Junge Buchholzer protestieren eine Woche lang gegen geplanten Geflügelmastbetrieb

Buchholz. Feine Nuancen in der Sprache bringen ihre Lebenseinstellung zum Ausdruck: "Wir sagen nicht, wir haben ein Tier", macht Marlene Meyer deutlich. "Sondern wir leben mit einem Tier." Die 18 Jahre alte Schülerin aus Buchholz gehört zur Szene der Tierbefreier. Das bedeute nicht, dass sie nachts in Ställe oder Versuchslabore eindringe, um Tiere frei zu lassen. Vielmehr sei es eine philosophisch-ethische Haltung. Sie lebe aber nach dem Grundsatz, dass Menschen kein Eigentum an Tieren erwerben könnten. So isst Marlene keine tierischen Produkte und trägt keinen Gürtel aus Leder.

Tiere in Zoos, Zoohandlungen oder im Zirkus - all das lehnt auch Marlenes Schwester Katharina ab. Die 19 Jahre alte Frau hat gerade ihr Abitur gemacht. Das "feiert" sie auf eine ganz eigene Weise: Zusammen mit etwa 15 bis 20 Tierbefreiern, meist junge Leute aus Buchholz, hält sie in dem kleinen Park nahe des Buchholzer Rathauses eine Mahnwache. Eine Woche lang, noch bis zum kommenden Donnerstag. Die Tierbefreier protestieren damit gegen den Bau einer Hähnchenmastanlage des Landwirts Gerhard Eickhoff in Sprötze.

Mehr als 36 000 Küken sollen später in dem 1800 Quadratmeter großen Bau zu Hähnchen gemästet werden. Der Landkreis Harburg hat das Vorhaben genehmigt. Als still und leise kritisieren die Tierbefreier das Genehmigungsverfahren. Nur veröffentlicht im Amtsblatt. So, dass kein Widerstand möglich gewesen sei.

Jedes zweite deutsche Hähnchen wird in Niedersachsen gemästet

Die Hähnchenmast wächst in Deutschland. Der Verbrauch steigt nach Angaben der Landwirtschaftskammer Hannover pro Jahr um vier Prozent. Niedersachsen trägt ganz besonders dazu bei: Jedes zweite deutsche Hähnchen wird in dem Agrarland gemästet. Niedersachsens neue Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU) kommt aus der Branche.

Katharina Meyer war 13 Jahre alt, als sie Fleisch, Fisch Eiern und Milch entsagte. Eine Dokumentation über den weltgrößten Fleischklopsbräter McDonald's war der Auslöser gewesen. Mit Gleichgesinnten trifft sie sich in einem lockeren Bündnis, der Tierrechtsinitiative Buchholz. Zum Beispiel Lucas Reents (22), der sagt: "Wir sind ganz normale Jugendliche. Nur durchdenken wir unser Leben mehr." Im Gespräch fällt auf: Sinnentleerte Modeworte wie "krass" oder "cool" scheinen die jungen Tierbefreier aus ihrem Sprachschatz verbannt zu haben. Lucas hat schon in vielen deutschen Städten demonstriert. Gegen Pelzbekleidung, gegen Tierversuche.

Verbindungen zu Organisationen wie Greenpeace oder Attac haben die Buchholzer Tierbefreier nach eigenen Angaben nicht. Und zu politischen Parteien schon gar nicht. Wer Herrschaft über Tiere und Menschen ablehnt, den Kapitalismus als Übel ansieht, hat mit den Parteien ein grundsätzliches Problem. "Die Parteien stehen nicht hinter unsere Sache", sagt Jonas, "damit können wir uns nicht identifizieren."

Fotos hängen an einer Wäscheleine - eine Ausstellung über gentechnisch veränderte Soja. Stühle, Sitzbänke, drei Zelte, Gaskocher - so sieht die Mahnwache in dem kleinen Buchholzer Park aus. Das Ordnungsamt der Stadt hat die Sieben-Tage-Demo mit Auflagen genehmigt: Offene Feuer sind untersagt. Die jungen Leute dürfen dort zwar zelten, aber nicht schlafen. Das Ganze solle keinen Camp-Charakter haben. Die Idee zu einer solchen Mahnwache, sagt Katharina, sei bei dem Tierbefreiungskongress im vergangenen Jahr geboren worden, der einmal im Jahr bei der Burg Lohra in Thüringen zusammenkommt.

Menschen gehen kaum an der Mahnwache vorbei - die Lage des Parks ist nicht gerade günstig für eine öffentliche Wirkung. So spielen die Tierbefreier Fußball und Basketball mit Kindern, die sich neugierig zu den zeltenden neuen Spielkameraden gesellen. Am Sonnabendnachmittag dann doch Aufregung: Die Buchholzer Polizei nimmt drei Aktivisten, zwei Frauen und einen Mann, vorübergehend auf die Wache mit. Sie hatten mit Kinderkreide Hinweise auf die Mahnwache auf das Straßenpflaster in der Fußgängerzone gemalt und sich nicht ausweisen wollen. Einige Tierbefreier protestieren lärmend vor dem Polizeirevier - ein Hauch von Schanzenviertel in der Nordheide.

Landwirte sollen sehen, dass es Widerstand gegen Mastställe gibt

Den Bau der Hähnchenmastanlage in Sprötze, das sehen die Buchholzer Tierbefreier realistisch, werden sie nicht verhindern können. "Wir wollen langfristig ein Zeichen setzen", sagt Katharina, "dass die Landwirte merken, es gibt Widerstand gegen Bauvorhaben zur Massentierhaltung."

400 Mastställe, so wird geschätzt, sollen in der Region Hannover entstehen. Zulieferbetriebe für den geplanten Großschlachthof in Wietze im Kreis Celle. Jonas sieht eine Chance, dem Mastbetrieb in Sprötze das Leben im Dorf schwer zu machen. Etwa, wenn Dorfbewohner den Hofladen des Landwirts boykottieren: "Wenn sich Anwohner dagegen aussprechen, merkt Herr Eickhoff, dass seine Mastanlage nicht erwünscht ist."

Jeden Tag gegen 19 Uhr kochen die Tierbefreier während ihrer Mahnwache - und laden die Bevölkerung zu veganer Kost ein. Mit karamellisierten Zwiebeln oder Bärlauch-Paste wollen die Tierbefreier Fleischesser zu einem anderen Lebensstil verführen - eine Revolution, die durch den Magen geht.

Bis Donnerstag, 20. Mai, halten die Tierbefreier noch Mahnwache im Buchholzer Rathauspark. Am heutigen Montag ist die Bürgerinitiative Wietze zu Gast. Das Programm an den nächsten Tagen: Dienstag, 18. Mai, Diskussion über "veganen Lifestyle" (14 Uhr), Information über den Protest gegen das Tierversuchslabor in Mienenbüttel (17 Uhr); Mittwoch, 19. Mai, Kritik an Peter Singer (14 Uhr), kritische Auseinandersetzung mit P.e.t.a. (16 Uhr); Donnerstag, 20 Mai, ab 11 Uhr Presseworkshop, veganer Kochkursus (17 Uhr).