Mit Plakaten in der S-Bahn und Unterricht im Hauptbahnhof wiesen die jungen Leute die Hamburger auf ihre Situation hin.

Harburg

"Erst Opel, dann Karstadt, dann das Lessing-Gymnasium" - Parolen wie diese waren gestern an mehreren Orten in Hamburg zu hören. Grund für die Empörung: Die Schüler des Harburger Lessing-Gymnasiums fürchten, ab 2010 "heimatlos" zu sein.

Im Zuge der weitreichenden Reform des Hamburger Schulsystems soll ab August in dem Schulgebäude Am Soldatenfriedhof eine Primarschule untergebracht werden. Das Gymnasium wird auslaufen. Aber was mit den angehenden Abiturienten passieren soll, ist laut Schulleitung bisher ungewiss.

Um auf ihre Notlage aufmerksam zu machen, gab es gestern für rund 400 Schüler symbolisch Unterricht im Freien. Der Elternrat organisierte "Schulstunden" am Gänsemarkt, Jungfernstieg, im Hauptbahnhof und vor dem Harburger Rathaus. In der Bahnhofs-Wandelhalle wurde Französisch gesprochen, auf dem Gänsemarkt gab es ein wenig Geographieunterricht. Gemeinsam "stürmten" die aufgebrachten Schüler die S-Bahnen, verteilten Flugblätter und führten Gespräche mit Passanten.

Mit großen Plakaten und bunten Hüten machten die Jugendlichen zusätzlich auf sich aufmerksam. "Man hat uns schon ein wenig seltsam angeschaut, aber grundsätzlich haben wir nur positive Rückmeldungen bekommen", berichteten die Schüler Tobias Augsburg und Sandy van der Wehl nach der Demonstration.

"Die Passanten haben uns viel Glück gewünscht und sie befürworten unser Engagement."

Organisiert wurde die Aktion vom Elternrat der Schule. "Wir wissen nur, dass wir von unserem jetzigen Standort regelrecht verdrängt werden und es noch keine klare Regelung für unsere Schüler gibt", sagt Werner Krug, der erste Vorsitzende des Elternrats. "Und es kann doch nicht sein, dass Schüler während ihres Abiturs wohlmöglich in andere Gymnasien eingegliedert werden müssen und so die Bildung darunter leidet."

Mehr als 260 Schüler der Profiloberstufe des Gymnasiums werden von dieser Umstrukturierung betroffen sein. Aufgrund ihres besonderen Lehrplans wird es laut Schulleitung schwierig sein, die Schüler in ein "normales" Gymnasium einzugliedern. Es werden die dringend benötigten Fachräume fehlen, und die besonderen Kompetenzen der Lehrer des Lessinggymnasiums werden wohl kaumbei den Lehrern der Ausweichschulen zu erwarten sein. "Wir brauchen eine Planungssicherheit, eine Möglichkeit, um uns auf die neue Situation einzustellen. Aber bisher haben wir seitens der Politik noch keine verbindliche Ansage bekommen", so Schulleiter Stephan Kauf.

Isilay Kükücler, die derzeit die zehnte Klasse besucht, ist besorgt über ihre schulische Zukunft. "An anderen Schulen können wir nicht den Unterricht machen, der uns am Lessing geboten wird", so die 16-Jährige. "Für unsere Theaterkurse haben wir dann keine Aula, und vielleicht sind unsere gewählten Fächerkombinationen an anderen Schulen überhaupt nicht möglich."

Katharina Kullik sieht das ähnlich. "Während des Abiturs umzuziehen, wirkt sich schlecht auf die Noten aus, das ist doch klar", sagt die Schülerin der Vorstufe. "Es dauert ein wenig, bis man sich an einer neuen Schule eingelebt hat. Das alles wird doch ein absolutes Chaos.

Alle Beteiligten fordern nun eine Weiterführung der gymnasialen Oberstufe, zumindest, bis die letzten Schüler des Lessinggymnasiums ihr Abitur gemacht haben. "Es wäre kein Problem, die Primarschule und die restlichen Gymnasiasten im Schulgebäude unterzubringen und diese dann noch von einigen Lehrern bis zum Abitur begleiten zu lassen", so Elternvertreterin Bettina Münkel. "Wir haben nichts gegen die Schulreform, solange keiner unter ihr leiden muss. Aber bislang sieht es ganz so aus."