Die Bürger hatten der Erhöhung der Gaspreise nicht mitgemacht. Verhandelt wurde im Kreishaus.

Winsen. Drei große Aktenberge türmen sich auf dem Tisch im großen Sitzungssaal des Kreishauses in Winsen. Der Raum, in dem sonst Kreispolitiker tagen, ist bis zum letzten Platz besetzt - nicht mit schaulustigen Besuchern, sondern mit Angeklagten. Im größten "Sammeltermin" in der Geschichte des Amtsgerichtes Winsen wurden gestern die Urteile gesprochen: In Sachen E.on Hanse gegen 57 Gaskunden aus dem Landkreis Harburg entschied das Gericht in den überwiegenden Fällen zugunsten der Kunden, die Klagen wurden abgewiesen.

Richter und Amtsleiter Albert Paulisch hatte die Verhandlung aus Platzgründen kurzerhand vom Amtsgericht in das nahe gelegene Kreishaus verlegt. "Einen Prozess in dieser Größe habe ich bisher noch nicht erlebt", so Paulisch.

Hintergrund: In ganz Norddeutschland hatte E.on Hanse in diesen Wochen mehrere Tausend Gaskunden auf Zahlung vermeintlich rückständiger Rechnungsbeträge verklagt. Nach Schätzungen der Verbraucherzentrale Hamburg hatten rund 5000 Gaskunden zum Teil seit Herbst 2004 den Gaspreisen widersprochen und die Rechnungen gekürzt - auch im Landkreis Harburg.

Christiane Schirmer (58) aus Bullenhausen ist eine von ihnen. "Ich bin allerdings erst nach der Preiserhöhung 2005 aktiv geworden", sagte sie der Rundschau im Anschluss an die Urteilsverkündung. Sie habe Rat bei der Verbraucherzentrale Hamburg gesucht. Ebenso machte es Klaus-Günter Hänel (65) aus Seevetal. Ihm sei die angeblich notwendige Anpassung an den Ölpreis schon im Oktober 2004 seltsam vorgekommen. Auch er informierte sich auf der Internetseite der Verbraucherzentrale.

Schon das Hamburger Landgericht hatte im Oktober zugunsten der Verbraucher entschieden. Im Zentrum der Urteilsbegründung stand die Preisänderungsklausel in den Gasverträgen der E.on Hanse, die bereits vom Vorgänger HeinGas verwendet wurde. E.on Hanse sei demnach berechtigt, die Gebühren der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen. Das Gericht bezeichnete diese Klausel als ungültig. Diesem Urteil schloss sich das Amtsgericht Winsen gestern an.

So begründete Richter Albert Paulisch seine Entscheidung damit, dass die Formulierung "ist berechtigt" zu schwammig sei. Somit können Preiserhöhungen nötig sein, Preissenkungen aber nicht verpflichtend. Ähnlich verhalte es sich mit der Formulierung "anpassen". "Was ist damit gemeint: prozentual?", führte Paulisch aus. Ebenso sei nicht genau geklärt, welche Bereiche der sogenannte Wärmemarkt denn nun alles umfasse. "Trotzdem möchte ich nicht derjenige sein, der in einem Energieversorgungsunternehmen eine solche Klausel formulieren muss", räumte der Richter ein. Doch die betroffenen Gaskunden aus dem Landkreis Harburg freute sein Urteil. Gerald Schulz (45) aus Seevetal: "Es ist ein toller Erfolg. Ich hoffe nun, dass nicht mehr viel nachkommt." Das wird sich bald entscheiden. E.on Hanse möchte in Berufung gehen. Die nächste Instanz: das Landgericht Lüneburg.