Bei einem unglücklichen Sturz erblindete Dennis M. auf einem Auge. Die ihm zustehenden 50 000 Euro hat er noch nicht bekommen.

Hittfeld. Dennis M. ist 25 Jahre alt. Wochenlang hat der junge Maler und Lackierer das Haus seiner Großeltern renoviert. Nach und nach hat er sich die Möbelstücke gekauft, mit denen er sich sein neues Zuhause in Langenbeck einrichten will. Der junge Mann freut sich auf sein eigenes Reich, das er nach seinem Auszug aus seinem Elternhaus in Hittfeld beziehen wird.

Am Nachmittag des 9. Oktober 2009 trägt er gemeinsam mit seiner Mutter Brigitte M. neue Matratzen über die enge steile Treppe in sein zukünftiges Schlafzimmer im Obergeschoss des Hauses, das Mitte der 50er-Jahre gebaut wurde. Endlich ist das sperrige Ding oben, und Dennis steigt schnell die Treppe wieder hinunter. Am Fuß der Treppe ist das Bad. Dennis muss dringend zur Toilette. Er läuft in das Badezimmer, rutscht auf einer Badevorlage aus und stürzt. Mit seinem linken Auge fällt er in eine viereckige Metallstange einer Badezimmer-Armatur.

Sofort ergießen sich Blut und Augenflüssigkeit auf den Boden. "Ich weiß noch, dass ich auf der Matte ausrutschte, und dann erinnere ich mich wieder daran, dass meine Mutter zu mir kam und mich fragte, was los sei. Dann erinnere ich, dass sie mein Handy nahm und den Krankenwagen rief", sagt Dennis. Der Rettungswagen kam, und Dennis wurde ins Altonaer Krankenhaus gebracht. Nachdem ihn die Ärzte dort untersucht hatten, wurde er in die Augenklinik Heidberg gebracht. Dennis: "Dort hat mir der Arzt gesagt, mein Auge sei sehr schlimm verletzt, und dass ich auf dem linken Auge wahrscheinlich nie wieder etwas würde sehen können. Mein erster Gedanke war natürlich, warum mir so was Blödes passieren musste." Er sei geschockt gewesen, aber er habe zu dem Zeitpunkt doch noch die Hoffnung gehabt, dass er auf dem Auge doch nicht blind werden würde. Noch in dieser Nacht wurde Dennis operiert. Und kurze Zeit später war klar: Dennis' linkes Auge bleibt blind.

Inzwischen arbeitet Dennis wieder in seinem Beruf. "Meine Freunde, Kollegen und mein Chef haben mich im Krankenhaus besucht, das hat mir sehr geholfen, diese Zeit zu überstehen." Auch seine Mutter, die ihn fast täglich in der Augenklinik besuchte, ist sicher, dass ihr Sohn ohne die Anteilnahme seiner Freunde, seiner Familie und seiner Kollegen nie so schnell wieder auf die Beine gekommen wäre. Während Dennis jetzt auf seinen nächsten Termin in der Augenklinik wartet, man wird ihm eine Augenprothese in die linke Augenhöhle implantieren, versucht der junge Mann im Alltag mit einem Auge klar zu kommen. "Ich habe Probleme, Distanzen zu erkennen. Bei der Arbeit ist es noch so, dass ich erst merke, dass ich mit dem Pinsel die Wand schon berühre, wenn ich den Druck spüre. Auch beim Autofahren muss ich mich sehr gut konzentrieren. Vor allem das Einparken geht nicht mehr so einfach." Auf Rolltreppen sieht Dennis nicht, ob die einzelnen Stufen ausgefahren sind oder nicht. Aber inzwischen trifft sich der ehemalige Leistungsschwimmer auch wieder mit Freunden und Kollegen im Fitness-Studio und unternimmt abends etwas. Umgezogen ist er jetzt auch schon.

Während der junge Mann alles daran setzt, um im Alltag mit einem sehenden Auge zurecht zu kommen, weigert sich seine Unfallversicherung, die VGH Versicherungsgruppe, den Schaden zu regulieren. Laut Versicherungspolice stünden Dennis rund 50 000 Euro für sein erblindetes Auge zu. Die VGH steht auf dem Standpunkt, Dennis sei ohnmächtig geworden, habe die Kontrolle über seinen Körper verloren und habe sich daraufhin am Auge verletzt. Aus ihrer Sicht sei da also kein klassischer Unfall passiert, zu dem eine Beeinflussung von außen geführt habe. Die Unfallversicherung könne demnach nicht in Anspruch genommen werden. Den Umstand, dass Dennis auf dem Badteppich ausgerutscht sei, will die VGH nicht als Unfallursache gelten lassen.

"Für den Versicherer reicht es hier nicht aus, mit dem Begriff der Ohnmacht zu jonglieren. Er muss vielmehr zur restlosen Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen, dass eine Ohnmacht nicht nur eingetreten ist, sondern auch den Unfall verursacht hat. Da in dem hier vorliegenden Fall völlig unklar ist, ob Dennis überhaupt ohnmächtig war und wenn ja, wann er denn ohnmächtig gewesen sein soll, wird das Gericht diese strengen Beweisanforderungen niemals erfüllen können", sagt der Buchholzer Fachanwalt für Versicherungsrecht, Jürgen Hennemann.

"Zum Ablauf des von Herrn M. und dessen Anwalt geschilderten Unfallhergangs liegen uns widersprüchliche Angaben vor. Sie betreffen im Kern die Frage, ob es sich um einen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen handelt oder nicht", sagt Christian Worms, Sprecher der VGH Versicherungs-Zentrale in Hannover. Mehr könne er zu dem Fall nicht sagen, weil die VGH ihrem Versicherungsnehmer gegenüber in der Schweigepflicht sei.

Brigitte M.: "Wir sind wirklich sehr enttäuscht. Man schließt doch eine Versicherung ab, um in solchen Fällen geschützt zu sein. Da bezahlt man jahrelang seine Beiträge, und wenn etwas passiert, stiehlt sich die Versicherung aus der Verantwortung. Wir haben alle unsere Versicherungen bei der VGH abgeschlossen, sind seit 30 Jahren dort Kunde. Eine solche Reaktion hätte ich mir von der VGH niemals vorstellen können. Unser Vertrauen in die Redlichkeit der VGH ist erschüttert."