Bundespräsident Horst Köhler zeichnet heute die Preisträger seines Geschichtswettbewerbs aus. Charlotte und Konrad Lucke belegten Platz 2.

Winsen/Berlin. Sie wären heute gern in Berlin dabei gewesen, hätten Bundespräsident Horst Köhler mit Begeisterung die Hand geschüttelt. Doch Charlotte und Konrad Lucke fahren heute nicht ins Schloss Bellevue, wo die Sieger des größten historischen Forschungswettbewerbs für Jugendliche gewürdigt werden. Diese Ehre wird lediglich den fünf Erstplatzierten zuteil, und die Winsener Gymnasiasten belegten "nur" Platz 2.

"Schade" sei das schon, aber enttäuscht, nein, das sind die Zwölfjährige und ihr ein Jahr jüngerer Bruder nicht. Sie haben eine rot eingeschlagene Urkunde mit Bundesadler erhalten, Horst Köhler hat persönlich unterschreiben. Noch dazu ist der zweite Rang mit 1000 Euro dotiert. "Es gibt wirklich Schlimmeres", sagt Charlotte lachend. Vielmehr können die beiden Nachwuchsforscher stolz auf ihre Arbeit sein, denn die hat wissenschaftliches Niveau.

Auf die Idee brachte sie ihr Vater Bernd, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg. Er wusste vom Wettbewerb der Körber-Stiftung, die den Geschichtspreis des Bundespräsidenten ausschreibt. "Der Wettbewerb findet alle zwei Jahre statt und dieses Mal lautete das Thema: 'Helden: verehrt-verkannt-vergessen'", erzählt Konrad. "Wir fanden die Idee toll." Und so rekonstruierten sie die Geschichte zweier Frauen, die während des NS-Regimes Juden bei sich versteckt haben.

Die Recherche begann in der Familie. "Wir wussten von unserem Großonkel Hans, dass seine Mutter Inge Vorster und ihre Freundin Trude Kopske jüdischen Menschen Unterschlupf gewährt hat. Also haben wir angefangen, Briefe an Zeitzeugen, Verwandte und Bekannte zu schreiben", sagt Charlotte. Auch ein Geretteter in der Schweiz und das Berliner Fernsehen erhielten Post.

Innerhalb eines halben Jahres trudelten die Antworten ein, teils handschriftlich, teils zehn Seiten lang. Die beiden Kinder fuhren an die Schauplätze in Süddeutschland und interviewten Cioma Schönhaus, untergetauchter Jude und Passfälscher. Er schrieb auch das gleichnamige Buch "Der Passfälscher". Langsam fügte sich das Puzzle um die heldenhaften Taten der beiden Frauen zu einem Ganzen. Charlotte und Konrad ordneten die Aufzeichnungen und erstellten eine Chronologie der Ereignisse. Nach der Schule, mit ihrem Vater, der als Tutor wirkte.

Auf 28 Seiten schildern die beiden Jungforscher, unter welch widrigen Bedingungen, unter welch großer Gefahr jüdischen Menschen die Flucht aus Nazi-Deutschland ermöglicht wurde. Wie sie in verschiedenen Pfarrhäusern Baden-Württembergs untertauchten, wie die Gestapo perfide Verhöre durchführte - wie es einige Menschen nicht schafften und in Auschwitz vergast wurden. Zudem deckten die beiden Gymnasiasten widersprüchliche Aussagen auf, kamen an einigen Stellen nicht weiter, insbesondere das Leben Trude Kopskes war eine harte Nuss. "Wir wissen nicht genau, wann sie gestorben ist", sagt Charlotte. Vermutlich in der 60er-Jahren in Berlin. Dagegen konnten sie das Leben ihrer Urgroßtante Inge Vorster gut nachvollziehen. Sie starb 2002 in Wankheim.

Am Ende dieser historischen Hausarbeit stand nur noch die Frage: Waren die beiden Frauen Heldinnen? "Wir meinen: Ja!", sagt Konrad. Soviel würden die Daten, mit denen sie erst den Landessieg und nun den zweiten Preis beim Bundeswettbewerb errangen, hergeben. Und ein bisschen Stolz schwingt mit, wenn Charlotte sagt: "Von den 50 Ersten sind wir mit die Jüngsten." Insgesamt zählte der Wettbewerb 1831 Teilnehmer.

Was sie mit dem Preisgeld machen, wissen die beiden schon ziemlich genau. Konrad wünscht sich eine Reise nach Kanada, wo die Familie schon ein Jahr gelebt hat. Charlotte will in Bücher investieren, vorrangig geschichtlicher Stoff. Denn die beiden haben auch schon konkrete Vorstellungen von ihrem weiteren Lebensweg. Charlotte: "Ich möchte Völkerkunde studieren." Konrad strebt in den musischen Bereich: "Schauspiel oder Musik!"

Ob sie am nächsten Wettbewerb wieder teilnehmen? "Mal sehen. Das kommt aufs Thema an", sagt Charlotte. Und vielleicht klappt es ja dann mit einem Besuch im Schloss Bellevue.