem Versprechen ,Aufstieg durch Bildung' müssen für Migranten offene Unternehmen und Arbeitgeber gegenüberstehen, die dieses Versprechen auch einlösen. Die Initiative der Handwerkskammer zur Messe 'Job-Kontakt' finde ich dafür ganz besonders gelungen."

Sergej Metzger, 19, kam vor sechs Jahren aus dem russischen Omsk nach Neuwiedenthal.

Berufskraftfahrer und Fahrlehrer sind krisensichere Berufe

Er spricht gut Deutsch, mit dem Lesen und Schreiben hat er Schwierigkeiten - er hat keinen Schulabschluss, aber einen festen Berufswunsch: Er will Berufskraftfahrer im Güterverkehr werden. "Schon als Kind wollte ich immer Lkw-Fahrer werden."

Margarete Langer, 28, vom Institut für Verkehrspädagogik in Bahrenfeld spricht mit Sergej Metzger: Er könnte im Institut in vier Monaten den Lkw-Führerschein erwerben und danach ein Praktikum in einer Firma machen. "80 Prozent unserer Teilnehmer haben einen Migrationshintergrund", sagt Margarete Langer. "Ihren Pkw-Führerschein haben sie alle in Deutschland gemacht." Vier Fünftel der Absolventen bekämen später eine Job als Berufskraftfahrer, sagt Vertriebsleiter Frank Müller, 46.

Und noch einen Beruf kann er sehr empfehlen: Fahrlehrer. "Das ist ein Beruf, der keine Nachkömmlinge hat." Voraussetzung: ein anerkannter Berufsabschluss oder Abitur sowie gute Deutsch-Kenntnisse und ein Pkw-Führerschein. Müller: "Jeder Dritte, der einen Fahrschullehrerkursus bei uns macht, spricht zwei Sprachen. Unsere Absolventen kommen später alle in ein festes Arbeitsverhältnis."