Eine Wanderung auf fünf Kilometer langem Bohlenweg durch das Pietzmoor. Stilles Wasser, bizarr aufragende Baumstämme. Das Moor bei Schneverdingen birgt Geheimnisse. Und wer es betritt, bekommt eines garantiert - vollkommene Stille.

Schneverdingen. Leise knacken und knirschen die Holzbohlen bei jedem Schritt. Vor rechts grüßt eine kleine Eidechse, die sich in der Sonne aufwärmt, Vögel zwitschern und ganz unverhofft fliegt etwas Blaues durch die Luft. Es ist länglich, schimmert bunt - und dann ist es auf einmal wieder verschwunden. "Manchmal wird man regelrecht von den Blaugrünen Mosaikjungfern umgeflogen", sagt ein Mann in gelber Regenjacke. Auf seinen Schultern befindet sich sein großer Rucksack, er trägt festes Schuhwerk. "Sie müssen auf den alten Holzbohlen vorsichtig sein, die sind ein wenig glitschig." Er überlegt einen Moment und sagt dann: "Haben Sie alle ein wenig Zeit mitgebracht? Ich brauch' meist ein wenig länger als zwei Stunden für den Rundweg." Der Mann in Gelb ist Wilhelm Röhrs - Fremdenführer aus Schneverdingen. Auf seiner heutigen Tour führt er Urlauber durch das Pietzmoor, das südöstlich der Heidestadt liegt. Seine Lieblingsstrecke. Der 64-Jährige ist in der Lüneburger Heide aufgewachsen, kennt die Region wie seine Westentasche, sagt er. Es scheint, als wäre ihm jeder Baum und jeder Strauch bekannt, als könne er jedes Tier, das den Weg auf Rundstrecke kreuzt, beim Namen nennen. Seine Erklärungen wirken nicht einstudiert - er weiß einfach, wovon er redet. Und auf dieser Tour redet er viel - aber von Langeweile keine Spur.

Das Pietzmoor ist alt - rund 8000 Jahre hat es bereits auf dem Buckel. Doch so idyllisch wie es sich derzeit seinen Besuchern präsentiert, war es nicht immer. Eine faszinierende Hochmoorlandschaft mit einer sehr speziellen Tier- und Pflanzenwelt erwartet die Wandergäste, die einen Spaziergang auf dem rund fünf Kilometer langen Bohlenweg durch das Naturschutzgebiet wagen.

Der Pfad auf den breiten Holzplanken hat gleich zwei positive Effekte: Die Besucher bekommen keine nassen Füße und die Ruhezonen, die die empfindlichen Bewohner des Hochmoores zum Überleben benötigen, werden geschützt. Ein winziger Schritt direkt neben den kleinen Bohlenweg sei aber erlaubt, sagt Röhrs. "Wenn Sie hier barfuss ein wenig im Moor herumtreten, dann ist das die beste Massage, die ihre Füße bekommen können", sagt der Schneverdinger. "Mehr Natur geht nicht." Auf dem Rundweg geht es vorbei an Brombeersträuchern, langen Disteln und Bickbeeren. "So nennen wir bei uns die Blaubeeren", sagt Röhrs und pflückt eine der schwarzen, nahezu überreifen Beeren vom kniehohen Strauch. Daneben wächst Fleischfressender Sonnentau, eine Pflanze, die unscheinbarer ist als ihr Name. Das bekannte Wollgras ist im Frühling im Pietzmoor zu finden.

Hinter einer weiteren Wegbiegung erwartet die Besucher des Moores dann das nächste Naturschauspiel. Aus einem glitzernden Gewässer ragen bizarre Holzstämme, abgestorbene Birken und Kiefern hinaus. "Wenn sie nachts hier vorbei gehen würden, der Nebel über der Wasseroberfläche liegt - dann sieht es so aus, als würden überall irgendwelche Wesen über dem Wasser schweben", sagt Röhrs. "Ganz schön schaurig, das kann ich Ihnen sagen." Entstanden seien die großen Wasserflächen durch den seit dem 16. Jahrhundert durchgeführten Torfabbau, erklärt der Einheimische. Bis etwa 1960 wurde ein Viertel des gesamten Moorgebiets abgetragen. Seit Mitte der 70er-Jahre wurden Maßnahmen der Renaturierung durchgeführt, die tiefen Gräben füllten sich wieder mit Wasser, die typischen Moorpflanzen wie das Wollgras breiteten sich wieder aus. Gleichzeitig mussten andere, nicht moortypische Pflanzen, wie Kiefer und Birke aufgrund der neuen "alten" Lebensbedingungen weichen. Der Weg durch die abwechslungsreiche Landschaft birgt immer wieder neue Überraschungen. Hinter jeder Biegung erwarten die Urlauber andere Eindrücke, die Röhrs fachmännisch zu erklären weiß.

Kurz darauf ist die Touristengruppe wieder am Parkplatz des Feriendorfes an der Heberer Straße angekommen - dort, wo die Wanderung vor rund zweieinhalb Stunden losgegangen war. "Wir sind echt begeistert von dieser wunderbaren Tour", sagt Michael Wenke aus Dresden, der gemeinsam mit seiner Frau Urlaub in der Lüneburger Heide macht. "Bei dieser tollen Führung wurde uns so schön die Natur näher gebracht, da hat man richtig was dazu gelernt." Zum Abschluss gibt Röhr noch einige Ausflugsempfehlungen, gibt Tipps, wo man gut essen kann. Als Einheimischer weiß er Bescheid und verrät einige Geheimtipps - all das für den kleinen Obolus von drei Euro pro Person.