Bei Marschacht entsteht die größte Anlage ihrer Art in Europa. Meerforelle, Lachs und Stör werden ihre Laichplätze stromauf erweitern können.

Marschacht/Geesthacht. Dort, wo sich das Wasser der Elbe tosend eine gewaltige Wehranlage hinunterstürzt, werden bald große Wanderfische in die entgegengesetzte Richtung springen können. Leise, flussaufwärts, gegen den Strom. Denn dort, in den Seitenarmen der Elbe, befinden sich ihre Laichgebiete, deren Erreichen bislang unmöglich war.

Die Brücke bei Marschacht, ein Wall aus Beton und Stahl, stellte lange Zeit die Endstation für Störe oder Lachse dar. Fischen, die bis zu drei Meter Länge erreichen, nutzte auch die Fischtreppe am Südufer nicht. Sie war schlicht zu klein.

Wenn alles wie geplant verläuft, hat die aussichtslose Fischwanderung im Frühjahr 2010 ein Ende. Vattenfall baut an der Kreisgrenze zum Herzogtum Lauenburg die modernste Fischaufstiegsanlage Europas. Sie ist die größte ihrer Art: 550 Meter lang, 20 Millionen Euro teuer. Sie soll Meerforellen, Lachsen und Stören ermöglichen, Laichgebiete im Inland zu erreichen. Über 45 Einzelbecken können die Tiere gefahrlos flussaufwärts wandern und das Bollwerk aus Beton hinter sich lassen.

Aber warum baut ausgerechnet Vattenfall, der Energie-Riese, eine Fischaufstiegsanlage in die Elbe? "Es handelt sich um eine 'Schadenminderungsmaßnahme" für unser Kohlekraftwerk in Moorburg", sagt Konzernsprecherin Sabine Neumann. Im Klartext: Vattenfall muss einen ökologischen Ausgleich für sein umstrittenes Kraftwerk schaffen. Nur unter dieser Bedingung durfte das Hamburger Großprojekt in Angriff genommen werden.

Davon profitiert nun die Tierwelt. Insbesondere der Stör, dessen Wiederansiedlung in deutschen Flüssen von der Bundesregierung vorangetrieben wird, könnte wieder in der Elbe und seinen Nebenflüssen laichen. Aber auch Lachse oder Meeresforellen sollen die neue Treppe nutzen, um sich im Landesinnern fortzupflanzen. Das Umweltamt unterstützt dieses Projekt mit 700 000 Euro.

Seit Juni wird an der Aufstiegsanlage gearbeitet. In den vergangenen Tagen drückte eine Ramme gewaltige Spundwände in den Boden. Mehr als 100 dieser Stahlbleche sollen der neuen Elbinsel Halt und Kontur verleihen. Auf der sandigen Landzunge regieren unterdessen die Baufahrzeuge, von der Wasserseite liefern Schuten immer wieder neue Stahlteile oder Kies. Für das Rekordbauwerk mussten zunächst 9800 Tonnen Schlick ausgebaggert werden. 8000 Tonnen frischer Kies werden wiederum aufgeschüttet.

Das innovative Konzept der Anlage wurde von langer Hand vorbereitet. Form und Länge wurden an die Uferbedingungen angepasst. Die Universität Karlsruhe überprüfte an einem Großmodell sogar die Strömungseigenschaften. Im Maßstab 1:13 durfte das Elbwasser schon mal Probe fließen.

"Ziel der Anlage ist es, die Fisch-Population im Fluss zu vergrößern", sagt Unternehmenssprecherin Sabine Neumann.

Deshalb habe der Energiekonzern nicht nur die Auflage dahin gehend interpretiert, eine Fischaufstiegsanlage zu bauen. Auch am Moorburger Kraftwerk wird auf die Fische geachtet.

So soll dort eine unterirdische Fischscheuchanlage entstehen. Mit elektromagnetischen Impulsen werden Fische künftig davor bewahrt, in die Ansauganlage für das Kühlwasser zu gelangen. Das klappt allerdings nur bei Tieren, die größer als acht Zentimeter sind. Deshalb baut Vattenfall noch eine zweite Sicherheitsstufe ein. Falls es also doch Fische schaffen, in den Sog des Kraftwerks zu geraten, werden sie an einer Filtervorrichtung aussortiert und mit einem Fischfahrstuhl einige Hundert Meter elbaufwärts transportiert, um dort wieder in den Strom entlassen zu werden.

Zumindest die Fische befinden sich demnach in der komfortablen Situation, mit dem Kraftwerkbau an Lebensqualität zu gewinnen.