Ob Kontonummer oder Geburtsdatum - mit Vertraulichem wird illegal gehandelt. Ein Opfer ist Elke Utesch.

Harburg/Winsen. Der ganze Spuk begann mit einem Anruf. Im Januar 2008 erhielt Elke Utesch das verlockende Angebot, monatlich Lottospielen zu können. Die nette Frau am Telefon erklärte der Winsener Rentnerin, dass sie keinen Schein ausfüllen müsse. Alles was die Firma bräuchte sei ihre Kontonummer, ihr Geburtsdatum und die Adresse. Die Unterlagen würden per Post kommen. Kostenpunkt: 45 Euro.

In welches Schlamassel sich die 68-Jährige damit bringt, ahnte sie nicht. Denn fortan wurde sie mit Begrüßungsschreiben bombardiert, das Telefon bimmelte ununterbrochen. Die Absender: dubiose Gewinnspielfirmen aus dem Ausland. Die Anrufer: hartnäckige Call-Center-Mitarbeiter. Der Grund für die penetrante Belästigung: Elke Uteschs Daten wurden vervielfältigt und im Internet gehandelt. Jeder konnte ihre Bankverbindung einsehen. Seitdem ist sie ein gläserner Mensch.

Doch damit nicht genug. Kurz nachdem das erste Geld für den Lottoanbieter eingezogen wurde, häuften sich die Abbuchungen merkwürdiger Glücksspielfirmen auf dem Konto der alten Frau. Binnen eines Jahres zogen fast 30 Unternehmen Geld ein. Mal 49,90 Euro, mal 99 Euro, mitunter sogar 178,80 Euro. Insgesamt gingen 6000 Euro flöten.

Es dauerte eine Weile, bis Elke Utesch, die von 700 Euro Rente lebt, den Schaden bemerkte. Die Seniorin suchte den Fehler zuerst bei sich. Doch als sie mit 2000 Euro knietief im Dispo stand, wusste sie nicht weiter. Sie vertraute sie sich ihrer Tochter an. Doch da war es schon zu spät.

"Einiges konnten wir noch zurückbuchen", sagt Annette Dontsios. "Doch auf 3000 Euro blieben wir sitzen." Die Tochter half ihrer Mutter aus der Patsche, schrieb Widerruf um Widerruf, buchte Beträge zurück, wimmelte die dreisten Anrufer ab - und erstattete Anzeige gegen die Firmen. Und das alles wegen eines Anrufs, wegen einer unvorsichtigen Auskunft.

"Das Problem ist", sagt Verbraucherschützerin Edda Castelló, "dass persönliche Daten leicht zu beschaffen sind." Selbst die Binsenweisheit, seine Kontodaten nicht am Telefon preiszugeben, sei überholt. Denn irgendwo taucht die Kontonummer immer auf. Im konkreten Fall der ungebetenen Anrufe rät sie zu zwei Strategien: Erstens: Auflegen! Zweitens: Das Spiel mitspielen, viele Informationen über den Anrufer sammeln und die Verbraucherzentrale informieren. "Wir mahnen dann ab, klagen gegebenenfalls. Das ist am wirkungsvollsten", sagt Castello.

Wie einfach es ist, an fremde Daten zu kommen, bewies vor einem Jahr ein Call-Center-Mitarbeiter, der 17 000 Personendaten der schleswig-holsteinischen Verbraucherschutzzentrale zuspielte. Danach wurden die Datenschutzgesetze reformiert.

Edda Castelló hält die neuen Regelungen für halbgar. Das Widerrufsrecht und das Verbot der Rufnummerunterdrückung umgehen dreiste Geschäftemacher, indem sie aus dem Ausland anrufen. Wie kann man sich also schützen? "Wenn der Geist erstmal aus der Flasche, also die Daten erst mal in Umlauf sind, gibt es nur die Möglichkeit, konsequent zu widersprechen." Zudem sollten Kontoauszüge penibel geprüft, unrechtmäßige Abbuchungen sofort der Bank gemeldet werden.

Derweil floriert der illegale Datenhandel weiter. Einem Stern-TV-Team gelang es kürzlich, einen Datensatz mit 300 000 Adressen, Telefonnummern und Kontodaten in der Türkei zu kaufen. Unter diesen Datenmissbrauchsopfern war auch Elke Utesch, die noch immer auf 3000 Euro Schaden sitzt. Ihre Bank, die Volksbank Nordheide, prüft gerade die Revision.

Werner Albers, Vorstand der Volksbank Nordheide: "Wir müssen zunächst ermitteln, ob Frau Utesch wirklich betrogen wurde oder leichtgläubig Verträge abgeschlossen hat." Momentan gehe er davon aus, "dass wir den Fall großzügig handhaben werden". Eine Kulanzregelung sei nicht ausgeschlossen. Dennoch wolle man der Sache auf den Grund gehen, womöglich dubiose Firmen zur Rechenschaft ziehen.

Grundsätzlich sei das Problem zweierlei: Zum einen könne jedermann, der in Besitz einer fremden Kontonummer ist, seiner Bank bestätigen, dass er eine Einzugsermächtigung besitzt. Damit könne das "Opferkonto" solange belastet werden, bis der Geschädigte Wind von der Sache bekommt. Zum anderen sehe das Lastschriftabkommen der Banken lediglich eine Frist von sechs Wochen vor, in der eine Rückbuchung problemlos möglich ist. Wenn der Missbrauch erst später entdeckt wird, sei es schwierig, sein Geld zurück zu bekommen.

Elke Utesch hat mittlerweile eine andere Kontonummer. Das hält zumindest weiteren finanziellen Schaden fern. Ihre öffentlichen Daten hingegen wird sie nicht aus der Call-Center-Rotation bekommen. Täglich trudeln neue Gewinnschreiben ein, das Telefon klingelt im Zehn-Minuten-Takt. Damit lebt die Rentnerin. Denn wegziehen oder ihre Rufnummer wechseln - das will sie nicht.